Verbesserung der Recall-Bindung durch Schmerzvermeidung

Effizientes Biofilmmanagement ist der entscheidende Erfolgsfaktor zur Prävention, Therapie und Nachsorge biofilminduzierter oraler Erkrankungen. Stand über Jahrzehnte insbesondere die Reinigungsleistung der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel im Fokus, spielen heute auch Substanzschonung sowie Komfort und Akzeptanz für Patienten/-innen eine immer größere Rolle für die Recall-Bindungsquote und damit den langfristigen Behandlungserfolg.
Heute ist die ökologische Plaque-Hypothese nach Marsh [1] als Ursache der wichtigsten oralen Erkrankungen (Karies, Gingivitis, Parodontitis, periimplantäre Mukositis und Periimplantitis) weltweit anerkannt. Im vitalen sub- und supragingivalen dysbiotischen Biofilm findet eine ökologische Verschiebung von der Symbiose zur Dysbiose statt. Durch die Zunahme pathogener Bakterien wird die Homöostase gestört.
Die stabile ökologische Balance (Homöostase) zwischen dem resistenten Mikrobiom und immunkompetenten Zellen ist für die langfristige Stabilität der oralen (und allgemeinen) Gesundheit notwendig. Die Dysbiose kann zu einer gewebedestruktiven Immunreaktion führen.
Orale Biofilme müssen durch regelmäßiges häusliches mechanisches und chemisches Biofilmmanagement sowie durch regelmäßiges professionelles mechanisches und chemisches Biofilmund Zahnsteinmanagement entfernt werden, wobei sowohl bei den häuslichen wie auch den professionellen Maßnahmen die professionelle Zahnreinigung (PZR oder besser professionelle mechanische Plaqueentfernung/PMPR) im Vordergrund steht. Die wichtigsten heute zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sind Handinstrumente, Schall- und Ultraschallinstrumente, klassische Politur (RCP) und Pulver-Wasserstrahl-Geräte (Air-Flowing-Technologie). Neben der Reinigungsleistung und der Substanzschonung spielen der Komfort für Behandler/-innen und vor allem der Patienten/-innen bei der PMPR eine immer größere Rolle.
Nur wenn die PMPR keine Schmerzen oder unangenehme Empfindungen auslöst, kann erwartet werden, dass die Patienten/-innen ihre vereinbarten Recall-Termine einhalten. Neben der Anwendung von Anästhesien, die zur Schmerzreduktion eingesetzt werden können, kommt den verwendeten Hilfsmitteln eine große Bedeutung bei der Schmerzvermeidung zu.
Literaturvergleich der einzelnen Hilfsmittel
Sowohl die professionelle mechanische Plaque-Reduktion (PMPR/PZR) als auch die subgingivale Instrumentierung im Zusammenhang mit parodontaler Therapie (AIT) und Erhaltungstherapie (UPT) sind für die Patienten/-innen mit unangenehmen Empfindungen, Schmerzen und Ängsten verbunden [2,3]. Das kann bedeuten, dass Patienten/-innen ihre vereinbarten Termine nicht einhalten, hinauszögern oder die geplante Behandlung ganz absagen. Von der wissenschaftlichen Seite wurde über Jahre fast ausschließlich die Effektivität der einzelnen zur Verfügung stehenden Hilfsmittel betrachtet.
Substanzschonung, Komfort für Patienten/-innen und Behandler/-innen spielten eine untergeordnete Rolle. Wobei es klare Zusammenhänge zwischen der Substanzschonung und dem Patientenkomfort gibt.
Hilfsmittel und Substanzschonung Flemmig postulierte bereits 1997, dass ein Substanzverlust von mehr als 0,5 mm Zement/Dentin über den Zeitraum von 10 Jahren in der Erhaltungstherapie klinisch bereits unakzeptabel ist. Das bedeutet, dass maximal 0,05mm (50 µm) pro Jahr abgetragen werden dürfen. Bei 4 Erhaltungstherapie-Sitzungen im Jahr darf folglich maximal 12,5 µm Dentin/Wurzelzement pro Sitzung abgetragen werden.
Legt man die Arbeit von Ritz et al. [4] von 1991 zugrunde, führt bei einer Anpresskraft von 100 p mit einem magnetostriktiven Ultraschallscaler nach 12 Arbeitshüben zu einem durchschnittlichen Substanzverlust von 11,6 µm. Dieser Wert liegt exakt in dem Bereich, der pro Sitzung maximal abgetragen werden darf. Beim Einsatz eines Schallscalers und gleichen Arbeitsbedingungen liegt der Wert bei 93,5 µm. Dies ist der doppelte Wert, der maximal in einem Jahr zu Verlust gehen sollte.
Bei der Anwendung einer Kürette (500 p Anpresskraft) beträgt der Substanzverlust 108,9 µm und bewegt sich ebenfalls weit außerhalb der vorgeschlagenen Grenze. Auch andere Arbeiten [5–7] zeigen, dass die Reihenfolge beim Substanzverlust immer gleich ist. Den höchsten Substanzverlust zeigen Küretten, gefolgt von Schallscalern, Ultraschallscalern und Pulver-Wasserstrahl-Geräten.
Das gleiche Bild zeigt sich auch bei der Anwendung dieser Hilfsmittel auf der Gingiva [8]. Badersten et al. [9] fassten schon 1984 ihre Studienergebnisse wie folgt zusammen: Handinstrumentierung bei Taschen bis 4 mm führt zum Attachmentverlust, weshalb: „Do not instrument shallow pockets!“ Substanzverlust einhergehend mit Attachmentverlust führt sehr häufig zu Zahnüberempfindlichkeiten.
Hilfsmittel und Patienten/-innen-Komfort
Wennström et al. [10] zeigten bereits 2005, dass in der nicht chirurgischen PA-Therapie beim Vergleich der klassischen Vorgehensweise (Scaling and Root Planing mit Handinstrumenten) versus piezokeramischer Ultraschallscaler (PUS) die gleichen klinischen Ergebnisse erreicht werden. Die Behandlungszeit war bei PUS 3-mal kürzer, der Änästhetikaverbrauch 2,5-mal geringer und der Patienten/-innen-Komfort war viel besser. Suvan et al. [11] verglichen Küretten und PUS bei der nicht chirurgischen PA-Therapie hinsichtlich Schmerzen und Zahnhals-Überempfindlichkeiten.
In beiden Gruppen verbesserten sich die klinischen Parameter gleich positiv: deutlich weniger Überempfindlichkeiten nach 1, 4 und 8 Wochen beim Einsatz von PUS. Der größte Komfort für Patientinnen und Patienten wird bei der Anwendung der Airflow-Technologie (AF) im Vergleich zu allen anderen Hilfsmitteln erzielt. Schmerz und Missempfindungen bei der Prävention und der nicht chirurgischen parodontalen Therapie sind bei Anwendung der Airflow-Technologie geringer als bei Ultraschallgeräten und Handinstrumenten.
Dies wird in einer sehr großen Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten gezeigt. Dabei werden AF u.a. Vorteile bzw. Überlegenheit gegenüber dem konventionellen Behandlungsansatz in Bezug Patienten/-innen-Komfort, Zeitaufwand und Sicherheit bescheinigt [12–23].
In letzter Zeit wurden immer mehr Arbeiten veröffentlicht, die zeigen, dass die Akzeptanz der Guided Biofilm Therapy® (GBT), bei der die PMPR mit Airflowing (ein System, das aus dem Airflow-Prophylaxe-Master mit einem konstanten Pulverfluss, dem AirflowMax-Handstück mit laminarer Strömung und dem minimal abrasiven Plus-Pulver auf Erythritolbasis besteht) und Piezon® NoPAin/PS durchgeführt wird, zu einer Verbesserung der RecallBindungsquote führt. Furrer et al. [24] führten an der Universität in Zürich eine Untersuchung an 100 konsekutiven Patienten/-innen aus dem klinikinternen Recall-System durch. Es wurde die Akzeptanz der GBT® im Vergleich zur bis dato durchgeführten konservativen klassischen Recall-Betreuung untersucht, die vorwiegend auf Hand- und Ultraschallgeräten mit der klassischen Politur basiert.
Das Pulverstrahlgerät wies die beste Akzeptanz auf. Interessant war auch der Aspekt Angst vor/während der Recall-Sitzung. Bei einem an sich bereits niedrigen Niveau (10%) zeigte sich eine zusätzliche Reduktion auf 4%, da insgesamt Handinstrumente viel weniger und nur sehr gezielt zum Einsatz kamen.
Bei einer Praxisanwendungsbeobachtung wurden 50 Patienten/-innen, die im Minimum 5 Jahre zum Recall kamen, gefragt, wie sie die Behandlung mit der neuen Methode (GBT®) (Abb. 1) im Vergleich zu den früheren Methoden mit Handinstrumenten, Bürsten und Polierpasten wahrgenommen haben. Alle 50 befragten Patienten/-innen gaben an, dass sie die neue Behandlung als besser empfunden haben.
Kein Patient wertete die neue Behandlungsmethode als gleich gut oder schlechter [25]. Die Arbeit von Vorous et al. [15] bestätigt diese Ergebnisse.
Zusammenfassung
Der zahnmedizinische Biofilm spielt eine entscheidende Rolle bei der Ätiopathogenese von oralen Erkrankungen. Während über Jahrzehnte nur die Effektivität des Biofilm- und Zahnsteinmanagements im Vordergrund stand, rücken heute neben der selbstverständlichen Effektivitätskontrolle auch die Substanzschonung sowie der Komfort für Patienten/-innen und Behandler/-innen immer mehr in den Fokus.
Heute muss das Biofilmund Zahnsteinmanagement in der Prävention, der Erst- und Erhaltungstherapie schmerzarm oder schmerzfrei und substanzschonend durchgeführt werden. Wenn das gelingt, nimmt auch die Recall-Bindungsquote deutlich zu. Die Hilfsmittel sind zum einen Anästhetika, zum anderen moderne Methoden wie Airflowing und Piezon® NoPain/PS, die im Rahmen eines systematischen Prophylaxe-Ablaufprotokolls (GBT®) geleistet werden.
Mit der Umstellung des Ablaufprotokolls der Prophylaxe-Sitzung auf die Guided Biofilm Therapy® (GBT®), die die wissenschaftlichen Erkenntnisse und den technischen Fortschritt widerspiegelt, gelingt es, einen hohen Standard im Bereich der Struktur- und Prozessqualität zu erreichen. Daneben spielt die Patienten/-innen-Zufriedenheit (Ergebnisqualität) eine sehr große Rolle für den Erfolg der Prophylaxe.
Der Erfolg ist stark mit der langfristigen Patienten/-innen-Bindung korreliert. Diese wiederum hängt stark mit der Qualität der durchgeführten Behandlung bzw. den empfundenen Schmerzen/dem Wohlfühlen zusammen. Denn: Nur zufriedene Patienten/-innen kommen gerne wieder.