Interviews


MIH – ein ästhetisches Problem und dessen Behandlung

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Die Queen Mary Universität in London (QMUL) ist eine der führenden forschungsorientierten Universitäten in UK, die Studenten aus der ganzen Welt eine erstklassige Ausbildung in der Medizin und Zahnmedizin bietet. Im Bereich der Kinderzahnmedizin arbeitet und forscht Prof. Ferranti Wong. Zum Thema der MIH wurde er von dem Journal Clinical Dentistry (UK) befragt.

Herr Prof. Wong, was ist die Molaren Inzisiven Hypomineralisation (MIH)?

Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist ein qualitativer Schmelzdefekt, die als Störung zahnschmelzbildender Zellen beschrieben wird, welche Defekte bei der Anlagerung von Mineralien verursacht (Hypomineralisation). Die MIH ist örtlich begrenzt und betrifft nur die bleibenden Inzisiven und/oder die ersten Molaren. Die Hauptcharakteristik sind braune/weiße Verfärbungen bei milder bis moderater Ausprägung sowie Bruch und Splittern des Zahns in ernsteren Fällen. Aufgrund des geschwächten Zahnschmelzes haben Personen mit MIH auch ein erhöhtes Kariesrisiko.

Wie verbreitet ist die MIH?

Wir haben erst in den letzten 15 bis 20 Jahren steigende Fallzahlen beobachtet. MIH wurde erstmals 1987 in Schweden registriert und hat sich seitdem weit verbreitet. Es wird von einer globalen Prävalenz von 12,9% berichtet, nach DGZMK-Zahlen von 2018 könnte sie jedoch noch höher sein und ca. 10 bis 15% der Grundschulkinder sowie fast 30% der 12-Jährigen in Deutschland betreffen, was eine höhere Prävalenz als Karies bedeutet.

Welche sind die Hauptsymptome?

Braune/weiße Verfärbungen sind die ersten Anzeichen bei milden Fällen, Brüche des Zahnschmelzes treten bei stärkerer MIH auf. Die damit verbundenen Probleme sind Hypersensitivität, Schwierigkeiten bei der Anästhesie, atypische kariöse Läsionen, posteruptiver Breakdown, Reduktion der Stärke von Bonding, ästhetische Auswirkungen und der Verlust von Lebensqualität.

Was sind die Ursachen?

Die Ursachen sind immer noch nicht ganz geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass MIH die Folge einer Infektion oder eines Traumas im 1. Lebensjahr ist, die während der Zahnbildung auftritt. Die häufigsten Infektionen sind z.B. Masern, Blasenentzündung, Mittelohrentzündung, gastritische Beschwerden, Bronchitis, Nierenerkrankungen, Pneumonien, Asthma, Fieber oder auch die Gabe von Antibiotika. Wir glauben aber inzwischen, dass auch eine genetische oder epigenetische Komponente eine Rolle spielen könnten.

Wie diagnostizieren Sie MIH?

Indem wir detailliert die Historie des Patienten erstellen. Dies erweist sich oft als schwierig, da die meisten Eltern sich nicht an bestimmte Ereignisse ihres Kindes im Babyalter erinnern können. Nach dem Ausschluss von Fluorose, den Ursachen der Verfärbungen und des Zahnschmelzabbaus sind wir in der Lage, MIH zu diagnostizieren.

Wie behandeln Sie die mit MIH verbundene Sensitivität?

Viele Patienten werden von ihren Zahnärzten, die ihnen bereits allgemein bekannte Zahnpasten gegen Sensitivität ohne Erfolg empfohlen haben, an unsere Klinik verwiesen. Wir haben dabei die Erfahrung gemacht, dass BioMin F* in der Lage ist, bei diesen Patienten die Sensitivitäten zu reduzieren und ich würde gerne klinische Vergleichsstudien sehen zwischen BioMin F und hochfluoridierten Behandlungen.

Wie hilft BioMin F bei MIH?

Es wird vermutet, dass die Zahnschmelzdefekte einen Kanal schaffen, durch den das Dentin externen Stimuli ausgesetzt ist, die dann die Sensitivität verursachen. Wir wollen den Zahnschmelz stärken, indem wir Mineralien auffüllen. Hierfür kommt BioMin F ins Spiel, denn es erzeugt ein Umfeld, in dem Kalzium, Phosphat und Fluorid langsam und kontinuierlich über mehrere Stunden hinweg freigegeben werden und zusammen mit dem Speichel Fluorapatit bilden. Dies remineralisiert den Zahnschmelz und verschließt auch noch die offenen Tubuli, um die Sensitivität zu reduzieren.

Welche Behandlungsmethoden gibt es für MIH?

Es gibt einige restaurative Behandlungen wie z.B. harzbasierte Fissurenversiegelungen, weiße Kompositrestaurationen oder Kronen. In einigen Ländern wird Bleaching durchgeführt, aber das ist bei Minderjährigen in unserem Land (UK) derzeit nicht erlaubt. Wir versuchen eine möglichst konservative Behandlung; manchmal verwenden wir einen weißen Komposit für die Frontzähne, jedoch keine Veneers.

Gibt es neue Produkte, die helfen könnten? 

Ich bin überrascht vom Potenzial neuer Füllungsmaterialien, die auf der bioaktiven Technologie von BioMin basieren. Diese verschließen nicht nur die Kavität, sondern können durch schrittweise Freigabe der aktiven Inhaltsstoffe (Kalzium, Phosphat und Fluorid) den Zahn remineralisieren.

Erstpublikation in Clinical Dentistry /Januar 2022, S. 90. (clinicaldentistry.co.uk)


Anmerkung der Redaktion:

Nach der DMS-V-Studie von 2016 haben 28,7% der Kinder im Alter von 12 Jahren mindestens einen Molaren mit MIH-Diagnose.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Prof. Ferranti Wong