Wohlfühlen


Gesunder Rücken: entspannt durch Yoga

22.03.2023

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Die meist einseitige Haltung an der Behandlungseinheit ist eine gesundheitliche Herausforderung. Dazu kommt der alltägliche, nicht immer vermeidbare Stress aus Berufs- und Privatleben. Beides geht auf den Rücken. Yoga kann helfen, sich körperlich und mental zu entspannen und hierdurch vor allem den Rücken gesund zu erhalten. Unsere Autorin, eine erfahrene Yogalehrerin, erklärt, weshalb Yoga ein guter Ausgleichssport für das zahnärztliche Team ist, und gibt Übungen an die Hand.

Verspannungen im Nacken, Schmerzen im unteren Rücken, Spannungskopfschmerz – viele Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsbereichen klagen in meinen Yogaeinheiten und Coachings über ähnliche Beschwerden. Im zahnärztlichen Team entstehen zusätzliche Belastungen, da Assistenz, Zahnärztinnen und Zahnärzte dauerhaft auf einer Seite der Patientin bzw. des Patienten behandeln.

Dadurch entsteht eine muskulär einseitige Belastung, welche ein Ungleichgewicht im Körper verursacht. Dessen Auswirkung ist eine spürbare muskuläre Spannung.

Spannung im Körper: stress- und haltungsbedingt

Nicht nur durch eine unergonomische Haltung entstehen Spannungen im Körper. Termindruck, Probleme im Team oder im privaten Bereich, Informationsüberflutung und Multitasking bauen im „System“ Mensch zusätzlichen Stress auf mentaler oder emotionaler Ebene auf, der meist ebenfalls zu Spannung im Körper führt.

Die Erklärung für Spannungsaufbau durch Stress liegt in unserer evolutionären Entwicklung. Auch wenn wir mittlerweile in einer „zivilisierten“ Welt leben, so ist unser körperliches System noch sehr stark auf das Überleben fokussiert, wie dies in früheren Zeiten sinnvoll und ein Evolutionsvorteil war.

Heutzutage ist es allerdings nicht mehr der Säbelzahntiger, der uns jagt, sondern Termindruck im privaten und/oder beruflichen Umfeld. Um in der Lage zu sein, vor dem Jäger zu flüchten, baut unser Körper Spannung auf; auf hormoneller Ebene wird Adrenalin ausgeschüttet. 

Dieser Prozess fährt unser Entspannungssystem herunter, der Fokus unserer Wahrnehmung ist nun auf die „Gefahren“ im Umfeld gerichtet. Die Wirkung ist u.a., dass die Atmung flacher und die Verdauung auf ein Minimum reduziert wird [4].

Wir brauchen aus evolutionärer Sicht nun alle Energie, um erfolgreich zu flüchten, daher ist die erhöhte Spannung sinnvoll. Da wir aber in unserem Alltag meist die Flucht nicht mehr körperlich antreten, werden das Adrenalin und die Spannung nicht abgebaut, sondern die Spannungsschichten werden im Körper und auf mentaler Ebene Tag für Tag weiter aufgebaut [1].

Den „mentalen Säbelzahntiger“ abschütteln – tief atmen!

Was kann man nun tun, um wieder zu entspannen? Vieles ist hier sinnvoll: Die einen gehen laufen, die anderen spazieren, manche gehen Eisbaden oder machen Yoga [3]. Zur Yogapraxis kommen wir später.

Grundsätzlich kann man sagen, dass alle Aktivitäten, die den Körper zu einer tieferen Atmung anregen, die Entspannung unterstützen. Eine ruhige, tiefe Atmung ist der Schlüssel zu dem Teil unseres Nervensystems, der für die Entspannung zuständig ist. Mit einer tiefen Bauchatmung wird der Vagusnerv angeregt.

Dieser gehört zu unserem parasympathischen Nervensystem. Das bedeutet, dass wir unsere Entspannung aktiv unterstützen können, indem wir tief durchatmen. Unser Körper wird so wieder gut mit Sauerstoff versorgt, die Durchblutung angeregt, die Organe werden durch die Bewegungen des Zwerchfells „massiert“ – und der gesamte Organismus kommt wieder in Schwung.

Dies folgt der evolutionären Logik: Nach erfolgreicher Flucht würde unsere Atmung tiefer und nach der Anstrengung beim Wegrennen zudem wieder ruhiger werden. Dies signalisiert dem Nervensystem, also auch der mentalen Ebene, dass wir uns wieder entspannen können. Es gilt also im übertragenen Sinn, den „mentalen Säbelzahntiger“ und somit auch die Spannung abzuschütteln.

Stress reduzieren

Um Spannung nicht erst aufkommen zu lassen, können wir natürlich auch an der Stressschraube drehen. Was Menschen stresst, ist dabei individuell unterschiedlich. Gert Kaluza erforschte individuelle Stressoren und erstellte Stresstypen [2]. Er fand heraus, dass durch das Erkennen der Stressgedanken neue Sätze gefunden werden können, die Stress reduzieren können, wie die Beispiele in Tabelle 1 zeigen.

StresstypBeispielhafter GlaubenssatzStressreduzierter GlaubenssatzMotiv
Beliebt sein wollenIch will die anderen nicht enttäuschenIch darf andere enttäuschen. Ich achte auf meine eigenen Bedürfnisse.Anerkennungsmotiv
Perfekt sein wollenIch muss immer alles richtig machen.Weniger ist manchmal mehr.Leistungsmotiv
Stark sein wollenAm liebsten mache ich alles selbst.Ich darf um Unterstützung bitten.Autonomiemotiv
Vorsichtig seinBei Entscheidungen muss ich mir 100 % sicher sein.Ich akzeptiere, was ich nicht ändern kann.Kontrollmotiv
Ich kann nichtDas schaffe ich nie.Ich weiß, was ich kann.Wunsch nach eigenem Wohlbefinden

Tab. 1

Was Yoga für den Rücken tun kann

Yoga ist für den Stressabbau in der zahnärztlichen Praxis besonders empfehlenswert, da es eine ganzheitliche Herangehensweise beinhaltet: Sowohl die körperliche als auch die mentale Ebene werden angesprochen. Verschiedene Atemtechniken werden trainiert, wodurch eine tiefere Atmung auch im Alltag entsteht. Bei den meisten Yogastilen liegt der Fokus auf der Verbindung von Atmung und Bewegung: Wir bewegen uns achtsam.

Durch diese achtsamen Bewegungen, die immer auf beiden Seiten ausgeführt werden, können verspannte Bereiche gelockert und schwache Bereiche gestärkt werden. Der Körper kommt wieder näher zu einem muskulären Ausgleich, wodurch Spannungen abgebaut werden.

Zudem helfen die tiefe Atmung sowie Ruheeinheiten beim Yoga dem Körper und speziell dem Nervensystem, die Fähigkeit zur Entspannung zurückzugewinnen. Entspannung wieder zu erlernen, ist ein Prozess, der etwas Zeit braucht.

Mit jeder Yogaeinheit lernt man, den Körper wieder besser zu spüren, und erkennt somit früher, wenn sich Spannung aufbaut. Vor allem die regelmäßige Yogapraxis zeigt sehr tiefe Wirkung.

Yoga gleicht eine einseitige Belastung aus. Beim Yoga werden alle Übungen beidseits durchgeführt. Das bedeutet, dass beide Körperhälften dabei gleich stark beansprucht werden.

Bei einer einseitigen Belastung im Alltag ist der Körper hingegen auf einer Seite stärker beansprucht als auf der anderen. Da die Muskeln und Fasern unseres Körpers zusammenhängen, wirkt sich eine höhere Spannung auf der einen Seite meist auch auf die andere Seite aus. Bei einer einseitig gebeugten Haltung, wie in der zahnärztlichen Praxis üblich, ist meist eine Seite kräftiger bzw. auch verspannter als die andere.

Die schwächere Seite kann durch muskuläres Training, aber auch durch stärkende Yogahaltungen bearbeitet werden. Die stärkere Seite kann durch entspannende Übungen ausgeglichen werden.

Grundsätzlich ist es so, dass alles, was wir für eine Seite tun, die andere Seite auch ausgleicht. Stärkende Übungen auf der schwächeren Seite führen dazu, dass die Seite, die muskulär höher beansprucht ist, wieder mehr entspannen kann.

Yogaübungen für jeden Tag

Im Folgenden finden Sie ausgewählte Übungen, mit denen Sie Ihren Rücken wieder harmonisieren können. Falls Sie bei diesen Yogaübungen stechende Schmerzen verspüren, sollten Sie einen Arzt konsultieren, um dies abzuklären.

  • Abb. 1: Vera Kadletz empfiehlt, während der Yogaübungen tief und gleichmäßig in den Bauch zu atmen.

  • Abb. 1: Vera Kadletz empfiehlt, während der Yogaübungen tief und gleichmäßig in den Bauch zu atmen.
    © Vera Kadletz
Wenn Sie Yogaübungen ausführen, atmen Sie tief und gleichmäßig in den Bauch. Die tiefe, ruhige Atmung gibt unserem Nervensystem den Impuls zu entspannen. Nehmen Sie sich für diese Atmung mehrmals täglich Zeit, auch wenn Sie keine Yogaübung durchführen – finden Sie Momente, in denen Sie durchatmen können und nutzen Sie diese (Abb. 1).

Wenn Sie bei den Yogaübungen Spannungen in Ihrem Körper wahrnehmen, schicken Sie gedanklich Ihre Einatmung in diese Körperbereiche. Durch diesen Vorgang geben Sie dem Nervensystem den Impuls, den Fokus auf diese Bereiche zu legen.

Stellen Sie sich vor, wie dieser Bereich mit der Ausatmung entspannter und geschmeidiger wird. Vielleicht können Sie auch bewusst körperlich Spannung dabei loslassen. Falls dies nicht sofort umsetzbar ist, haben Sie Geduld. Ihr Körper muss vielleicht erst wieder lernen zu entspannen.

Nackenentspannung (Abb. 2)

  • Abb. 2: Nackenentspannung.

  • Abb. 2: Nackenentspannung.
    © Vera Kadletz
Um herauszufinden, welche Seite Ihres Nackens mehr Spannung hat, drehen Sie Ihren Kopf maximal zu einer Seite, machen Sie eine kurze Pause, drehen Sie dann den Kopf zur anderen Seite. Sie werden merken, dass Sie auf einer Seite einen größeren Radius erreichen, während auf der anderen Seite ein stärkeres Spannungsgefühl auftritt.

Führen Sie die folgende Übung auf dieser Seite etwas länger aus als auf der anderen, denn diese Seite benötigt mehr Entspannung. Führen Sie die Übung in aufrechtstehender Haltung oder auf einer Sesselkante sitzend aus.

Senken Sie das rechte Ohr Richtung rechte Schulter. Dann legen Sie die rechte Hand auf die linke Kopfseite. Ihre linke Hand zieht in Richtung Boden.

Sie werden schnell merken, wo Ihre Spannungen sitzen. Pulsieren Sie nun mit Ihrer Atmung – der Kopf zieht nach rechts und die linke Hand zieht zur Seite oder nach unten.

Fühlen Sie sich in Ihren Nacken ein und spüren Sie nach, an welchen Stellen mehr Beweglichkeit guttäte. Gehen Sie dabei nicht in den Schmerz, da Ihr Körper dadurch noch mehr Spannung aufbauen könnte.

Wirkung: Die Muskulatur an Hals und Nacken wird entspannt, der Vagusnerv angeregt.

Schulteröffnen (Abb. 3a und b)

Durch die gebeugte Haltung beim Arbeiten wird die Atmung flacher und Schmerzen im oberen Rücken sind eine zusätzliche Folge. Eine einfache Übung, die Sie in Ihren Alltag einbauen können, ist das weite Öffnen der Arme. Führen Sie die Übung in aufrechtstehender Haltung oder auf einer Sesselkante sitzend aus.

  • Abb. 3a: Das Schulteröffnen.
  • Abb. 3b: Das Schulteröffnen.
  • Abb. 3a: Das Schulteröffnen.
    © Vera Kadletz
  • Abb. 3b: Das Schulteröffnen.
    © Vera Kadletz

Atmen Sie ein und öffnen Sie Ihre Arme weit zu den Seiten und lassen Sie Ihre Schulterblätter nah zueinanderkommen. Mit der Ausatmung bringen Sie die Hände vor sich zusammen und machen den Rücken rund.

Mit der Einatmung öffnen Sie die Arme wieder. Wiederholen Sie die Ãœbung 5- bis 10-mal. 

Wirkung: Der obere Rücken wird bewegt, die Schulterblätter werden mobilisiert.

Katze und Kuh (Abb. 4 und 5)

Die Wirbelsäule wird durch viele kleine Muskeln aufrecht gehalten. Bewegen Sie diese Muskeln, so wird die Muskulatur gut versorgt und kann wieder besser entspannen. Führen Sie die Übung in aufrechtstehender Haltung oder auf einer Sesselkante sitzend aus.

  • Abb. 4: Der „Katzenbuckel“.
  • Abb. 5: Die Ãœbung „Kuh“.
  • Abb. 4: Der „Katzenbuckel“.
    © Vera Kadletz
  • Abb. 5: Die Ãœbung „Kuh“.
    © Vera Kadletz

Bringen Sie die Hände auf Ihre Knie. Machen Sie Ihre Seiten lang, indem Sie sich nach oben räkeln. Mit der Einatmung öffnen Sie die Schultern weit und bringen den Blick nach oben.

Mit der Ausatmung machen Sie einen runden Rücken („Katzenbuckel“). Ziehen Sie den Bauchnabel Richtung Wirbelsäule, lassen Sie das Kinn zur Brust sinken und lassen Sie die Schultern nach vorne kommen. Wiederholen Sie diese Übung 5- bis 10-mal.

Wirkung: Die Muskulatur entlang der ganzen Wirbelsäule wird durchbewegt und die Zwischenwirbelkörper werden versorgt und geschmeidig gehalten.

Stabiler Stand (Abb. 6)

  • Abb. 6: Der stabile Stand.

  • Abb. 6: Der stabile Stand.
    © Vera Kadletz
Das bewusste Stehen und Gehen kann einen essenziellen Beitrag zur Gesundheit Ihres Rückens leisten. Diese Übung lässt sich überall durchführen, wo Sie aufrecht stehen können, am besten barfuß oder in Socken. Aber auch in den Schuhen entfaltet die Übung ihre Wirkung.

Stehen Sie aufrecht. Mit der Einatmung heben Sie die Arme nach oben, sodass sich Ihre Ohren zwischen den Oberarmen befinden, und erheben Sie sich auf die Zehenspitzen. Atmen Sie weiter und halten Sie die Position für 5 bis 10 Atemzüge.

Mit einer Ausatmung lassen Sie die Fersen wieder sinken und schütteln einmal den Oberkörper und die Schultern durch. Wiederholen Sie diese Übung 5-mal.

Wirkung: Diese Übung weckt Ihre Fußmuskulatur auf. Jede Balanceposition aktiviert zudem die tiefe Stützmuskulatur im Rumpf und stärkt somit auch den Rücken.

Regelmäßiges Ãœben ist der Schlüssel 

Starten Sie mit 1 bis 3 Übungen pro Tag und suchen Sie sich immer wieder Gelegenheiten, diese durchzuführen. Denken Sie darüber nach, wann und wie Sie diese Übungen integrieren können. So überfordern Sie sich nicht und haben immer wieder Erfolgserlebnisse.

Und haben Sie Geduld: Es kann eine Weile dauern, bis die entspannende Wirkung des Yoga einsetzt.

Fazit

Auf die Gesundheit des Rückens wirken viele Faktoren ein. Durch Yoga können ganzheitlich Spannungen gelöst werden: auf körperlicher Ebene wie auch mental. Mit regelmäßiger Durchführung der Übungen nimmt die Fähigkeit, bewusst zu entspannen, zu.