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Hintergrund, Methode und Transfer in die Praxis

Leitlinien der EFP und der DG Paro zur Behandlung der Parodontitis

Prozess des ADOLOPMENT (übersetzt und modifiziert nach [26]).
Prozess des ADOLOPMENT (übersetzt und modifiziert nach [26]).

Wie soll Parodontitis der Stadien I bis III behandelt werden? Antworten auf Evidenz- und Konsensbasis gibt die deutsche Version der Leitlinie der European Federation of Periodontology (EFP). Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) hat die europäische Leitlinie in einem speziellen Verfahren an deutsche Verhältnisse angepasst. Der folgende Beitrag erläutert Hintergründe der Leitlinienerstellung, die angewandte Methodik und Inhalte der neuen deutschen S3-Leitlinie.

Im Jahr 2020 legte die European Federation of Periodontology als Ergebnis ihres X. Workshops in La Granja (2019) eine Zusammenstellung von Leitlinien vor [24]. Hierin sollen, aufbauend auf der gemeinsam mit der American Academy of Periodontology (AAP) erarbeiteten, aktuell gültigen Klassifikation der Parodontalerkrankungen [2,3,13,19] von 2018, evidenzbasierte Behandlungsmaßnahmen zu den unterschiedlichen Diagnosen über den gesamten Verlauf der systematischen Parodontitistherapie beschrieben werden.

Während bisher Leitlinien zu einzelnen Therapiekomplexen und Verfahren wie adjuvanten Maßnahmen zur nicht chirurgischen Parodontitistherapie, z.B. die systemische und lokale Antibiose oder der Einsatz von antiseptischen Wirkstoffen, existierten, steht nun erstmals ein auf die bestehenden Diagnosen bezogenes Kompendium für die gesamte strukturierte Therapie einer Parodontitis in den Stadien I bis III zur Verfügung. Patienten, deren Befunde zu einer Diagnose „Parodontitis Stadium IV“ gemäß der Klassifikation [33] führen, weisen zusätzlich zu fortgeschrittenen parodontalen Destruktionen bereits den Verlust von mehr als 4 Zähnen, Verlust der Stützzonen und der ursprünglichen vertikalen Dimension, Veränderungen der Zahnstellung und Defekte des Kieferkammes auf.

Dies bedingt eine komplexe multidisziplinäre Therapie, etwa unter Einbeziehung zahnärztlich prothetischer und kieferorthopädischer Maßnahmen. In den EFP-Guidelines erfolgte bisher eine Beschränkung auf die zur Therapie der Krankheitsstadien I bis III erforderlichen rein parodontologischen Maßnahmen. Die Ausweitung der Empfehlungen auch auf das Stadium IV soll im Rahmen eines gesonderten Workshops erörtert werden.

Die Anwendung des GRADE-Systems bei der Erstellung der EFP-Leitlinien

Der Prozess der Leitlinienerstellung folgte den Grundlagen, die durch die GRADE Working Group (Grades of Recommendation, Assessment, Development and Evaluation) seit dem Jahr 2000 erarbeitet wurden. Dieser Prozess beginnt mit der Sichtung der Datenlage [7,15]. Nach Formulierung der Fragestellungen nach dem PICO-System* wurden im Vorfeld des EFP-Workshops 15 systematische Reviews [4–6,9,14,18,20,21,23,25,31,32,34] erstellt, in denen die aktuelle wissenschaftliche Evidenz für die unterschiedlichen Themengebiete gesammelt und bewertet wurde (Tab. 1).

  • Tab. 1: Inhalte der systematischen Reviews zur Vorbereitung der EFP-Guidelines und ADOLOPMENT durch die DG Paro.
  • Tab. 1: Inhalte der systematischen Reviews zur Vorbereitung der EFP-Guidelines und ADOLOPMENT durch die DG Paro.
    © Prof. Dr. Hahner

Das GRADE-System kennt Empfehlungen unterschiedlicher Stärke (Tab. 2). Eine offene Empfehlung (Grad 0) wird dann angegeben, wenn die derzeit vorliegende Evidenz nicht zur Beantwortung der Fragen ausreicht („wir wissen nicht, …“). Die Graduierung ist dabei zum einen von der Qualität der Evidenz abhängig: Eine (oder mehrere) Metaanalyse(n) aus randomisierten kontrollierten Studien (RCT) mit einem engen Konfidenzintervall und geringem Bias-Risiko hätten ein größeres Gewicht als bspw. Fallserien [8].

  • Tab. 2: Schema zur Graduierung von Empfehlungen (nach [10]).
  • Tab. 2: Schema zur Graduierung von Empfehlungen (nach [10]).
    © Prof. Dr. Hahner

Risiken für Publikations-Bias können u.a. durch Industriesponsoring für klinische Untersuchungen zu Produkten wie Zahnbürsten, Mundspüllösungen oder aber auch Materialien für die regenerative Parodontalchirurgie entstehen. Beim Vorliegen von Evidenz aus unterschiedlichen Quellen wird die Konsistenz, d.h. die Ähnlichkeit von Ergebnissen und deren Stimmigkeit, beurteilt.

In einigen Fällen wurden bei unzureichender Evidenzlage keine evidenzbasierten, sondern nur auf der Grundlage eines Konsensus beruhende Empfehlungen formuliert. Die Konsensstärke wird bei allen Empfehlungen nach dem Schema der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) angegeben (Tab. 3).

starker KonsensZustimmung von > 95% der Teilnehmenden
KonsensZustimmung von > 75–95% der Teilnehmenden
mehrheitliche ZustimmungZustimmung von > 50–75% der Teilnehmenden
keine mehrheitliche ZustimmungZustimmung von > 50% der Teilnehmenden

Tab. 3: Festlegung der Konsensusstärke [11].

Effektgröße und Nutzen-Risiko-Bewertung

Darüber hinaus wird eine Reihe weiterer Faktoren berücksichtigt, um den Empfehlungsgrad festzulegen [26]: Als Ergebnis von Metaanalysen können öfter statistisch signifikante Vorteile für eine Behandlungsoption errechnet werden. Die tatsächliche Differenz der Effektgrößen muss aber nicht unbedingt klinisch relevant sein, wie etwa eine um weniger als 0,5 mm unterschiedliche Reduktion von parodontalen Sondierungstiefen.

Eine Gegenüberstellung der aus der Behandlung resultierenden Vorteile und des Nutzens für den Patienten mit möglichen unerwünschten Nebenwirkungen ist unverzichtbar: Beispiel hierfür ist die gegenüber früheren Publikationen deutlich eingeschränkte Empfehlung zur Verschreibung systemischer Antibiotika in der Parodontitistherapie.

Die Kombinationstherapie mit Amoxicillin und Metronidazol hat in vergleichenden Untersuchungen die größten Effekte erzielt, ist aber gleichzeitig mit einer hohen Inzidenz von Nebenwirkungen verbunden [32]. Unter dem Aspekt zunehmender Resistenzen muss besonders die Gabe des noch immer als Reservewirkstoffes geltenden Metronidazol kritisch hinterfragt werden. Daraus folgt die Empfehlung, die systemische Antibiose „nicht routinemäßig“ und nur nach sorgfältiger Abwägung für „bestimmte Patientengruppen (z.B. generalisierte Parodontitis Stadium III bei jungen Erwachsenen)“ [24] einzusetzen.

Ethische Erwägungen

Ethische Erwägungen betreffen Fragen der Patientenautonomie, die Berücksichtigung der Präferenzen und Wünsche der Patienten bspw. bezüglich des Umfanges einer Behandlung und der Patientensicherheit. Hiermit verknüpft sind regulatorische Fragen: Als adjuvante Therapien zum mechanischen subgingivalen Biofilmmanagement werden u.a. die Applikation von Bisphosphonate- oder Statine-enthaltenden Gelen oder die längerfristige Gabe von nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAR, z.B. Acetylsalicylsäure, Arylpropionsäurederivate [Ibuprofen], Arylessigsäurederivate [Diclofenac]) thematisiert.

Hier unterbleibt trotz positiver Studienergebnisse eine Empfehlung, da es sich in den Experimenten um eine „Off-Label“-Anwendung ohne ausreichende Validierung der Patientensicherheit handelt. Die Verschreibung von subantimikrobiell dosiertem Doxycyclin wird aufgrund der fehlenden CE-Zertifizierung entsprechender Präparate kritisch gesehen.

Ökonomische Erwägungen

Auch ökonomische Erwägungen spielen eine Rolle: Können zusätzliche Kosten, die dem Gesundheitswesen oder dem Patienten direkt für Therapieergänzungen wie etwa der Laseranwendung alleine oder im Kontext der antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPDT) entstehen, durch einen Zusatznutzen gerechtfertigt werden? Im Gegenzug wird der Erhalt von Molaren mit fortgeschrittenem Attachmentverlust und Furkationsbeteiligungen trotz eingeschränkter Prognose als wirtschaftliche Alternative zur Extraktion und anschließenden Implantatversorgung angegeben [28,29].

Patientenpräferenzen und Durchführbarkeit unter Praxisbedingungen

Bei der Therapieentscheidung sind die Präferenzen der Patienten mit einzubeziehen. So wird vermutlich die Mehrzahl der Patienten ein chirurgisches Vorgehen ablehnen, wenn nur unwesentlich schlechtere Ergebnisse durch ein nicht chirurgisches Verfahren zu erzielen sind. Ebenso ist davon auszugehen, dass Patienten eine hohe Präferenz für zahnerhaltende Maßnahmen haben.

Schließlich ist die Anwendbarkeit eines Verfahrens in der Versorgungsrealität einer zahnärztlichen Praxis zu berücksichtigen. So entstehen klinische Studien häufig unter optimalen Bedingungen bezüglich des möglichen Einsatzes von Behandlungszeit und Materialien unter Beteiligung hoch spezialisierter Kliniker in Universitätskliniken. Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf durchschnittliche Zahnarztpraxen ist nicht unbedingt gegeben.

Auch sind bestimmte Therapieansätze, die in der klinischen Forschung in einem interdisziplinären Vorgehen getestet werden, wie etwa psychologische Interventionen zur Verbesserung der Patientenadhärenz im Rahmen der Initialphase oder Erhaltungstherapie oder medikamentöse Raucherinterventionen, bei normalem Ausbildungsstand in der Zahnarztpraxis nicht umsetzbar oder im Rahmen der zahnärztlichen Approbation nicht zulässig.

Eine Gemeinsamkeit der genannten Faktoren ist, dass neben den quantitativen Ergebnissen der zugrunde liegenden Metaanalysen – etwa bezüglich der Effektgrößen für bestimmte Interventionen – auch Kriterien aus der Sicht des erfahrenen Klinikers und des Patienten berücksichtigt werden.

Implementierung der Empfehlungen in die neue deutsche Leitlinie

Im Februar 2021 sind die Leitlinien durch die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DGParo) [22] nun auch in einer deutschen Version der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden**. Hierbei handelt es sich nicht um eine reine Übertragung der EFP-Guidelines ins Deutsche, wenngleich der übersetzte Text vom Umfang her den größten Anteil auch der deutschen Leitlinie ausmacht und sämtliche fachlich relevanten Aussagen enthält.

Zur Übertragung wurden vielmehr die Methoden des GRADEADOLOPMENT-Frameworks [26] herangezogen: In dem Neologismus „ADOLOPMENT“ sind die Bestandteile des Verfahrens und der Regeln zusammengestellt, bei dem nach erneuter Überprüfung der Evidenzlage vorhandene Leitlinien unverändert übernommen (adoptiert), in Details modifiziert eingehen (adaptiert) oder neu entwickelt hinzukommen (Development) (Abb. 1).

  • Abb. 1: Prozess des ADOLOPMENT (übersetzt und modifiziert nach [26]).
  • Abb. 1: Prozess des ADOLOPMENT (übersetzt und modifiziert nach [26]).
    © Prof. Dr. Hahner

Aufgrund der erst recht kurzen Zeitspanne, die nach dem Erarbeiten der Empfehlungen auf europäischer Ebene vergangen war, verwundert es nicht, dass der Prozess des ADOLOPMENTS zu nur minimalen Veränderungen bei der Bewertung der Evidenzlage geführt hat (Tab. 1). Kleine Modifikationen bezüglich der Empfehlungsstärke ergeben sich beispielsweise bei Verfahren, wie dem systemisch wirksamen SDD (subantimikrobielles Doxycyclin ? 40 mg/d), da diese Anwendung in Deutschland nicht zugelassen ist.

Problematik der Endpunkte

Ein methodisch entscheidender Schritt ist die Festlegung der Parameter, anhand derer das Behandlungsergebnis und die Wirksamkeit unterschiedlicher Maßnahmen bewertet werden sollen, der sog. Endpunkte („endpoints“). Hierbei wird unterschieden zwischen „true endpoints“ („wahren“ Endpunkten), die eine eindeutige Evidenz für einen tatsächlichen Nutzen für den Patienten widerspiegeln, und „surrogate endpoints“ („Ersatz“-Endpunkten), wie einem Parameter für das Krankheitsausmaß. Typisches Beispiel für einen „true endpoint“ ist der langfristige Zahnerhalt.

Da der Zahnverlust als Folge der parodontalen Gewebedestruktion häufig erst viele Jahre nach Beginn einer Parodontitis eintritt, ist dieser Parameter klinischer Interventionen schlecht handhabbar und wird daher nur relativ selten in Langzeitbeobachtungen erhoben. Häufig in parodontologischen Studien vorkommende „surrogate endpoints“ sind parodontale Sondierungstiefen, das klinische Attachmentlevel oder der BoP-Index (Bleeding on Probing, Sondierungsblutung). Es ist offensichtlich, dass durch die Auswahl der Endpunkte in erheblichem Maße Einfluss auf die Beurteilung einer therapeutischen Intervention genommen werden kann.

Die Verwendung von Ersatzparametern kann gerade bei Studien zu chronisch verlaufenden Erkrankungen wie der Parodontitis zu falsch positiven und negativen Resultaten führen [12]. Zur Vorbereitung der Leitlinienerstellung wurde daher ein narratives Review zur Identifizierung geeigneter Endpunkte erstellt [16]. Als primärer Zielparameter für die systematischen Reviews wurde schließlich die Reduktion der Taschensondierungstiefen (TST) festgelegt.

Für diesen Endpunkt konnten Korrelationen zu wichtigen, auf den Patienten bezogenen Ergebnisparametern (PROMs = patient-related outcome measures) nachgewiesen werden: Während der aktuelle Wert der TST für die meisten Patienten weniger aufschlussreich und interessant ist, sind die Fragen nach der Stabilität des Behandlungsergebnisses (für die Kliniker: Stabilität des Attachmentlevels), dem langfristigen Zahnerhalt, dem Bedarf für wiederholte Behandlungen in der Zukunft und die auf die Mundgesundheit bezogene Lebensqualität von größerer Bedeutung. Abweichend hiervon wurde für die systematischen Reviews, die regenerative chirurgische Maßnahmen untersuchen, der Gewinn an klinischem Attachment als Zielparameter fixiert. Für alle Untersuchungen wurde auf einen Nachbeobachtungszeitraum von mindestens 6 Monaten geachtet.

Die neuen Empfehlungen bestätigen bisherige Behandlungsansätze

In den Leitlinien werden die schon länger bekannten und verbreiteten Abläufe und Methoden der Parodontitistherapie im Wesentlichen bestätigt. Die systematische Therapie wird in Abhängigkeit von den Diagnosen in 4 Behandlungsphasen organisiert (Tab. 4).

  • Tab. 4: Stufen der Parodontitistherapie.
  • Tab. 4: Stufen der Parodontitistherapie.
    © Prof. Dr. Hahner

An oberster Stelle stehen weiterhin die wiederkehrende mechanische Kontrolle und Reduktion des bakteriellen Biofilms, supra- und subgingival durch professionelle zahnmedizinische Interventionen und durch das häusliche Biofilmmanagement durch die Patienten. Die supra- und subgingivalen professionellen Maßnahmen zum Biofilmmanagement werden nun unter dem neuen Begriff „professionelle mechanische Plaquereduktion“ (PMPR) zusammengefasst.

Als klinische Endpunkte der erfolgreichen aktiven Therapie werden festgelegt: der Zustand der klinischen parodontalen Gesundheit, ggfs. am reduzierten Parodontium entsprechend der gültigen Klassifikation, sowie die Abwesenheit von parodontalen Taschen mit TST < 4 mm und von Sondierungsblutung an mehr als 10% der Messpunkte [3].

Auf den ersten Blick mag es erstaunlich erscheinen, dass Behandlungsansätze, die teilweise schon seit Längerem regelmäßig auch in den Praxen genutzt werden, von den Verfassern der Leitlinien eher zurückhaltend bewertet werden. Dies betrifft vor allem Ergänzungen zur mechanischen Therapie bei der subgingivalen Instrumentierung (Stufe 2) und der unterstützenden Parodontaltherapie (Stufe 4), wie die Gabe von Probiotika und die Verwendung von Lasern allein und in der photodynamischen Therapie, von deren Anwendung abgeraten wird. Begründet wird dies – wie oben bei der Leitlinienentwicklung nach dem GRADESchema erörtert – mit einer unklaren oder unzureichenden Evidenz oder als Konsequenz der Abwägung weiterer Faktoren (Nutzen-Risiko; ethische, regulatorische oder ökonomische Faktoren, Patientenpräferenzen).

Zusammenfassend fällt auf, dass sich das immer weiter entwickelnde Verständnis der Ätiopathogenese der Parodontitis als Zusammenspiel von Infektion und Inflammation (chronisch persistierende Entzündung als Wirtsreaktion) in den Therapieschemata kaum widerspiegelt: Für Interventionen zur Beeinflussung der Wirtsreaktion, wie z.B. Ernährungslenkung oder antiinflammatorische Wirkstoffe, wird noch keine ausreichende Evidenz zur Begründung von Empfehlungen gesehen; antiinfektive Maßnahmen stehen weiterhin im Vordergrund. Wegen der Vielzahl der Empfehlungen wird im Rahmen dieses Beitrags auf eine vollständige Wiedergabe verzichtet und für Details auf den Leitlinientext verwiesen [22].

Nach Abschluss der nicht chirurgischen Therapie (Stufen 1 und 2) folgt eine Reevaluation. Eine zusätzliche chirurgische Therapie ist immer dann indiziert, wenn das Ziel der klinischen parodontalen Gesundheit nicht erreicht wurde und insbesondere, wenn Stellen mit TST ? 6 mm fortbestehen. Als weitere Voraussetzung für ein chirurgisches Vorgehen werden die Kontrolle von Risikofaktoren und eine adäquate Mundhygiene der Patienten genannt.

In der Versorgungsrealität wird die Komplexität parodontalchirurgischer Interventionen als problematisch für eine angemessene Therapie bei Patienten mit schweren Verlaufsformen der Parodontitis (Stadium III) angesehen: Einerseits wird betont, dass speziell nach dem deutschen Zahnheilkundegesetz keine Einschränkungen des Therapiespektrums vorgegeben sind. Andererseits wird die Notwendigkeit von Zusatzqualifikationen gerade für die erfolgreiche Bewältigung techniksensitiver Verfahren in der resektiven und regenerativen Parodontalchirurgie hervorgehoben.

Ein wiederholtes, subgingivales Debridement anstelle eigentlich indizierter chirurgischer Therapie wird nur als Minimallösung beschrieben, die aber wahrscheinlich im klinischen Alltag außerhalb von spezialisierten Fachpraxen und parodontologischen Abteilungen der Universitätskliniken häufig vorkommen dürfte und vor dem Hintergrund der bestehenden Evidenz zur optimalen Therapie als Unterversorgung gesehen werden kann.

Auch bei erfolgreichem Erreichen der Behandlungsendpunkte besteht grundsätzlich bei jedem Parodontalpatienten ein erhöhtes Risiko für ein Krankheitsrezidiv und weitere zukünftige Attachmentverluste. Daher wird die Bedeutung der unterstützenden Parodontaltherapie (Stufe 4) hervorgehoben und eine konsequente Umsetzung besonders auch in der Breitenversorgung gefordert.


Weitere Angaben

* Beurteilung der Beziehungen zwischen Population (P), Intervention (I), einer Vergleichsintervention („comparator“, C) und den Endpunkten („outcomes“, O) [27].
** Die S3-Leitlinie (Langversion) kann online abgerufen werden unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/083-043l_S3_Behandlung-von-Parodontitis-Stadium-I-III_2021-02_2.pdf 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Prof. Dr. Peter Hahner