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Parodontologie

Entzündungsmodulation in der Parodontitistherapie: Pillen, Statine & Co.

In der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) zur Therapie von Parodontitis der Stadien I bis III wurde adjuvanten Therapien zur Entzündungsmodulation eine Absage erteilt. Auch wenn entzündungshemmende und immunmodulatorisch wirkende Medikamente bzw. Nahrungsergänzungsmittel noch nicht empfohlen werden konnten, sind hierin doch interessante Ansätze mit einem hohen Potenzial für künftige Behandlungskonzepte zu sehen.

. Leigh Prather/Fotolia
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Etablierte Therapieoptionen zur Behandlung parodontaler Erkrankungen beruhen auf dem Prinzip der mechanischen Plaquekontrolle, d.h. einer in regelmäßigen Abständen wiederholten Entfernung entzündungsassoziierter bakterieller Zahnbeläge mittels häuslicher Zahnpflege und/oder professioneller Zahnreinigungen. Die Wirksamkeit dieses Vorgehens wurde durch eine Vielzahl klinisch-experimenteller Untersuchungen zweifelsfrei belegt [4,18,22,32,33]. Dennoch ist dieses Vorgehen streng genommen nicht ursachengerichtet, da nach dem aktuell gültigen ätiologischen Modell der Parodontitisentstehung nicht die Menge der auf den Zähnen aufgewachsenen bakteriellen Beläge entscheidend für die Entstehung chronischer Entzündungen im Parodontium ist.

Vielmehr wirkt ein dysbiotisches Überwachsen spezifischer inflammophiler Keime innerhalb der Beläge als zentraler Auslöser [11]. Als treibende Kraft für das krankheitsauslösende Überwachsen der Problemkeime wurde eine unphysiologisch hohe systemische Entzündungslast im Körper identifiziert, wie sie etwa bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen (Diabetes mellitus, Fettleber, Polyarthritis etc.) zu finden ist. Aber auch gesundheitsschädliche Angewohnheiten, wie regelmäßiger Tabakkonsum, oder chronisch hoher psychosozialer Stress wurden als entzündungsförderliche Risikofaktoren identifiziert.

Dies bedeutet, dass für eine langfristig wirksame Therapie und Prävention parodontaler Erkrankungen neben einer konsequenten Plaquekontrolle auch die Identifizierung und Minimierung der systemisch wirksamen Entzündungslast im Körper von zentraler Bedeutung ist. Basierend auf diesem Ansatz wurden in den vergangenen Jahren die therapeutische Wirksamkeit der adjuvanten Anwendung einer Reihe entzündungshemmend und immunmodulatorisch wirkender Medikamente wie auch die Umstellung der Ernährung und der Konsum entzündungsmodulierender Nahrungsergänzungsmittel in klinischen Studien evaluiert [1,2,5,6,8,12,13,34,35].

Die durch Studiendaten belegte Wirksamkeit dieser innovativen Therapiestrategien wurde vor Kurzem auf Initiative der European Federation of Periodontology (EFP) nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin bewertet und dies ist nachfolgend auch in die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) zur Therapie von Parodontitis der Stadien I bis III eingeflossen [23] (Evidenzbasierte Empfehlung [2.6–2.12]).

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Medikamente zur Entzündungsmodulation?

Statine

Zu den als parodontale Therapieunterstützung verwendeten Medikamenten zählten beispielsweise die Statine (Simvastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin), welche üblicherweise zur Therapie von Hyperlipidämie und Arteriosklerose eingesetzt werden. Neben der allgemein bekannten Hemmung der Cholesterinsynthese weisen Statine auch antioxidative und antiinflammatorische Eigenschaften auf [14] und haben einen positiven Einfluss auf die Angiogenese wie auch die Knochenneubildungsrate [16]. Dies macht ihre Anwendung daher prinzipiell auch im Rahmen parodontaler Therapie interessant.

In den bislang durchgeführten klinischen Studien wurden Statine entweder in Form von Tabletten eingenommen oder nach Scaling und Root Planing als nur lokal wirkendes Therapeutikum in Gelform in parodontale Läsionen eingebracht. Die Gabe aller evaluierten Statin-Gele (Simvastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin) führte im Vergleich zur Applikation eines Placebo-Gels zu einer signifikant stärkeren Reduktion der sondierbaren Taschentiefen.

Die Verwendung von Simvastatin- und Rosuvastatin-Gelen verringerte zudem auch die radiologisch sichtbare Ausdehnung infraalveolärer Knochendefekte. Hinsichtlich des posttherapeutischen Gewinns an klinischem Attachment zeigte eine Meta-Regression, dass nur Simvastatin auch diesen parodontalen Parameter im Vergleich zur Placeboanwendung signifikant verbessern konnte [17].

Obwohl die verfügbaren Studienresultate einen klinisch relevanten Nutzen lokal applizierter Statin-Gele nahelegen, konnte für ihre Anwendung in der Leitlinie zur Therapie von Parodontitis der Stadien I bis III [23] keine Empfehlung ausgesprochen werden. Denn es handelt sich bei ihrer Anwendung aufgrund des Fehlens speziell für die parodontale Therapie am Menschen zugelassener kommerzieller Präparate um einen „Off-Label-Use“.

Darüber hinaus wurden nicht für alle untersuchten Statin-Gele sämtliche relevanten parodontalen Parameter erfasst, was keine gesonderte Bewertung der Effektivität unterschiedlicher Präparate ermöglicht. Zudem stammen die bislang verfügbaren Daten von nur einer Arbeitsgruppe. Von einer systemischen Gabe von Statinen allein aus parodontaler Indikation wird aufgrund möglicher unerwünschter Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit abgeraten.

Metformin

Als weiterer Kandidat für die adjuvante Therapie parodontal erkrankter Patienten wurde das bei Patienten mit Diabetes verordnete Medikament Metformin untersucht. Ähnlich wie bei der Verwendung der Statine wurde auch hier ein 0,1%iges Metformin-Gel lokal in die parodontalen Taschen appliziert. Alle in die Metaanalyse einbezogenen Studien zeigten einen Nutzen der Verwendung von 1%igem Metformin-Gel zusätzlich zur subgingivalen Instrumentierung.

Erklärt werden können diese vielversprechenden Ergebnisse mit der antioxidativen Wirkung des Metformins sowie der Förderung der Osteoblasten-Proliferation bei gleichzeitiger Hemmung der Osteoklasten-Aktivität. Dennoch konnte in der Leitlinienevaluation auch für die Anwendung von Metformin keine Empfehlung gegeben werden, da analog zu den Statin-Gelen auch Metformin-Gele nicht offiziell zur Behandlung parodontaler Erkrankungen zugelassen sind und ihre Anwendung in der parodontalen Tasche daher einen „Off-Label-Use“ darstellt. Zudem stammen alle verfügbaren Untersuchungsdaten wiederum von nur einer Arbeitsgruppe.

Entzündungsmodulierende Nahrungsergänzungsmittel als Adjuvanzien?

Omega-3-Fettsäuren

. Ded Mityay/Adobe Stock
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Im Bereich der entzündungsmodulierenden Nahrungsergänzungsmittel wurde die durch Studien belegte Wirksamkeit des adjuvanten Einsatzes von Omega-3-Fettsäuren sowie von Probiotika analysiert. In beiden Fällen erfüllten nur wenige Studien (mit inhomogenen Studiendesigns) die Kriterien, um in die von Donos et al. durchgeführten Metaanalysen eingeschlossen zu werden [8], welche die Grundlage für die aktuellen EFP- und DG PAROEmpfehlungen bilden. Der entzündungsmodulierende Nutzen des Konsums mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäuren ist für zahlreiche chronischentzündliche Erkrankungen, wie Fibrose, Colitis ulcerosa, Asthma, Atherosklerose, Krebs oder kardiovaskuläre Erkrankungen, gut belegt [24,26-28].

Omega-3- wie auch Omega-6-Fettsäuren gehören zu den sogenannten essenziellen Fettsäuren, welche nicht vom Körper selbst synthetisiert werden können. Sie müssen daher mit der Nahrung aufgenommen werden und zeichnen sich durch diverse antimikrobielle und antiinflammatorische Eigenschaften aus. Hierbei spielt v.a. das Verhältnis konsumierter Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren eine Rolle [29].

Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), die besonders in Fischöl enthalten sind, stellen Substrate für die Synthese endogener antientzündlicher Lipidmediatoren (pro-resolution mediators, PRMs), speziell Resolvine, Protektine und Maresine, dar. Die ebenfalls zu den PRMs gehörenden Lipoxine (Lx) entstehen hingegen aus Lipogenase-vermittelten Arachidonsäure-Umwandlungen in Makrophagen. Die Synthese sämtlicher PRMs wird durch die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) signifikant gesteigert [25].

Die klinische Wirksamkeit des Konsums von Omega-3-Fettsäuren konnte in mehreren Interventionsstudien mit Parodontitispatienten bereits gezeigt werden. Alle Studien dokumentierten einen zusätzlichen Nutzen nach subgingivaler Instrumentierung. Eine vor Kurzem veröffentlichte Metaanalyse mit 8 klinischen Studien konnte einen positiven Effekt von Omega-3-Fettsäuren in der Therapie von Parodontitis bestätigen und deren Implementierung in die tägliche Praxis empfehlen [5].

Dennoch steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht genügend Evidenz zur Verfügung, um den zusätzlichen Nutzen des Konsums mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäuren im Rahmen parodontaler Therapie zweifelsfrei zu bewerten – weder als Monotherapie noch adjuvant zur subgingivalen Instrumentierung. Die Kombination von Omega-3-Fettsäuren und niedrigdosierter Acetylsalicylsäure ist bislang noch nicht in ausreichendem Maße klinisch evaluiert worden, um aktuell eine belastbare Aussage zum Nutzen als Adjuvans im klinischen Management der Parodontitis evidenzbasiert treffen zu können.

Probiotika

Die Gabe von Probiotika, also der gezielte Konsum gesundheitsförderlicher Bakterien in Form eines Nahrungsergänzungsmittels, ist in der Gastroenterologie seit vielen Jahren eine etablierte Therapieoption. Zu den therapeutisch genutzten Probiotika zählen diverse Stämme verschiedener Lactobacillus-Arten, spezifische Stämme bestimmter Streptococcus-, Bifidobacterium- und Bacillus-Arten, der Escherichia-coli-Stamm „Nissle 1917“, aber auch die Bierhefe Saccharomyces boulardii [9]. Probiotika entfalten ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften einerseits durch direkte lokale Hemmung konkurrierender Mikroorganismen [7,10,30] und andererseits durch den Kontakt mit den Zellen des mukosalen Immunsystems, die in allen Schleimhäuten zu finden sind [3].

Dadurch werden komplexe immunologische Regulationsmechanismen ausgelöst, die die Stärke von Entzündungsreaktionen nicht nur lokal am Ort des direkten Kontakts, sondern auch systemisch in anderen Regionen des Körpers beeinflussen können [21]. Darüber hinaus können Probiotika die Schleimhautzellen zur vermehrten Produktion von antibakteriellem Schleim anregen und die Dichtigkeit der epithelialen Barriere gegen das Eindringen von Schadstoffen und Keimen verbessern [19,20]. Jüngst wurde eine Reihe klinisch kontrollierter Studien durchgeführt, um die Auswirkungen der Einnahme von Probiotika allein oder in Kombination mit mechanischer Plaquekontrolle auf die Ausprägung von Gingivitis und Parodontitis zu untersuchen.

Dabei wurde die Wirksamkeit einer ganzen Reihe verschiedener probiotischer Keime der Gattungen Lactobacillus, Bifidobacterium, Bacillus und anderer untersucht. Die erzielten Ergebnisse waren uneinheitlich: Während in einigen Studien eine deutlich stärkere Verringerung des Schweregrads der Zahnfleisch- und Parodontalentzündung und eine bessere Verringerung der Sondierungstiefen in den Zahnfleischtaschen nach dem Verzehr von Probiotika im Vergleich zu einer rein mechanischen Plaquekontrolle beobachtet wurden, konnten andere Studien diese positiven Auswirkungen des Probiotikakonsums nicht bestätigen.

Die große Heterogenität in der beobachteten Wirksamkeit des adjuvanten Einsatzes von Probiotika führte dazu, dass Donos et al. in ihrer Metaanalyse keinen signifikanten Nutzen des adjuvanten Einsatzes von Probiotika in der Therapie parodontaler Erkrankungen entdecken konnten [8]. Darin wurden Studienergebnisse evaluiert, welche unter Einsatz sehr unterschiedlicher Stämme und Arten probiotischer Keime zustande kamen. Aufgrund dieser Beurteilung der Evidenzlage und der zusätzlichen Kosten durch eine adjuvante Gabe von Probiotika wurde eine negative Empfehlung für ihre Anwendung ausgesprochen, welche in die aktuelle Leitlinie der DG PARO zur Therapie der Parodontitis der Stadien I bis III aufgenommen wurde.

Spezielle probiotische Bakterien zeigen positiven Therapieeffekt Die von Donos et al. verwendete Strategie zur Einschätzung der Wirksamkeit von Probiotika muss jedoch kritisch hinterfragt werden, da die gesundheitsförderliche Wirkung probiotischer Bakterien stets stammspezifisch ist [15]. Eine zusammenfassende Analyse der Ergebnisse von Studien, welche die Wirksamkeit unterschiedlicher probiotischer Keime untersuchten, erscheint daher wenig zielführend. So zeigt beispielsweise eine weitere Metaanalyse, welche nur Studien berücksichtigt, die ausschließlich die Wirksamkeit der Kombination der probiotischen Lactobacillus-reuteri-Stämme DSM 17938 und ATCC PTA 5289 untersuchten, einen eindeutig positiven Therapieeffekt des adjuvanten Konsums dieses spezifischen Probiotikums auf den Rückgang der parodontalen Entzündungsstärke und die Reduktion parodontaler Sondierungstiefen [31].

Fazit

Aufgrund der aktuellen ätiologischen Vorstellungen zur Entstehung parodontaler Erkrankungen kommt der Kontrolle der systemisch wirksamen Entzündungslast eine zentrale Bedeutung zu. Immunmodulatorische Adjuvanzien könnten sich daher prinzipiell zu einer wichtigen Therapieoption entwickeln, sofern die bislang nur teilweise verfügbare Evidenz zu ihrem klinischen Nutzen durch weitere klinische Untersuchungen zweifelsfrei abgesichert werden kann.

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