Patientenmotivation ohne Gewissensbisse

Tendenziell neigen Zahnärzte dazu, Verkaufstechniken auswendig zu lernen oder die Formulierungen der selbsternannten Koryphäen wiederzugeben. Damit wollen sie ihre Patienten für den bestmöglichen Therapievorschlag begeistern und gewinnen. So ist beispielsweise bei der Versorgung eines zweiflächigen kariösen Defektes im Seitenzahnbereich ein Keramikinlay bezüglich Haltbarkeit, Ästhetik und Qualität im Vergleich zu einer Kunststofffüllung die eindeutig bessere Wahl. Dennoch fällt es dem Zahnarzt oft schwer, den Patienten davon zu überzeugen. Er hat vielleicht in der Vergangenheit bereits mehrmals schlechte Erfahrungen gemacht und glaubt nun, in seiner Praxis nicht die Klientel für hochwertigere bzw. höherpreisige Versorgungen zu haben. Der folgende Beitrag zeigt, wie man unter Einhaltung bestimmter Spielregeln die Kommunikation verbessern und damit die Patientenzufriedenheit wie auch den Praxiserfolg langfristig erhöhen kann.
Die Gründe für erfolglose „Verkaufsgespräche“ können u. a. in der missglückten Gesprächsführung liegen. Oft werden die Patienten durch die Fülle an zahnmedizinischen Fachausdrücken, deren Bedeutung sie gar nicht kennen, überfordert. Sie fühlen sich möglicherweise missverstanden, weil aus ihrer Sicht zu wenig auf ihre Bedürfnisse und Wünsche eingegangen wurde. Und nicht zuletzt kann auch der fehlende „rote Faden“ im gesamten Gespräch zu einer zusätzlichen Verunsicherung seitens der Patienten führen.
Patienten wollen sich Träume erfüllen
Die Präparation eines Molars inklusive Abdrucknahme und Tragen eines Provisoriums bis zum Einsetzen des Inlays ist kostenintensiv und bereitet dem Patienten wenig Freude. Hier gilt es, mit gutem Gefühl die negativen Empfindungen weitestgehend zu neutralisieren. Patienten wollen keinen Zahnersatz kaufen, sondern sie erfüllen sich Träume. Dabei geht es nicht nur darum, wieder unbeschwert kauen zu können; sie wollen beispielsweise durch eine zusätzliche Versorgung der Frontzähne mit Veneers ihre Chancen auf dem Singlemarkt erhöhen oder noch selbstbewusster im Job auftreten. Holen Sie sich Unterstützung und berichten Sie z. B. von internen positiven Erfolgsgeschichten, Erfahrungswerten von Patienten mit Zahnersatz oder erstellen Sie ein „Patientenbuch“ mit anonymen „Vorher/Nachher“-Bildern. So kann sich der Patient selbst davon überzeugen, wie schön ein Keramikinlay im Mund aussieht und wie „unsichtbar“ es ist.
Meine „Spielregeln“ für eine erfolgreiche Patientenkommunikation
Seit mehr als 10 Jahren berate ich zahnärztliche Praxen in Deutschland und Österreich. Aus den nachfolgend aufgeführten Faktoren resultiert ein signifikanter Anstieg zufriedener Patienten sowie privater Leistungen: eine Doppelsiegstrategie für Zahnarzt und Patient.
1. Begonnen und gewonnen Pessimisten können mithilfe der Spiegelneuronen „schlechte Gefühle“ verschenken.
Spiegelneuronen sind ein Resonanzsystem im Gehirn. Wenn der Behandler beispielsweise schlechte Laune hat, die Mundwinkel runterhängen und er missgelaunt den Patienten anschaut, wird diese Stimmung auch beim Patienten ausgelöst. Dagegen kann dieser sich nicht wehren, denn es geschieht unbewusst. Egal, ob Freude oder Frust: In kürzester Zeit beginnen die Spiegelneuronen den gleichen Zustand beim Patienten hervorzurufen. Umso wichtiger ist ein „Selbst-Tuning“. Der Zahnarzt kann eine Situation als persönliche Herausforderung betrachten, aktiv sein und alle Talente mobilisieren oder davon ausgehen, dass ein Gespräch nicht erfolgreich verlaufen wird. Henry Ford hat hierzu einmal Folgendes gesagt: „Ob du glaubst, du kannst es oder du kannst es nicht: Du wirst in jedem Fall Recht behalten.“
Verbessern Sie Ihre Sympathiefaktoren:
- Augenkontakt vor Blickkontakt.
- Reichen Sie dem Patienten zur Begrüßung die Hand.
- Der Ton macht die Musik.
Beim Augenkontakt wird das Wohlfühlhormon Dopamin ausgeschüttet und kann beim Patienten ein Gefühl des Wohlbehagens auslösen. Ein Blickkontakt hingegen wirkt oft unpersönlich. Der Augenkontakt ist intensiver, hierbei schaut man den Patienten direkt in die Augen. Der durchdringende Augenkontakt der Hypnotiseure ist hier nicht gemeint. Jede Begegnung beginnt mit einem Gruß. Soll es aber bei einem kurzen Zunicken bleiben oder begrüßt man sich per Handschlag? Nach einer praxisinternen Patientenbefragung in der Praxis meines Mannes (Zahnärzte Mühlenkamp) gaben 90 % der Neupatienten an, dass ihnen die Begrüßung per Handschlag sowie die persönliche Vorstellung: „Herzlich willkommen in unserer Praxis. Mein Name ist Christian Graw“, sehr gut gefallen hat und sie sich von Beginn an gut aufgehoben gefühlt haben. „Ein Handschlag zur Begrüßung ist persönlicher als ein einfaches Guten Tag“, so der Kommentar eines neuen Patienten.
2. Berücksichtigen unterschiedlicher Denkstilpräferenzen
Denkstilpräferenzen geben Aufschluss über die bevorzugten Denkstile der Patienten und haben Einfluss auf alles, was sie tun. Das Verständnis für unterschiedliche Denkpräferenzen eröffnet neue Perspektiven in der Patientenmotivation, denn es identifiziert den bevorzugten Ansatz eines Patienten z. B. hinsichtlich des rationalen, strukturellen, emotionalen und kreativen Denkens. Das Herrmann Brain Dominance Instrument (HBDI) dient hierzu als Analyseinstrument. Es wurde von dem Amerikaner Ned Herrmann entwickelt und ist das Ergebnis aus 20 Jahren intensiver Gehirnforschung. Der Beitrag von Ned Herrmann zur Gehirnforschung brachte ihm weltweite Anerkennung: 1993 wurde er zum Präsidenten der American Creativity Association gewählt, 1995 verlieh ihm die University of Alaska Fairbanks einen Ehrendoktor.
Ein Praxisbeispiel
Um die passende Präferenz herauszufiltern und den Patienten einschätzen zu können, ist es primär wichtig, auf allen vier Ebenen zu kommunizieren. Wenn der Patient die Haltung verändert, dem Zahnarzt zunickt und ihn vielleicht sogar anlächelt, ist das ein Zeichen für die richtige Wahl der Denkpräferenz. Damit der Patient sich auch weiterhin angesprochen fühlt, setzt der Zahnarzt die Kommunikation mit den „Worten des Patienten“ fort. Die Bedeutung der Kommunikation erkennt der Zahnarzt an der Reaktion des Patienten.
3. Lust statt Frust Erzeugen Sie Lust statt Frust.
In einer heiteren Stimmung öffnet sich das Gehirn für Neues, in einer angstbesetzten Atmosphäre ist der Patient blockiert. Schaffen Sie eine Wohlfühlatmosphäre, um eine positive Grundstimmung zu erzeugen. Bei neuen Patienten empfiehlt sich ein zur Praxis passendes Begrüßungsritual durch die Mitarbeiterin am Empfang.
Ein Beispiel für ein Begrüßungsritual:
- Aufstehen, um mit dem Patienten auf Augenhöhe zu sein.
- Persönliche Ansprache: „Schön, dass Sie da sind. Mein Name ist Nicole Graw.“
- Prägnante Details zur Praxis (Tätigkeitsschwerpunkte, Besonderheiten etc.)
- In großen Praxen empfiehlt sich ein Praxisrundgang.
4. Die Sprache ist mehr als nur ein paar Worte Psychologen und Hirnforscher, wie Prof. Dr. Hüther, entdeckten die Wirkung der Worte: Wer eine Liebeserklärung bekommt oder in einen heftigen Streit gerät, der spürt, wie Sprache berührt. Die bewusste Wahl positiver Worte beeinflusst das Fühlen und Handeln der Patienten. Nehmen Sie einmal Ihre Aussagen im Beratungsgespräch genauer unter die Lupe und setzen Sie routinierte Formulierungen in einen positiven Rahmen (siehe Kasten rechts). Sie werden merken, die Resonanz der Patienten ist erstaunlich positiv. Zum Thema „Patientenmotivation ohne Gewissensbisse“ durfte ich bereits auf mehreren Kongressen sprechen. Von einigen Zuhörern bekam ich Wochen später E-Mails. Sie schrieben, sie hätten meine Ideen ausprobiert und in ihre Patientengespräche erfolgreich einfließen lassen. In den Zahnarztpraxen wurden ein Anstieg privater Leistungen sowie eine erhöhte Anzahl neuer und zufriedener Patienten verzeichnet.