Wohlfühlen


Jeder Satz ein Treffer: Schlagfertig im Praxisalltag

01.04.2019

Schlagfertigkeit will gelernt sein!
Schlagfertigkeit will gelernt sein!

Ein Patient benimmt sich mal wieder daneben, wirft Ihnen verbal Dinge an den Kopf, die Kollegin nervt Sie mit den immer gleichen Vorwürfen und Sie sind sprachlos und handlungsunfähig. Jetzt die entscheidenden Techniken parat haben und eine selbstbewusste Haltung ausstrahlen, wer wünscht sich das nicht? Wie Sie mit schlagfertigen Antworten in Zukunft bestimmen können, wer mit einem besseren Gefühl aus der Situation geht, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag.

Der Begriff Schlagfertigkeit bezeichnet die „Fähigkeit, schnell und mit passenden, treffenden, witzigen Wörtern auf eine verbale Anrede zu reagieren“. Ein klassisches Beispiel lieferte Winston Churchill, der für seine Schlagfertigkeit bekannt war. Bei einer Abendgesellschaft attackierte ihn eine verärgerte Dame Churchill mit den Worten: „Wenn ich Ihre Frau wäre, dann würde ich Ihnen Gift in den Kaffee schütten!“ Er konterte: „Und wenn ich Ihr Mann wäre, dann würde ich ihn sogar trinken.“

Schlagfertigkeit im Praxisalltag

Was tun, wenn ich mich verbal angegriffen fühle? Sie bekommen einen Satz zu hören, der Sie vollkommen aus der Bahn wirft und können überhaupt nicht verstehen, warum diese Person, sei es der oder die Patient(in) oder Praxismitarbeiter(in) das jetzt sagt. Sie haben Mühe, das Gesagte zu verarbeiten, und die Zeit zu reagieren ist dann längst vorbei. Abends denken Sie: „Das nächste Mal lasse ich mir das nicht gefallen, der oder die bekommt etwas zu hören!“ Und nun kommt die schlechte Nachricht: Diese Chance ist leider vertan. Damit Ihnen dies nicht noch einmal passiert kann man Schlagfertigkeit erlernen; sie ist nämlich nicht naturgegeben. Schalgfertigkeit dient Ihnen und ist im Sinne der Praxisphilosophie.

Eine im vergangenen Jahr von der Autorin durchgeführte Umfrage auf Facebook zum Thema „Schlagfertigkeit“ führte zu dem Ergebnis, dass nahezu 100% der Befragten der Meinung sind, sie brauchen unbedingt mehr Schlagfertigkeit im Praxisalltag. Das deckt sich mit den Erfahrungen, die die Autorin in ihren Seminaren macht (Abb. 1). Doch was genau ist Schlagfertigkeit? Schlagfertigkeit im herkömmlichen Sinn bedeutet, jemand fühlt sich durch einen anderen verbal angegriffen und kontert rücksichtslos zurück. Diese Form begegnet uns im privaten Bereich sowie im Arbeitsleben. Schlagfertig zu sein, bedeutet eine gewisse Portion Mut und Frechheit aufzubringen. Wer jedem gefallen will, wird nicht schlagfertig werden können.

  • Abb. 1: Facebook-Umfrage „Schlagfertigkeit im Praxisalltag“ 2018.
  • Abb. 2: „Was genau ist Schlagfertigkeit?“
  • Abb. 1: Facebook-Umfrage „Schlagfertigkeit im Praxisalltag“ 2018.
    © Dreischer
  • Abb. 2: „Was genau ist Schlagfertigkeit?“
    © Dreischer

Besonders im Praxisalltag, im Umgang mit Patienten und im Praxisteam, kann gedankenlose Schlagfertigkeit sehr schnell zu ungeahnten Schwierigkeiten führen. Gerade hier sollten Sie in der Lage sein, zu erkennen, wann eine schlagfertige Antwort ankommt und angemessen ist, und wann sie Verärgerung hervorruft. In vielen Situation reicht es vollkommen, Ihren perfekten Konter in Gedanken auszusprechen, nach dem Motto: Wenn Sie wollten, dann könnten Sie. Schlagfertigkeit hat viele Facetten; sie fördert die Kommunikationsfähigkeit des Einzelnen, ist auf jeden Fall trainierbar und lässt nach einem vermeintlichen Angriff kein sprachloses Opfer zurück. Und wie nebenbei wird auch das eigene Selbstwertgefühl gestärkt. Positive Schlagfertigkeit als Lebenseinstellung, gewürzt mit einer Portion Gelassenheit und Humor (Abb. 2).

Typische Situation aus dem Praxisalltag

Kristin Doll ist eine junge Zahnärztin und kommt in den Behandlungsraum. Dort wartet der ältere Patient namens Meier. Mit einem freundlichen „Guten Tag Herr Meier, mein Name ist Dr. Doll und ich bin Ihre behandelnde Zahnärztin“ begrüßt sie ihren Patienten. „Sie sehen aber nicht wie eine Zahnärztin aus“, ist die Reaktion von Herrn Meier, worauf Dr. Doll lachend kontert: „Naja, uns gibt es in allen Farben und Größen, Herr Meier.“ Er muss ebenfalls lachen und die Atmosphäre ist entspannt.

Was ist hier passiert? Nehmen wir einmal an, dass Herr Meier die Kompetenz der jungen Zahnärztin mit seiner Bemerkung infrage stellen wollte. Wie reagiert Dr. Doll? Sie fühlt sich ganz offensichtlich nicht angegriffen, weiß um ihre Fähigkeiten und Professionalität und antwortet dementsprechend souverän. Mit Humor und einem entwaffnenden Konter ist die Situation entschärft und die Behandlung kann beginnen.

Erste Hilfen

Kennen Sie auch solche Tage! Sie sind Praxismitarbeiterin und werden von allen Seiten nur mit Vorwürfen konfrontiert, denn egal, was Sie auch anpacken, Sie können es keinem recht machen: die Patienten meckern über lange Wartezeiten, der Chef ist mit der Dokumentation unzufrieden, die erfahrene Kollegin weiß und kann alles besser.

Oder Ihnen als behandelnder Zahnarzt will trotz sorgfältiger Arbeit das Einsetzen der Krone nicht problemlos gelingen, Ihre Frau beschwert sich, dass Sie telefonisch nicht erreichbar sind, und zu guter Letzt bleibt wieder einmal keine Zeit für eine Pause und Sie haben Hunger. Halten Sie sich in solchen Situationen nicht mit Ihren Gefühlen auf. Erfolgt jetzt ein verbaler Angriff, kontern Sie spontan.

Folgende Formulierungen sind als Erste-Hilfe-Maßnahmen wirkungsvoll:

  • „Stimmt genau!“
  • „Na klar, was dachten Sie denn?“
  • „Was Sie nicht sagen!“
  • „Jaja.“
  • „Ach so.“

Doch auch hier gilt: Der Ton macht die Musik. Das heißt, mit Vorsicht anwenden und die Gesamtsituation hierbei nicht aus den Augen verlieren. Ein Konter ist ein Gegenangriff, der Ihr Gegenüber verletzen kann. Wenn bekannt, sprechen Sie den „Angreifer“ zuerst mit Namen an, dann einmal bewusst durchatmen und anschließend kontern. Gehen Sie bei dummen Bemerkungen häufiger davon aus, dass Ihr Gegenüber Sie gar nicht treffen wollte. So erübrigt sich die Notwendigkeit einer schlagfertigen Antwort. Nebenbei wächst Ihr Selbstwertgefühl und Ihre Souveränität nimmt zu.

Rechtfertigungsfalle

Gehören Sie auch zu den Menschen, die sich sofort auf jeden vermeintlichen Angriff hin rechtfertigen, frei nach dem Motto: „Aber ...“ oder „Ich wollte nur ...“. An dieser Stelle ein einfacher rhetorischer Trick: Wiederholen Sie das Gehörte mit eigenen Worten: „Ihrer Ansicht nach habe ich Ihnen einen falschen Termin genannt.“ So gewinnen Sie Zeit für eine kurze Denkpause und können den nächsten Schritt überlegen. Wenn Sie tatsächlich einen Fehler gemacht haben, stehen Sie dazu: „Hier ist offensichtlich etwas falsch gelaufen, ich werde es sofort erledigen.“ Gepaart mit einer selbstbewussten Körperhaltung und fester Stimme, vermitteln Sie so einen kompetenten Eindruck. Etwas härter geht es bei den nachfolgenden Widerspruchsformulierungen zu, die nicht unbedacht im Praxisalltag eingesetzt werden sollten:

  • „Nein, falsch!“
  • „Das kann nicht stimmen.“
  • „Das sehe ich anders.“
  • „Das meinen vielleicht Sie ...“
  • „Da bin ich anderer Meinung.“
  • „Wie kommen Sie denn darauf?“
  • „Meinen Sie das ernst?“
  • „Glauben Sie das wirklich?“

Aus der Praxis

Gerade bei Gesprächen und Diskussionen um anfallende Kosten gerät man wiederholt unbewusst in die Rechtfertigungsfalle. Hier ein Beispiel: Sie besprechen mit einem Patienten die Kosten einer erforderlichen Behandlung. Ein klassischer Einwand: „So viel Geld für 30 Minuten Arbeit?“ Wenn Sie Ihre Ausführungen mit „Ja, aber …“ beginnen, sind Sie schon in die die Rechtfertigungsfalle getappt. Vergessen Sie das „Aber“ und erklären stattdessen das Zustandekommen Ihres Honorars: „Natürlich sind 1.500 â‚¬ eine Stange Geld. Bedenken Sie allerdings, dass Sie bei mir mit der neuesten Technik und den besten Materialien äußerst schonend behandelt werden und meine Mitarbeiterinnen und ich uns durch qualifizierte Fortbildungen regelmäßig weiterbilden …“ An dieser Stelle ein Tipp: Informieren Sie auch stets das Praxisteam über das Zustandekommen der Honorare, denn auch sie sind in die Patientenberatung an den unterschiedlichsten Positionen eingebunden und Wissen stärkt wiederum das Selbstbewusstsein.

  • Abb. 3: Bausteine der Schlagfertigkeit.

  • Abb. 3: Bausteine der Schlagfertigkeit.
    © Dreischer

Bausteine der Schlagfertigkeit (Abb. 3)

Baustein 1: Fragen

Der Mensch besitzt einen automatischen Antwortreflex. Das heißt, sobald er eine Frage gestellt bekommt, antwortet er normalerweise sofort. Durch eine gezielte Gegenfrage und eine selbstbewusste Körpersprache übernehmen wir die Gesprächsführung und schon ist der Angriff verpufft.

Beispiele:

A: „Das ist vollkommen falsch!“

K: „Könnten Sie mir das bitte näher erklären?“

A: „Sie sind mir jetzt aber keine besonders große Hilfe!“

K: „Das ist ja interessant. Und wie kommen Sie darauf?“

A: „Warum ist das so teuer?“

K: „Die Qualität macht den Preis. Auf welche legen Sie Wert?“

A: „Sind Sie für diese chaotische Terminvergabe verantwortlich?“

K: „Na klar bin ich verantwortlich, sehen Sie hier sonst noch jemanden?“

Baustein 2: Lösung

In einer verbalen Auseinandersetzung weigert sich das Gegenüber, die Grenzen des anderen zu akzeptieren. Auch hier ist es wichtig, eine klare Position einzunehmen. Drücken Sie mit Ihrer Körpersprache, Mimik und Gestik aus, dass Sie standhaft sind, machen Sie sich durch eine gerade Körperhaltung groß, sprechen selbstbewusst, klar und deutlich und halten Sie den Blickkontakt. Fordern Sie Ihr Gegenüber durch eine gezielte Frage zu einer Lösung auf.

Beispiele:

A: „Es gefällt mir gar nicht, in welchem Ton Sie mit mir sprechen!“

K: „Was würde Ihnen denn gefallen?“ oder

K: „Welche Tonart wäre Ihnen denn lieber?“

A: „Können Sie denn überhaupt lesen?“

K: „Welches Buch können Sie mir empfehlen?“

Baustein 3: Ãœbertreiben

Seien Sie witzig und übertreiben Sie absurd und maßlos. Je unwahrscheinlicher und fantasievoller, desto besser ist die Wirkung. Sie möchten doch Ihr Gegenüber außer Gefecht setzen und das Gespräch führen. Diese Technik eignet sich nur bedingt für den Praxisalltag, lässt sich allerdings wunderbar im privaten Bereich trainieren. Alternativ und auch sehr befreiend – den Konter nur in Gedanken aussprechen.

Beispiele:

A: „Was, Ihr habt schon wieder Urlaub?“

K: „Stimmt, und zwar für den Rest des Jahres!“

A: „Gehen Sie immer so mit Privatpatienten um?“

K: „Da müssten Sie mich mal mit Kassenpatienten erleben!“

Baustein 4: Gegenteil

Seien Sie in der Lage, den gehörten Vorwurf ins Gegenteil umzudrehen: einfach den Ball zurückzuspielen und so den Gegner mit seinen eigenen Waffen schlagen. Auch hier wieder beachten, in welchem Kontext der Angriff erfolgte, und beim Konter sicher sein, dass Sie die Praxisphilosophie nicht aus den Augen verlieren. Sie überschreiten bewusst Grenzen und das kann verletzen.

Beispiele:

A: „Du bist ja geizig!“

K: „Wäre es Dir lieber, wenn ich am Ende des Monats pleite bin?“

A: „Wenn ich hier an der Anmeldung sitzen würde, wäre ich viel freundlicher zu den Patienten!“

K: „Und wenn Sie hier sitzen würden, ginge ich sofort wieder!“

A: „Das ist aber teuer!“

K: „Wäre es Ihnen lieber, wenn die billige Variante nächste Woche schon wieder herausfällt?“

Baustein 5: Umdeutung

Diese Technik ist, neben der Rückfragetechnik, gut im Praxisalltag einsetzbar. Geben Sie Ihrem Gegenüber indirekt Recht und stellen den Inhalt mit Ihren Worten im Sinne der Praxisphilosophie klar. Vorteilhaft ist in diesem Fall, über ein umfangreiches Repertoire an Synonymen für häufig vorkommende Begriffe zu verfügen (Tipp: Trainieren Sie das in Word; schreiben Sie das Wort und rufen mit einen Rechtsklick das Synonymlexikon auf).

Beispiele:

A: „Das ist aber teuer!“

K: „Ja, wenn teuer für Sie bedeutet, eine professionelle, hochwertige Arbeit zu bekommen, dann gebe ich Ihnen gerne recht.“

A: „Sie sind ja neugierig, das wollen Sie alles von mir wissen (Anamnesebogen)?“

K: „Ja, wenn Sie damit sagen wollen, dass wir genaue Informationen über Sie benötigen, um Sie optimal zu behandeln, dann sind wir gerne neugierig.“

Baustein 6: Humor

Humor hat man oder man hat ihn nicht, da hilft auch kein Trainieren. Es ist ein Geschenk, über eine gute Portion Humor zu verfügen; damit ist die Stärke gemeint, über sich selbst lachen zu können und nicht andere lächerlich zu machen.

Beispiel:

A: „Wie schafft man es, soviel Hüftgold zu haben, bei dem Gerenne in unserer Praxis?“

K: „Das ist ganz einfach, genug essen!“ 

Fazit

Wie viel Schlagfertigkeit brauchen wir tatsächlich in unserem Praxisalltag? Steht nicht eher die Frage im Vordergrund, warum ich mich angegriffen fühle, und nicht die, wie ich argumentieren kann? Was kann ich für mich tun, um noch mehr Selbstwertgefühl und Souveränität zu erlangen? Wertschätzende Kommunikation ist in vielen Fällen die Lösung, doch auch kein Garant dafür, konfliktfrei miteinander umzugehen. Wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es immer schwierige, aber auch spannende Situationen, und da kann Schlagfertigkeit ein hilfreiches Mittel sein. Denn unsere Mitmenschen können wir nicht verändern, jedoch unsere Einstellung zu ihnen. Und immer daran denken: Es sind nicht die Worte, die uns angreifen, sondern nur ihre Wirkung auf uns, die das Bedürfnis nach einer schlagfertigen Reaktion entstehen lässt.


Für Interessierte: Lektüren zum Trainieren der Schlagfertigkeit

 

  • Pöhm M: Das NonPlusUltra der Schlagfertigkeit: Die besten Techniken aller Zeiten. München: mvg Verlag (2015).
  • Staudinger N: Schlagfertigkeitsqueen: In jeder Situation wortgewandt und majestätisch reagieren. Berlin: Eden Books (2016).
  • Giller U: Schlagfertig werden im Business: Schlagfertigkeit macht erfolgreich. Remscheid: Rediroma-Verlag (2012).

 

 

 

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Lisa Dreischer