Wohlfühlen

Selbstmotivation und Eigenverantwortung

Teil 1: Keinen Bock mehr? Die Gegenstrategie

Die Lebenskunst-Pyramide.
Die Lebenskunst-Pyramide.

Reicht es? Haben Sie die Nase voll? Von allem? Und das Problem sind die anderen? Wenn die Stimmung so sehr im Keller ist, müssen Veränderungen her. Psychologin Dr. Esther Oberle erklärt, wie man zu einem selbstbestimmten Leben findet und seine Ziele tatsächlich erreicht – mit Selbstmotivation, Eigenverantwortung und Zielstrebigkeit. Man muss aber sofort und vor allem bei sich selbst anfangen.

Sind Sie es, die eigentlich immer mehr leistet als Ihre Kolleginnen/Kollegen, sich immer mehr kümmert, häufiger für andere da ist, Probleme des Teams löst und dieses motiviert? Ist es nicht an der Zeit, dass die anderen gleichziehen und ihren Part übernehmen? Gerade in Paar-Beziehungen und am Arbeitsplatz nehmen viele Menschen ein Ungleichgewicht wahr. Insbesondere Frauen führen innerlich eine Art „Strichliste“ darüber, wie oft und bei wem sie nachgeben, sich anpassen, mehr geleistet haben, der Kollegin den Platz aufgeräumt und die schmutzigen Kaffeetassen in die Geschirrspülmaschine eingeräumt haben. Irgendwann kommt ein: „Jetzt habe ich genug.“

Spätestens dann ist es so weit, gemeinsam im Team eine Kurskorrektur herbeizuführen. Wird jedoch dieses Gefühl nicht ausgesprochen, dann wird folglich diese Mitarbeiterin nur noch „Dienst nach Vorschrift“ machen bzw. den sogenannten „Nine-to-five-Job“ absolvieren. Die Motivation ist gleich null.

Tritt diese Situation ein, sieht man es der Person auch an: Dies drückt sich in der Körperhaltung aus, in der Mimik und Gestik, verbal in tiefen „Seufzern“, der Wortwahl und Tonlage. Diese miesepetrige Stimmung überträgt sich auf das Praxisteam und beeinflusst auch die Patienten. Die Person stellt fest, dass es „ein sehr mühsamer Tag mit sehr mühsamen Patienten“ war. Und am nächsten Morgen denkt sie schon beim Aufstehen: „Hoffentlich habe ich heute nicht wieder so nervige, mühsame Patienten wie gestern.“ Eine Verneinung kommt aber in unserem Gehirn nicht an. Unser Gehirn interpretiert: „Hoffentlich habe ich heute wieder so nervige, mühsame Patienten wie gestern.“ Mit diesem Gedanken im Kopf macht sich die Mitarbeiterin dann morgens auf den Weg, betritt die Praxis, trifft auf die Kolleginnen bzw. Kollegen und stellt fest: Ein nerviger, mühsamer Tag beginnt. Es wird dann die Zeit kommen, in der sie sich frustriert zurückzieht, ihr Privatleben mit diesem Negativ-Virus angesteckt hat, eventuell an einem Burn-out oder einer Depression erkrankt und gegebenenfalls ihren Beruf aufgibt.

Die Gegenstrategie

Damit das nicht passiert, muss man an sich selbst arbeiten. Es lohnt, ein bisschen genauer hinzuschauen und vielleicht aus unglückseligen Mustern auszusteigen, gewisse ungünstige Verhaltensstrategien über Bord zu werfen und sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Es geht um die Frage:

 â€žWie kannst du ein erfülltes, glückliches und erfolgreiches Leben nach deinen Vorstellungen leben?“

Ein Lebenskünstler ist ein Mensch, der sein Leben weitgehend selbst bestimmt und gestaltet. Wie ein Künstler sein Kunstwerk gestaltet, so gestaltet ein Lebenskünstler sein Lebenswerk. Das Problem dabei: Statt unabhängig zu sein und in Eigenverantwortung zu leben, suchen wir gern nach Sündenböcken. Die anderen sind schuld, dass wir schlechte Laune haben. Die anderen vermiesen uns den Tag, die Kolleginnen sind schwierig, der Chef ist mühsam, die Patienten sind ungeduldig. Doch aufgepasst: Zeigen wir auf „den Schuldigen“, zeigt zwar ein Finger tatsächlich auf den anderen. Doch: Mindestens drei Finger zeigen auf einen selbst. Das heißt, zuerst vor der eigenen Tür kehren, den eigenen Anteil reflektieren, bevor man andere beschuldigt. Übernehmen Sie Eigenverantwortung. Werden Sie zum Gestalter Ihres Schicksals.

Die Lebenskunst-Pyramide – Ein Modell zur Nachahmung

Über vier Stufen führt die Lebenskunst-Pyramide zu einer gesteigerten Zufriedenheit.

Stufe 1: Selbstmotivation

Selbstmotivation ist das Fundament der Lebenskunst-Pyramide. Ohne eine solide Selbstmotivation, also das Wissen, „wozu“ jemand etwas machen soll, und ohne die Entdeckung des Sinngehaltes bricht ein Lebenskonstrukt zusammen. Nur dann, wenn Menschen etwas in ihrem Leben verändern wollen, haben sie tatsächlich die Möglichkeit, es zu tun. Ohne Selbstmotivation geht gar nichts. Ohne Selbstmotivation verharren sie in der Opferrolle und nichts verändert sich. Doch leider gibt es Menschen, die leben lieber nach dem Modell: „Mir ist langweilig. Ich könnte lernen, aber mir ist lieber langweilig ...“. Es gibt Menschen, die sich offenbar lieber im bekannten Unglück suhlen als ins unbekannte Glück aufzubrechen. Doch: Warten Sie nicht, bis Ihr Chef Sie motiviert, Ihre Partnerin Ihnen alles auf dem Silbertablett serviert oder bis zur Beförderung, der Überweisung eines Lottogewinnes oder auf irgendein Wunder. Werden Sie unabhängig, nehmen Sie Ihr Leben selbst in die Hand, werden Sie zum Gestalter Ihres Schicksals.

Durch Selbstmotivation ist es möglich, die Opferrolle zu verlassen und zum Täter zu werden. Dafür muss man etwas tun, aus dem Gewohnten aussteigen. Aber wie? Eines ist sicher: Sich selbst anfeuern, das funktioniert wirklich. „Tschakka, tschakka – wir können das!“ Wer sich selbst verbal anspornt, verbessert die eigene Leistung merklich. Zu diesem Ergebnis kommt eine britische Studie um den Sportpsychologen Andrew M. Lane von der Universität Wolverhampton. Über 44.000 Testpersonen nahmen am Experiment mit der Fragestellung teil: „Welche Motivationstechniken helfen wirklich?“. Die Probanden wurden in 12 Gruppen eingeteilt und sollten im BBC Lab UK (einem Online-Portal der BBC) ein Konzentrationsspiel gegen den Computer absolvieren. Um sich zu motivieren, sollten die Teilnehmer

  • sich lautstark motivieren, Selbstgespräche führen, sich anfeuern;
  • ihre Vorstellungskraft nutzen: sich bildhaft vorstellen, wie man während des Spiels besser und schneller reagieren könnte;
  • ein „Wenn-dann-Szenario“ durchspielen, d. h. vorab planen, wie man beim Eintreten einer Eventualität reagieren würde.

Das Ergebnis war eindeutig: Wer sich selbst in liebevollen Worten bestärkte, erzielte während des Spiels die meisten Punkte und schnitt durchwegs besser ab als die Vergleichsgruppen. Wer sich selbst anfeuerte, setzte mehr Energie frei und die Selbstgespräche führten zu positiven Emotionen.

Stufe 2: Eigenverantwortung

Eigenverantwortung für das eigene Leben zu übernehmen bedeutet, dass wir aufhören, anderen, den Umständen oder der Vergangenheit die Schuld für unsere Probleme zu geben. Es bedeutet auch, dass wir nicht unserem Partner, unseren Kollegen, unserem Chef, den Nachbarn oder dem Wetter die Schuld zuschieben, wenn wir gereizt, nervös oder unglücklich sind. Eigenverantwortung bedeutet, dass man selbst für die gute Stimmung in der Praxis verantwortlich zeichnet. Eigenverantwortung zu übernehmen bedeutet, Entscheidungen zu treffen und die Bereitschaft, die Konsequenzen zu tragen. Auch dann, wenn diese schwierig sein mögen. Eigenverantwortung zu übernehmen bedeutet auch, dem Gegenüber mal einen Wunsch auszuschlagen – anstatt sich irgendwelcher Notlügen zu bedienen. Es ist ein legitimes Recht, „nein“ zu sagen. Es bedeutet auch, statt sich hinter einem Kollektiv wie „man“, „wir“ oder „dem Team“ zu verstecken und den Anschein zu erwecken, andere würden genauso denken, ein einfaches „Ich“ zu formulieren. Eigenverantwortung bedeutet, für Fehler geradezustehen und eine Wiedergutmachung anzubieten. Und es bedeutet beispielsweise, statt etwas über einen Verkehrsstau zu lamentieren, klar zu formulieren: „Ich habe verschlafen.“

Eigenverantwortung übernehmen bedeutet, sich für die Gefühle des anderen nicht verantwortlich zu fühlen. Jeder macht sich seine Gefühle selbst. Wenn jemand traurig und deprimiert ist, macht er sich diese Gedanken. Dass jeder für seine Gefühle selbst verantwortlich ist, entbindet jedoch nicht der Verantwortung für ein menschliches Miteinander. Wenn sich jemand wegen Ihres Verhaltens maßlos ärgert und „auf die Palme geht“, ist das seine Entscheidung. Sie haben ihm die Palme hingestellt, jawohl. Ob er hochklettern möchte, ist seine Entscheidung. Sie können sich jedoch überlegen, ob es notwendig ist, dem Gegenüber eine Palme zur Verfügung zu stellen.

Stufe 3: Zielstrebigkeit

Zielstrebigkeit bedeutet, sich ein klares Ziel zu setzen (Abb. 2). Es gibt Menschen, die sich unglaublich viel vornehmen – und dennoch nichts erreichen. Warum? Es genügt eben nicht, sich irgendetwas vorzunehmen. Schwammige Ziele sind keine echten Ziele und werden nie erreicht. Auch wenn die Ziele nicht IHRE Ziele sind, werden Sie früher oder später den nötigen Durchhaltewillen nicht mehr aufbringen und aufgeben. Wenn Sie sich einem Ziel jedoch ganz verschreiben, machen Sie es zu Ihrer Top-Priorität. Immer und überall: Sei es in der Praxis, in der Freizeit oder wo immer Sie auch sind. Setzen Sie alles daran, Ihr Ziel zu erreichen.

  • Abb. 2: „Zielstrebigkeit – Ziele erreichen in 5 Schritten“ (aus www.karrierebibel.de).
  • Abb. 3: Ziele erreichen, heißt Komfortzone verlassen.
  • Abb. 2: „Zielstrebigkeit – Ziele erreichen in 5 Schritten“ (aus www.karrierebibel.de).
  • Abb. 3: Ziele erreichen, heißt Komfortzone verlassen.

Was hilft, ein Ziel zu erreichen? Nicht nur das Ziel klar zu definieren und zu fixieren, sondern es auch zu kommunizieren, z. B. Freunden und wichtigen Menschen. Ein Scheitern ist dann mit negativen Konsequenzen, wie einem Gesichtsverlust, verbunden und dies kann zusätzliche Motivation sein, das Ziel unbedingt erreichen zu wollen. Wenn man das Ziel dann noch terminiert, erhöht sich die Erfolgschance zusätzlich, denn: Wer nicht plant, wird verplant. Es gilt, Vorbilder und Unterstützer zu suchen und sich von Personen, die der eigenen Persönlichkeit nicht guttun, zu distanzieren.

Ziele zu erreichen bedeutet, aus der Komfortzone herauszukommen (Abb. 3). Das braucht Mut und eine gewisse Schmerztoleranz. Leider sind einige unserer Mitmenschen nicht bereit, gewisse Mühsal auf sich zu nehmen bzw. durch diese Schmerzzone hindurchzugehen. Leider, denn hiermit würden ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstsicherheit gestärkt.

Wie schafft man es, aus der Komfortzone auszusteigen? Hier sei beispielhaft ein Zitat angeführt aus einem Interview mit dem Extremsportler und Regierungsberater (im Bereich Sport) Gregor Iwanoff (Abb. 4) (aus: „Duschen hat mein Leben verändert“; www.zeitblueten.com/news/kalt-duschen/): „Ich habe gekreischt und gejammert, aber ich habe das kalte Wasser ausgehalten. Das habe ich jeden Tag gemacht. Mein Leitgedanke war folgender: Wenn du nicht den Willen oder das Zeug hast, etwas Unangenehmes zu erfahren und für einige Minuten unter der kalten Dusche zu stehen, mit dem einzigen negativen Ergebnis, dass dir dabei kalt ist, wie willst du dann jemals die Stärke oder Courage haben, dich einer unangenehmen Situation zu stellen, in der aber das (positive) Ergebnis viel, viel größer ist? So habe ich das kalte Duschen ausgehalten und mich für schwere Entscheidungen im Leben gestärkt. Ich habe tatsächlich meinen Job gekündigt und bin in eine ungewisse Zukunft gestartet. Es war unangenehm, aber ich hatte unter der Dusche gelernt, dass ich mich dem Unangenehmen stellen kann. Dass ich es hinnehmen und – ganz besonders – dass ich es durchstehen kann. Ich habe gelernt, dass etwas Unangenehmes nicht den Träumen im Weg stehen darf.“


 â€žBedenke, dass Schweigen manchmal die beste Antwort ist.“ (Dalai Lama)


 Lernen Sie Stufe vier und fünf der Lebenskunstpyramide in der nächsten Ausgabe der Plaque n Care (November) kennen!


Verwendete und weiterführende Literatur

www. karrierebibel.de

www.welt.de/wissenschaft/article2996790/Die-wundersame-Macht-der-guten-Gedanken

www.gbcc.eu/1543/gehirnforschung-die-macht-der-gedanken/

www.zeitblueten.com/news/kalt-duschen/

Lukas Elisabeth: Urvertrauen gewinnen, Herder 1997, Freiburg.

Lukas Elisabeth: Der Schlüssel zu einem sinnvollen Leben, Kösel 2011.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Esther Oberle

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Esther Oberle