Misserfolge in der Kinderzahnbehandlung

Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Misserfolge in der Kinderzahnbehandlung“ hilft, diese zu vermeiden und wenn Fehler eben doch einmal passieren, aus ihnen zu lernen. Wie der folgende Beitrag vor Augen führt, nehmen Misserfolge in der Kinderzahnmedizin auf verschiedenen Ebenen ihren Ausgang: bei der Behandlungsplanung, in der zahnärztlichen Therapie, in der Kommunikation mit den Eltern sowie im Fehler- und Beschwerdemanagement.
In jedem Beruf gibt es Misserfolge, doch während in vielen Sparten die „Trial-and-Error“-Methode ein taugliches Lernmodell zu sein scheint, stellt sich die Frage, ob es in Berufen mit hoher ethischer Verantwortung überhaupt Fehler oder Misserfolge geben darf. Wie steht es damit in der Zahnmedizin bzw. in der Kinderzahnmedizin?
Die Angst vor einem Misserfolg ist laut einer Online-Befragung zum Thema „Burn-out bei Zahnärzten“ [11] sogar die Nummer eins aller Stressoren und wird als sehr belastend empfunden. Zahnärztinnen und Zahnärzte neigen berufsbedingt zu perfektionistischer Arbeitsweise und stellen oft hohe Ansprüche an sich. Zudem sind sie mit fordernden Patienten konfrontiert, was die Sorge vor gerichtlichen Auseinandersetzungen erhöht.
Vorweg sollte eine wichtige Begriffsunterscheidung vorgenommen werden: „Misserfolg“ und „Behandlungsfehler“ sind nicht synonym zu verwenden, wie am Beispiel von Kompositfüllungen (Abb. 1a–c) an Milchmolaren verdeutlicht wird. Ein Fehlschlag ist also nicht gleichzusetzen mit einer Fehlbehandlung!
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Abb. 1a: Unterscheidung „Misserfolg“ und „Behandlungsfehler“ anhand zweier Beispiele von Kompositfüllungen im Milchgebiss: Im ersten Fall (Abb. 1a) ist davon auszugehen, dass Fehler bei der Verarbeitung ? möglicherweise durch unzureichende Trockenlegung ? der Grund für die insuffizienten Füllungen sind.
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Abb. 1b: Beim zweiten Fall (Abb. 1b, 1c) hingegen ist die adhäsive Befestigung so gut, dass die Füllung trotz der massiven Sekundärkaries noch am Dentin hält. Hier liegt der Misserfolg also nicht an einer fehlerhaften zahnärztlichen Leistung, sondern an mangelnder Mundhygiene bzw. fehlendem Recall seitens des Patienten.
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Abb. 1c: Beim zweiten Fall (Abb. 1b, 1c) hingegen ist die adhäsive Befestigung so gut, dass die Füllung trotz der massiven Sekundärkaries noch am Dentin hält. Hier liegt der Misserfolg also nicht an einer fehlerhaften zahnärztlichen Leistung, sondern an mangelnder Mundhygiene bzw. fehlendem Recall seitens des Patienten.
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Im Spannungsfeld zwischen elterlichen Erwartungen und kindlicher Kooperationsfähigkeit
Auf Kinderzahnärzten dürfte ein besonders hoher Druck lasten, steht doch der Wunsch nach zahnärztlich hochwertiger Arbeit oft im Widerspruch zur limitierten Mitarbeit seitens der Kinder; unbefriedigende Kompromissbehandlungen können die Folge sein. Im Spannungsfeld zwischen der Erwartungshaltung der Eltern und dem Kooperationsvermögen des Kindes ist die Wahl des geeigneten Therapieverfahrens eine große Herausforderung [3]. Gerade dann, wenn es um die Indikation zur Zahnsanierung in Narkose geht, setzen Eltern oft aus Angst vor dem Eingriff das zahnärztliche Team unter Erfolgsdruck.
Als besonders belastend werden Misserfolge im kommunikativ-zwischenmenschlichen Bereich erachtet. Der Umgang mit Fehlern/Misserfolgen beinhaltet die Frage des Verschuldens und erfordert ein Konzept zum Fehlermanagement [2].
Misserfolge bei der Behandlungsplanung
Im Unterschied zur Erwachsenenzahnmedizin beeinflusst das Verhalten des Kindes entscheidend die Wahl des Therapieverfahrens, weshalb die kindliche Compliance bei der Behandlungsplanung berücksichtigt werden muss [1,8]. Dabei spielen das Alter, die kognitiven Fähigkeiten, die Persönlichkeit und etwaige negative Vorerfahrungen eine Rolle. Kinder lernen in kleinen Schritten, wobei das neu Erlernte Zeit haben sollte, sich zu verfestigen [4].
Damit Kinder nicht überfordert werden, findet in der Regel beim Ersttermin keine Behandlung statt und die Abfolge der Termine steigert sich gemäß einem Stufenkonzept (Abb. 2) von einfachen Behandlungen hin zu invasiveren Sitzungen. Oft kommen Neupatienten jedoch als akute Schmerzkinder in die Praxis und deren Eltern wünschen ausdrücklich die sofortige Behandlung. Die Entscheidung, beim Ersttermin gleich zu behandeln, sollte sich allerdings nicht nach dem Elternwunsch, sondern nach den Möglichkeiten des Kindes zur Kooperation sowie dem Befund richten [3].
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Abb. 2: Das Stufenkonzept der Verhaltensführung. Damit Kinder nicht überfordert werden, steigert sich die Abfolge der Termine von einfachen Behandlungen hin zu invasiveren Sitzungen.
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Eine traumatisierende Erfahrung, beispielsweise die Extraktion eines infizierten Milchzahns bei unzureichender Schmerzausschaltung, ist ein denkbar schlechter Einstieg. In diesen Fällen ist, je nach weiterem Behandlungsumfang, die Behandlung in Sedierung oder Narkose bzw. nach vorheriger Antibiose zu planen.
Kinder können, je nach Alter, von der zeitlichen Dauer einer Behandlungssitzung überfordert werden. Standardisierte Behandlungsabläufe, ein geschultes Team mit Ausbildung in Verhaltensführung („behavior management“) und Kinderhypnose sowie der Einsatz von Lachgas sind hilfreich [4,5]. Doch auch hier sollte der Kinderzahnarzt seiner Erfahrung und Intuition folgen, wenn der Wunsch nach „möglichst viel pro Sitzung“ geäußert wird [3].
Algorithmen zum Behandlungskonzept beinhalten eine nützliche Orientierungshilfe und erleichtern die Entscheidungsfindung. In Abbildung 3a und 3b sind als Beispiel die Algorithmen der Salzburger Kinderzahnordination zur Behandlungsplanung dargestellt.
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Abb. 3a: Ein junges, präkooperatives Kind (unter drei Jahren) mit kleinem bis mittlerem Behandlungsumfang kann in Sedierung saniert oder mittels kariesarretierender Verfahren (SDF = Silberdiaminfluorid) behandelt werden. In der Folge wird es spielerisch über sogenannte Desens-Sitzungen mit der Zahnarztsituation vertraut gemacht. Ein älteres Kind sollte zunächst im Rahmen eines Behandlungstrainings bei der Prophylaxeassistentin an die Zahnbehandlung herangeführt werden. Solange der Befund sich nicht vergrößert, können diese Sitzungen wiederholt werden, bis sich das Verhalten des Kindes positiv entwickelt. Die Sanierung kann dann ggf. unter Zuhilfenahme von Lachgas in Verhaltensführung und Kinderhypnose erfolgen. Sollte sich jedoch bei negativem Verhalten der Behandlungsumfang vergrößern, ist auch hier die Sanierung in Narkose zu empfehlen. Die Prophylaxe bildet die Basis der Nachsorge aller Kinder.
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Abb. 3b: Bei einem großen Behandlungsumfang ist die Sanierung in Vollnarkose bei präkooperativen Kindern, Kindern mit besonderen Bedürfnissen sowie in dringlichen Fällen ohne ausreichende lokale Schmerzausschaltung zu empfehlen. Bei älteren Kindern sollte auch bei einem größeren Befund zunächst ein Behandlungstraining erfolgen, um die Compliance zu steigern, sodass eine Quadrantensanierung möglich wird. Bleibt das Behandlungstraining jedoch erfolglos, sollte die weitere Behandlung zeitnah in Narkose geplant werden. Die Prophylaxe bildet wiederum die Basis der Nachsorge aller Kinder.
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Je nach Alter und Verhalten des Kindes in Relation zum Umfang der Behandlung ergeben sich daraus die jeweiligen Behandlungsempfehlungen. Die Indikation zur Narkosesanierung orientiert sich an den Guidelines der American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD) [1].
Misserfolge bei der zahnärztlichen Therapie
Im Folgenden sollen exemplarisch einige kinderzahnärztliche Misserfolge herausgegriffen und vorgestellt werden. Grundsätzlich sollte davon ausgegangen werden, dass durch entsprechende Fort- und Weiterbildung das gesamte zahnärztliche Team lege artis behandelt.
Abbildung 4 zeigt eine typische Bissverletzung nach Lokalanästhesie. Besonders für junge Kinder ist das Taubheitsgefühl fremd und unangenehm, sodass sie auf der Lippe kauen, reiben oder sich kratzen und sich so teils erhebliche Verletzungen zufügen. Es ist hilfreich, den Kindern im Handspiegel die taube Lippe zu zeigen, das eigenartige Gefühl zu erklären sowie ggf. eine Watterolle zum Schutz einzulegen.
Dadurch lässt sich zudem das Missempfinden der Kinder („nach taub kommt weh“) deutlich reduzieren. Ein Infozettel für die Eltern mit dem Hinweis auf diese Problematik und Tipps für den Fall der Selbstverletzung hat sich bewährt und schützt vor Vorwürfen seitens der Eltern.
Kommt es zum vorzeitigen Verlust von Kompositfüllungen im Milchgebiss oder zur Randspaltbildung, liegt die Ursache für das Versagen der Adhäsivtechnik meistens an inadäquater Trockenlegung, wie bereits in Abbildung 1a gezeigt. Eine Sonderrolle nehmen Kompositfüllungen auf vitalamputierten Milchmolaren ein, an denen es sowohl zur Grauverfärbung durch MTA bzw. röntgenopake Zusätze als auch zur erhöhten Frakturgefahr kommen kann (Abb. 5).
Neuere MTA-Verbindungen („smart materials“) führen möglicherweise zu weniger Frakturen und Diskoloration. Kronen aus Zirkonia sind eine Lösung mit hoher Ästhetik, jedoch in Anpassungsdauer, Kosten und Randschluss der klassischen Stahlkrone unterlegen. Goldstandard sind derzeit noch Schutzkronen aus Edelstahl, wobei darauf zu achten ist, dass sie approximal den Defekt abdecken.
Abbildung 6 bildet einen Misserfolg ab nach Vitalamputation mit IRM-Zement bei approximal zu tiefem Defekt und undichtem Pulpaverschluss. Der Randschluss der konfektionierten Stahlkronen ist bei korrekter Anpassung erstaunlich gut, jedoch ist besonders distal an den Milchfünfern auf gute Adaptation zu achten, damit der erste bleibende Molar nicht am Durchbruch gehindert wird (Abb. 7a, b). Werden festsitzende Platzhalter eingesetzt, ist ein regelmäßiges Recall wichtig, um den Sitz zu überprüfen (Abb. 8), aber auch um den Durchbruch des bleibenden Zahns nicht zu verpassen (Abb. 9).
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Abb. 7a: Bei der Präparation für Stahlkronen an Fünfern ist auf ausreichende Substanzabtragung und ggf. distales Anbiegen des Kronenrandes zu achten, damit ein abstehender Kronenrand nicht zum Hindernis für den durchbrechenden Sechser wird.
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Abb. 7b: Bei der Präparation für Stahlkronen an Fünfern ist auf ausreichende Substanzabtragung und ggf. distales Anbiegen des Kronenrandes zu achten, damit ein abstehender Kronenrand nicht zum Hindernis für den durchbrechenden Sechser wird.
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Abb. 8: Mesialdrift durch ungenügende Abstützung des Lückenhalters am Dreier. Um ein Verrutschen zu verhindern, ist das Gegenstück weiter zervikal zu platzieren oder durch eine kleine Kompositperle am Dreier zu fixieren.
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Abb. 9: Durchbruch des bleibenden Zahns bei eingesetztem Platzhalter. Der Prämolar hatte aufgrund der schlechten Reinigungsmöglichkeit okklusal bereits eine kariöse Initialläsion entwickelt.
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Besonders anspruchsvoll kann die Anfertigung von sogenannten Distal-Shoe-Platzhaltern sein, die nach Extraktion des Milchfünfers den ersten bleibenden Molar noch vor dessen Durchbruch an der Mesialwanderung hindern sollen. Auch hier ist sowohl klinisch (Abb. 10) als auch radiologisch (Abb. 11) auf einen korrekten Sitz zu achten.
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Abb. 10: Distal-Shoe-Platzhalter sollten regelmäßig kontrolliert werden, damit beim Durchbruch des Sechsers frühzeitig der korrekte Sitz überprüft werden kann. In diesem Fall verrutschte das Gegenstück nach vestibulär und hindert den Sechser nicht am Mesialdrift.
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Abb. 11: Die Gegenstücke dieser Distal-Shoe-Platzhalter wurden zum Schutz der Zahnkeime zu stark gekürzt, sodass die Sechser noch vor ihrem Durchbruch die Lückenhalter regelrecht unterwandert haben.
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Misserfolge in der Kommunikation mit den Eltern
Wie eingangs erwähnt, werden Misserfolge auf persönlicher Ebene als besonders belastend empfunden, beispielsweise in negativen Internet-Bewertungen oder bei direkten Beschwerden unzufriedener Eltern.
Abbildung 12 verdeutlicht die Erwartungshaltung der Eltern in Relation zu Befund und Kooperationsvermögen ihres Kindes. Wenn Eltern beispielsweise zur Routinekontrolle kommen und überraschend konfrontiert werden mit einem umfangreichen Heil- und Kostenplan, werden sie möglicherweise ablehnend reagieren. In diesem Fall sollte den Eltern die Karies im Mund oder am Röntgenbild gezeigt und in positiven Worten ein Lösungsvorschlag ? anhand geeigneter Anschauungsmaterialien erklärt ? geboten werden [5].
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Abb. 12: Die Rolle der Erwartungshaltung der Eltern in Relation zu Behandlungsbedarf und Verhalten des Kindes.
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Es erleichtert die Arbeit mit Kindern und Eltern, aber auch die Abläufe im Team erheblich, sich mit den Grundlagen der Kommunikation vertraut zu machen und geeignete Interventionsstrategien zu sammeln [4,6,7]. Eines der einfachsten Kommunikationsmodelle ist das Sender-Empfänger-Modell, in welchem der Sender eine codierte Nachricht über einen Informationskanal (z.B. Sprache) an den Empfänger übermittelt, wobei beziehungsbedingte Interaktionen nicht berücksichtigt werden.
Bereits in diesem simplen und rein technischen Modell wird deutlich, dass es zu Störungen bei der Übermittlung kommen kann. Beispielsweise, wenn Sender und Empfänger nicht die gleiche Sprache sprechen.
Im Kontext der Kinderzahnmedizin ist dies dann relevant, wenn Kinder sprachlich oder kognitiv nicht in der Lage sind, die Information zu decodieren, d.h. bereits beim ersten Schritt des Tell-Show-Do-Prinzips aus der Verhaltensführung scheitern [4,7]. Oder wenn die Fachterminologie des Senders (Zahnarztes) von den Eltern nicht verstanden wird.
Aus zahlreichen epidemiologischen Studien ist bekannt, dass kariesaktive Kinder besonders häufig aus sozial benachteiligten, bildungsfernen Schichten stammen. Auf Sprachverständnisprobleme treffen wir ebenfalls gehäuft bei Familien mit Migrationshintergrund. Gelungene Kommunikation kann in den genannten Beispielen also durch entsprechendes Vokabular, bildunterstützte Erklärung, Demomodelle oder mittels Dolmetscher erfolgen.
Friedemann Schulz von Thun entwickelte das auch als „Vier-Ohren-Modell“ bekannte Kommunikationsquadrat [9]. Hier spielt die Beziehung zwischen Sender und Empfänger eine Rolle und bestimmt wesentlich die Qualität der Interaktion. In der täglichen Praxis kann dieses Modell wertvolle Hinweise zum gegenseitigen besseren Verständnis liefern (Abb. 13a).
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Abb. 13a: Das Kommunikationsquadrat oder die „Vier Seiten einer Nachricht“ von F. Schulz von Thun.
Sachinhalt: Dieser behandelt den Inhalt der Aussage, wobei es sich um Daten, Fakten und Informationen handelt.
Selbstoffenbarung: Hier gibt der Sender, oft unbewusst, etwas von sich preis und ermöglicht einen Einblick in seine Persönlichkeit, Denkweise oder Gefühlswelt.
Beziehung: Auf dieser Ebene spiegelt sich das Verhältnis zwischen Sender und Empfänger wider. Beispielsweise enge Beziehung oder Distanz, Hierarchie, Wertschätzung und Respekt oder Abneigung. Sowohl Wortwahl als auch Tonfall, Körpersprache und Mimik bringen dies zum Ausdruck.
Appell: Der Empfänger entnimmt der Botschaft einen an ihn gerichteten Appell, wobei dieser stark persönlich gefärbt und nicht immer im Sinne des Senders ist.
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Häufig lässt sich beobachten, dass Eltern beispielsweise bei der Befundbesprechung oder der Behandlungsplanung aufgrund larvierter Schuldgefühle sehr emotional reagieren, besonders dann, wenn invasive Behandlungen wie Narkosesanierungen empfohlen werden (s. Legende zu Abb. 13b). Empathie und Klarheit anstelle von verdeckten Appellen sowie die Botschaft „hier wird uns geholfen“ spiegeln idealerweise die innere Haltung des gesamten Teams wider.
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Abb. 13b: In diesem Beispiel aus dem Kontext der Kinderzahnmedizin wird deutlich, wie aus der zahnärztlichen Sachebene „Ihr Kind hat Karies“ bei den Eltern auf der Beziehungsebene die Botschaft „Sie sind eine schlechte Mutter“ entstehen kann, und es erklärt die – für das zahnärztliche Team oft überraschende und unverständliche – Reaktion mancher Eltern mit Verleugnung oder Empörung bis hin zur Aggression. Wird dann mit Gegenaggression („Wir haben die Karies nicht reingemacht.“) reagiert, kann es zur Blockade seitens der Eltern oder gar verbaler Eskalation („reine Geldschneiderei“) kommen.
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Nonverbale Elemente spielen in der Kommunikation eine große, wenn nicht gar übergeordnete Rolle. Nur 7% werden dem rein sprachlichen Inhalt zugeschrieben, 38% dem stimmlichen Ausdruck und zu 55% dominiert die Körpersprache (7-38-55-Regel von A. Mehrabian).
Dazu gehören alle Signale wie Gestik, Körperhaltung und -bewegung, Händedruck und -position, Blickkontakt und Distanzverhalten, wobei zwischen Makro- und Mikrosignalen unterschieden werden kann. Kinderzahnärztlich relevant sind beispielsweise: Begrüßung des Kindes auf Augenhöhe, „Fluchtwege“ freihalten, freundliche Stimmlage und Lächeln, keine Beschwichtigungsgesten, Elterngespräche in der Haltung „Schulterschluss“ u.v.m. [3,4,5,6,10].
Fehlermanagement
Zunächst sollte eine genaue Fehleranalyse erfolgen.
a) Der Misserfolg liegt an einem nachvollziehbaren Behandlungsfehler
In diesem Fall sollte man transparent agieren, den Fehler eingestehen und größtmögliche Kulanz bei der Behebung walten lassen [2]. Dieses Vorgehen kann sogar dazu beitragen, das Vertrauensverhältnis zu festigen, wie die zunächst paradox erscheinende 3-11-15-Regel besagt: Ein zufriedener Patient teilt sich durchschnittlich 3 anderen Personen mit, ein unzufriedener Patient sagt es in der Regel 11 Personen weiter.
Ein unzufriedener Patient, mit dem gut umgegangen wurde und bei dem der Mangel zu seiner Zufriedenheit behoben wurde, sagt es in der Regel 15 anderen Personen weiter [5,7]. Wichtig: Innerhalb des Teams sollte im Rahmen der Teamsitzungen der Vorfall besprochen werden, um eine Wiederholung zu vermeiden [10].
b) Der Misserfolg ist schicksalhaft und ohne erkennbares Verschulden
Auch hier spielt die Transparenz eine große Rolle. Zeigt der Behandler seine eigene Unzufriedenheit hinsichtlich des Ergebnisses und drückt er sein Bedauern und Verständnis aus, so stimmt dies meist auch Eltern und Patienten milde. Möglicherweise findet sich eine salomonische Lösung, beispielsweise Kostenteilung oder Nachlass bei privaten Zuzahlungen.
c) Der Misserfolg ist die Folge einer unfreiwilligen Kompromissbehandlung
In diesen Fällen sollte individuell entschieden werden. Wurde beispielsweise ein Zahn bei einem Behandlungsabbruch provisorisch verschlossen, den Eltern die Sanierung in Narkose empfohlen, jedoch abgelehnt – und Monate später erscheint das Kind als akuter Schmerzfall mit Abszess, so kann dies nicht der Praxis zulasten gelegt werden.
Eine Grauzone ist hingegen beispielsweise der Verlust einer Kompositfüllung durch mangelhafte Trockenlegung aufgrund schlechter Compliance. Hier sollte man sich an der Dokumentation hinsichtlich der Umstände der Behandlung orientieren (Druck seitens der Eltern? Fehler bei der Behandlungsplanung?).
In der Kommunikation des Beschwerdemanagements ist Feingefühl gefragt [2,9,6]. Allzu schnell feuern die Spiegelneuronen und ein aggressiver Gesprächspartner erzeugt Gegenaggression. Als besonders hilfreich in emotional belastenden Situationen wird der Wechsel auf eine Metaebene empfunden.
Man spricht quasi „über das Gespräch“ aus der Beobachterperspektive, verbunden mit reflektierenden Nachfragen und Ich-Botschaften. Wichtig sind die Übereinstimmung von verbaler und nonverbaler Kommunikation in Gestik, Mimik, Körperhaltung, Betonung und Sprechweise und der sparsame und deutlich erkennbare Einsatz von Ironie.
Beispiel: „Frau Müller, ich habe den Eindruck, dass unser Gespräch gerade eine ungünstige Wendung nimmt. Es ist mir ein Anliegen, Ihnen unser Konzept und meine Überlegungen dazu gut zu vermitteln. Dürfte ich Ihnen vorschlagen, noch einmal …“ Oder im Anschluss an ein Beschwerde-Gespräch: „Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit und empfand unser Gespräch als sehr klärend.“
Der Einsatz von Metakommunikation und Metaposition hat sich besonders bei fordernd erscheinenden Eltern bewährt, die Druck ausüben auf ihr Kind und das zahnärztliche Team (Abb. 12). Wenn dem erfahrenen Kinderzahnarzt die Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung der Eltern, Umfang der Behandlung und Compliance des Kindes sehr groß erscheint, kann folgende Metabotschaft in der Ich-Form hilfreich sein: „Ich habe den Eindruck, dass wir ein wenig das Tempo herausnehmen sollten, um Ihrem Kind nachhaltig zu helfen.“ Statt in die Konfrontation zu gehen, wird ein gemeinsames, übergeordnetes Ziel ? das Wohl des Kindes ? definiert.
Fazit
Ein Misserfolg ist immer ein unerfreuliches Ereignis und steht laut einer Online-Befragung unter Zahnärzten an erster Stelle der Stressoren [11]. Dabei ist zu unterscheiden zwischen „Misserfolg“ und „Behandlungsfehler“.
Im Spannungsfeld zwischen der eingeschränkten kindlichen Compliance und der Erwartungshaltung der Eltern stellt es für Kinderzahnärzte eine besondere Herausforderung dar, den geeigneten Behandlungsweg zu wählen. Hier spielt die gelungene Kommunikation eine wesentliche Rolle. Fehler können sowohl bei der Behandlungsplanung als auch während der Behandlung entstehen.
Algorithmen zur Entscheidungsfindung und ein fachlich fundiertes Behandlungskonzept helfen im kinderzahnärztlichen Alltag. Wenn es zu Misserfolgen oder Beschwerden kommt, empfiehlt sich zunächst die Fehleranalyse sowie die offene Kommunikation im Team, um einen Lerneffekt zu erzielen. Den Eltern und kleinen Patienten gegenüber sollte eine transparente Haltung von Bedauern und Verständnis für Unannehmlichkeiten eingenommen werden, wobei sich das Ausmaß der Kulanz am Ergebnis der Fehleranalyse orientieren sollte.