Nachhaltigkeit und Hygiene: Was geht und wo liegen die Grenzen?

Hygieneexpertin Viola Milde gibt Antworten auf Fragen zur Nachhaltigkeit, die sich Mitarbeitende in der Zahnarztpraxis sicherlich schon einmal gestellt haben: Was kann ich für eine nachhaltigere, umweltbewusste Praxisführung tun und wo sind der Nachhaltigkeit Grenzen durch Anforderungen der Praxishygiene gesetzt?*
Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis? Der eine oder die andere fragt sich sicherlich, worauf er oder sie denn nun zusätzlich zu allen anderen Maßgaben noch achten solle. Doch Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht nur, umweltschonend zu handeln, sondern es beinhaltet häufig gleichzeitig eine Einsparung von Kosten und Aufwand.
So kann es zu einer „Win-win-Situation“ für Umwelt, Geldbeutel und Arbeitsorganisation kommen. Natürlich müssen Grenzen durch Vorgaben beachtet werden. Und nicht jede Maßnahme ist für alle Praxen praktikabel.
Schauen Sie doch einmal, ob im Folgenden etwas für Sie dabei ist. Und falls Ihre Praxis umweltbewusst handelt, dann informieren Sie Ihre Patienten auf Ihrer Webseite und in Ihrem Wartezimmer – das kommt bestimmt gut an!
Kann ich auf eine tägliche Desinfektion der Praxisfußböden verzichten? Jein!
Das RKI fordert die allabendliche „Feuchtreinigung“ der Praxisböden mit handelsüblichem Bodenreiniger. Eine Desinfektion muss nur situativ nach punktuell sichtbarer oder vermuteter Kontamination, z.B. nach dem Herunterfallen eines blutigen Instruments, stattfinden. Dies schont Geldbeutel und Umwelt.
Nicht alle Instrumente müssen in Sterilisationsverpackungen gelagert werden? Richtig!
In vielen Praxen sehe ich, dass auch semikritisch kategorisierte Instrumente „zur Sicherheit“ in Papier-/Folienverpackungen gelagert werden. Bitte schonen Sie Umwelt und Geldbeutel und verpacken Sie ausschließlich als „kritisch“ Kategorisiertes und zeigen Sie damit die korrekte Umsetzung Ihres Sachkundewissens.
Unter die kritischen Instrumente fallen z.B. die Instrumente für chirurgische, endodontische, parodontale Maßnahmen: generell alles, was bestimmungsgemäß invasiv ist oder in Wunden zur Anwendung kommt.
Semikritische Medizinprodukte müssen im Autoklav sterilisiert werden? Nein, nicht korrekt!
Sie sterilisieren Ihr 01er-Besteck, die Abdrucklöffel oder andere semikritisch eingestufte Instrumente nach dem Durchlauf im Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) zusätzlich unverpackt im Autoklav? Das ist teuer (gerade, wenn man den Personalaufwand einrechnet) und unnötig.
Wird ein validiertes RDG genutzt, ist eine Freigabe ohne weitere Sterilisation im Autoklav RKI-konform. Also: Diese Energie bitte einsparen und gleichzeitig zeigen, dass Sie sachkundig handeln.
Kann auf Wannenbäder mit Reinigungs- und/oder Desinfektionslösungen zur Ablage der kontaminierten Medizinprodukte im Behandlungszimmer verzichtet werden? Ja!
Darauf kann verzichtet werden, sofern die Instrumente im validierten RDG aufbereitet werden. Denn korrekt ist die Trockenablage im Zimmer, die Zeit und Aufwand spart und als RKI-konforme Umsetzung wahrgenommen wird. Die Umwelt wird durch Verzicht auf Nutzung unnötiger Lösungsbäder entlastet – und der Geldbeutel ebenso.
Kann bei kontaminiertem und/oder feuchtem Müll auf Plastiksäcke verzichtet werden? Leider nein.
Kontaminierter und/oder feuchter Müll ist in Plastik zu verpacken. Immerhin kann auf Müllbeutel aus recyceltem Material zurückgegriffen werden – eine einfache Art, den unvermeidbaren Plastikmüll zumindest in recycelter Form zu nutzen.
Dürfen Papierhandtücher in der Praxis durch Frotteehandtücher ersetzt werden? Jein.
In allen Bereichen, in denen das Personal die Hände abtrocknet, würde ich Papierhandtücher bevorzugen. Gegen Frotteehandtücher zum Einmalgebrauch auf der Patiententoilette – um Müll zu sparen – ist sicherlich nichts einzuwenden, wenn die Logistik dahinter stimmt. Eine entsprechende Menge an Handtüchern sollte vorhanden sein, ebenso wie ein Abwurf für die genutzten Tücher und eine Aufbereitungsmöglichkeit (Waschmaschine) in der Praxis.
Apropos Patiententoilette: Mit einem Hinweisschild „Ressourcen schonen“ können Patientinnen und Patienten darauf hingewiesen werden, dass z.B. das Wasser nach dem Händewaschen sofort abgedreht, die „Spartaste“ der Toilettenspülung bevorzugt genutzt und die Händedesinfektion und Seife maßvoll eingesetzt werden möge.
Sind wiederverwendbare Alternativen zum Plastikbecher im Behandlungszimmer möglich? Ja!
Mit thermostabilen wiederverwendbaren Bechern kann Geld gespart und die Umwelt geschont werden. Ob diese Becher dann nur in Ihrem Geschirrspüler landen müssen oder aber im RDG aufbereitet werden sollen, darüber „streiten“ sich noch manche Behörden. Ich kenne beide Meinungen verschiedener behördlicher Begehungen.
Ob die Becher nach der Nutzung „voll Blut“ oder nur herkömmlich mit Speichel verschmutzt sind, auch darüber streiten sich die Teams und die Fachleute. Meine Meinung: Gehen Sie auf Nummer sicher und nutzen Sie das RDG für die Aufbereitung.
Dann sind Sie über jeden Zweifel erhaben. Laut Aussage führender RDG-Hersteller kostet ein Durchlauf eines RDG ca. 2,- bis 3,-€ inkl. Chemie, Strom und Wasser – was die Extra-Durchläufe doch bezahlbar macht.
Stehen der Mülltrennung in der Praxis Vorschriften entgegen? Grundsätzlich nicht – aber …
Die Mülltrennung im Sinne einer separaten Sammlung von Glas, Papier und Kunststoff, um diese der Wiederverwertung zuzuführen, sollte selbstverständlich sein. Was wir im Privathaushalt tun, ist auch in der Praxis umsetzbar.
Allerdings müssen Gefahr- und Giftstoffe vorschriftsgemäß (siehe Sicherheitsdatenblatt der jeweiligen Stoffe) separat entsorgt werden. Denken Sie daran: Ein Nachweis der Entsorgung über Fachfirmen oder über den Recyclinghof ist aufzubewahren und auf Verlangen der Behörde vorzuzeigen.
Patienten und Patientinnen sollten wissen, dass verfallene oder nicht genutzte Antibiotika, Schmerzmittel etc. nicht über den Abfluss oder die Toilette entsorgt werden dürfen. Dies belastet die Wasserqualität, da das Herausfiltern dieser Substanzen zunehmend zum Problem wird.
Alte Instrumente und Geräte in den Müll? Möglich, aber es gibt eine bessere Alternative!
Bitte gebrauchte Instrumente und Geräte nicht direkt entsorgen. Die Weitergabe an Spendenorganisationen hilft der Umwelt – und ganz nebenbei tun Sie noch Gutes. Ihre Kammer ist Ihnen vielleicht mit einschlägigen Adressen behilflich oder wenden Sie sich an das Rote Kreuz.
Dies sind nur einige Anregungen für nachhaltiges Handeln im Einklang mit hygienischen Erfordernissen. Wir sind sicher, Ihnen fällt noch viel mehr ein, was Sie für eine nachhaltige Praxisführung tun können.
* Vor Umsetzung der Anregungen sollten im Zweifelsfalle die Empfehlungen des jeweiligen Bundeslandes und der zuständigen Zahnärztekammer konsultieren werden, da es hier Unterschiede gibt.
- RKI-Richtlinien 2012: Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten
- TRBA 250, Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe
- Das Infektionsschutzgesetz
- Entsorgung von Arzneimitteln; Tipp: www.Arzneimittelentsorgung.de