Ist die subgingivale Belagsentfernung Leistungsbestandteil der GOZ 1040 oder nicht?
Seit Inkrafttreten der GOZ im Jahr 2012 beschäftigt Praxen die Frage, ob es möglich ist, zusätzlich zur Gebührenziffer 1040 (Professionelle Zahnreinigung) die nicht-chirurgische subgingivale Belagsentfernung in Rechnung zu stellen. Unsere Abrechnungsexpertin Sabine Schröder beleuchtet diese Fragestellung unter Berücksichtigung der bereits ergangenen Gerichtsentscheidungen und der Auffassung der Bundeszahnärztekammer.
Zunächst ist die genaue Leistungsbeschreibung inklusive der amtlichen Bestimmungen zu betrachten. Diese amtlichen Bestimmungen zur Gebührenziffer GOZ 1040 „Professionelle Zahnreinigung“ lauten:
„Die Leistung umfasst das Entfernen der supragingivalen/ gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen einschließlich Reinigung der Zahnzwischenräume, das Entfernen des Biofilms, die Oberflächenpolitur und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen, je Zahn oder Implantat oder Brückenglied.
Die Leistung nach der Nummer 1040 ist neben den Leistungen nach den Nummern 1020, 4050, 4055, 4060, 4070, 4075, 4090 und 4100 nicht berechnungsfähig.“
Aus diesen Bestimmungen ist abzuleiten, dass das nicht-chirurgische Entfernen von subgingivalen Belägen nicht Leistungsbestandteil der Gebührenziffer 1040 ist. Auch in der Leistungsbeschreibung der GOZ 4070/4075, die die chirurgische Entfernung von subgingivalen Konkrementen honoriert, ist dieses nicht enthalten. Insofern wäre für diese zusätzliche selbstständige Leistung zur supra- und gingivalen Belagsentfernung nach GOZ 1040 der § 6 (1) der GOZ (Analogabrechnung) anzuwenden:
Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vom 01.01.2012
§ 6 Gebühren für andere Leistungen
Selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden. Sofern auch eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung im Gebührenverzeichnis dieser Verordnung nicht enthalten ist, kann die selbstständige zahnärztliche Leistung entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung der in Absatz 2 genannten Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte berechnet werden.
Diese Auffassung teilt auch die Bundezahnärztekammer in ihrem Positionspapier zu dieser Fragestellung:
Positionspapier, Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer, Februar 2013
Geb.-Nr. 1040 GOZ und die subgingivale Belagsentfernung – Urteil des VG Düsseldorf, 13 K 5973/12
„Die Herstellung hygienischer Verhältnisse in der Mundhöhle ist eine der sinnvollsten zahnärztlichen Behandlungen überhaupt."
Die seit dem 01.01.2012 geltende GOZ stellt unter diversen Gebührennummern einige Leistungen, die dieses Ziel verfolgen, zur Verfügung.
Gemessen an wissenschaftlichen Kriterien und tatsächlichen Behandlungsmöglichkeiten ist das in der GOZ enthaltene Leistungsspektrum jedoch nicht vollständig, sodass bestimmte, nicht in der Gebührenordnung erfasste Leistungen eine analoge Bewertung gemäß den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 GOZ erfordern.
Spezielle Probleme, zumindest auf Seiten einiger Kostenerstatter, bereitet in der jüngeren Vergangenheit offenkundig die analoge Berechnung der nicht-chirurgischen subgingivalen Belagentfernung, bzw. deren Abgrenzung zur Geb.-Nr. 1040 GOZ (Professionelle Zahnreinigung*) und zu den Geb.-Nrn. 4070, 4075 GOZ (geschlossenes parodontal-chirurgisches Vorgehen an einem Implantat/ein- oder mehrwurzeligen Zahn*).
Leistungsinhalt der Geb.-Nrn. 4070/4075 GOZ als parodontal- chirurgische Maßnahme ist insbesondere die Beseitigung subgingivaler Konkremente („deep scaling“) und die Glättung der Wurzeloberfläche („root planing“). Auch die Entfernung endotoxinhaltiger Wurzelzementschichten, die begleitende Ausschälung des Taschenepithels und infiltrierten subepithelialen Bindegewebes mittels Kürettage ist in unterschiedlichem Umfang und in Abhängigkeit von der klinischen Situation Leistungsbestandteil.
Unter Beachtung der berufsrechtlichen Bestimmungen sind Teile des Leistungsinhalts an qualifiziertes Fachpersonal delegierbar. Die vollständige Leistungserbringung und damit die Berechnungsfähigkeit der Geb.-Nr. 4070/4075 GOZ setzt jedoch ein persönliches Tätigwerden des Zahnarztes voraus. Der Umfang dieser manipulativen Tätigkeit richtet sich nach der klinischen Situation.
Im Unterschied zu den Geb.-Nrn. 4070/4075 GOZ stellt die subgingivale Belagentfernung keine parodontal- chirurgische Leistung dar, sondern dient als non-invasive Leistung durch die Reinigung der Zahnoberflächen und Entfernung des Biofilms der Herstellung hygienischer Verhältnisse im subgingivalen Bereich. Die Leistung kann indiziert sein als Vorbehandlung oder zur Nachsorge im Zusammenhang mit parodontal-chirurgischen Leistungen oder als Erhaltungstherapie. Im Sinne des § 6 Abs. 1 GOZ handelt es sich um eine selbstständige zahnärztliche Leistung, die eine analoge Bewertung erfordert.
Bei methodisch-abstrakter Betrachtung ist die Leistung vollständig an entsprechend qualifiziertes Fachpersonal delegationsfähig.
Gefahrennähe, Komplikationsdichte und Krankheitsbild können im konkreten Einzelfall eine Delegation jedoch ausschließen.
Neben (zahn- und sitzungsgleich) den Geb.-Nrn. 4070/4075 GOZ ist die subgingivale Belagentfernung aufgrund von Leistungsüberschneidungen gemäß § 4 Abs. 2 GOZ nicht berechnungsfähig. Neben (zahnund sitzungsgleich) der Geb.-Nr. 1040 GOZ ist die subgingivale Belagentfernung gemäß § 6 Abs. 1 GOZ berechnungsfähig.
Nach dem Willen des Verordnungsgebers umfasst die Leistungsbeschreibung der Geb.-Nr. 1040 GOZ ausschließlich das Entfernen „supragingivaler/gingivaler Beläge“, nicht jedoch die Reinigung subgingivaler Zahnoberflächen.
Eine Entscheidung des VerwG Düsseldorf (Az.: 13 K 5973/12 vom 17.01.2013) folgt der vorstehenden gebührenrechtskonformen Auslegung nicht. Der Richterspruch erging ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung eines zahnärztlichen Sachverständigen, gestützt ausschließlich auf die richterliche Lektüre des klinischen Wörterbuches „Pschyrembel“.
Dieses unterinstanzliche Urteil ist nicht geeignet, die vorstehende, differenzierende Definition der jeweiligen Leistungen und damit deren gebührenrechtliche Einordnung zu widerlegen. Die richterliche Auffassung ist weder fachlich fundiert noch gebührenrechtlich korrekt.
Die subgingivale Belagentfernung ist Gegenstand des Kataloges analog zu bewertender Leistungen der Bundeszahnärztekammer.“
* Leistungsbeschreibungen verkürzt/sinnerhaltend wiedergegeben
Dagegen wurde in verschiedenen Gerichtsentscheidungen diese Auffassung abschlägig entschieden:
In einem Verwaltungsgerichtsurteil (VG) Köln mit Datum vom 20.01.2016 (Az.: 10 K 7023/14) entschied der Richter, dass die im vorliegenden Fall von einem Zahnarzt analog berechnete Gebührenziffer GOZ Nr. 2130 für die zusätzlich zur GOZ 1040 erfolgte Entfernung subgingivaler Beläge bereits mit der GOZ-Nr. 1040 erfasst und damit abgegolten sei. Die Urteilsbegründung fußte auf einer vorher ergangenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 21.02.2014 (Az.: 1 A 477/13), welches ebenfalls keine Möglichkeit der zusätzlichen analogen Berechnung sah. Dessen Begründung lautete wie folgt (Auszug):
„Die sog. „Professionelle Zahnreinigung“ wird in der Anlage 1 der GOZ von der Gebührenziffer Nr. 1040 geregelt. Nach dem „Leistungstext“ umfasst die Leistung (der „Professionellen Zahnreinigung“) u.a. „das Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahnund Wurzeloberflächen“. Supragingivale Beläge können schon begrifflich nur solche Beläge sein, welche sich oberhalb (supra) des Zahnfleisches (Gingiva) am Zahn befinden, also am regelmäßig nur sichtbaren Teil des Zahnes, der sogenannten Zahnkrone. Nicht damit angesprochen sind von diesem Tatbestandsmerkmal mithin Beläge an solchen Partien des Zahnes, welche von dem Zahnfleisch umgeben sind. Bei einem gesunden, lediglich zu reinigenden Zahn sind dies insbesondere der Zahnhals und die Zahnwurzel. Liegt ein krankheitsbedingter Rückgang des Zahnfleisches vor oder sind unterhalb der Zahnkrone liegende Zahnoberflächen sonst frei zugänglich, so könnten zwar Beläge, welche sich am Zahnhals oder sogar an der (partiell freiliegenden) Zahnwurzel befinden, theoretisch von ihrer Lage im konkreten Einzelfall her als „supragingival“ bezeichnet werden. Ein solches Normverständnis verbietet sich aber mit Blick darauf, dass die Vorschrift neben dem Tatbestandsmerkmal supragingivaler Beläge zusätzlich auch von gingivalen Belägen spricht. Da dem Normgeber nicht unterstellt werden kann, mit dem weiteren Tatbestandsmerkmal gingivaler Beläge eine sinn- bzw. bedeutungslose Regelung getroffen zu haben, muss diesem Merkmal eine eigenständige Bedeutung zukommen. Diese Bedeutung erschließt sich ohne Weiteres, wenn zweierlei berücksichtigt wird: Zum einen umfasst die „Professionelle Zahnreinigung“ neben dem Entfernen von Belägen auf Zahnoberflächen ausdrücklich das Entfernen von Belägen auf Wurzeloberflächen, und zum anderen gehört zu den Leistungen der „Parodontalchirurgische Therapie“ (Nr. 4070 und Nr. 4075), welche ebenfalls die Wurzeloberflächen betrifft, die Entfernung subgingivaler Konkremente („deep scaling“). Vor diesem zweifachen Hintergrund fällt die nicht im parodontalchirurgischem Wege erfolgende Reinigung von Wurzeloberflächen, d. h. die Entfernung der klinisch sichtbaren und ohne chirurgischen Eingriff erreichbaren Beläge auf Wurzeloberflächen (Konkremente) unter den Begriff der Entfernung gingivaler Beläge auf Wurzeloberflächen. Diese Auslegung stellt zugleich sicher, dass die Gebührenziffer Nr. 1040 mit ihrem Leistungstext die von ihr geregelte „Professionelle Zahnreinigung“ hinsichtlich der – auch nach dem Klägervortrag – insoweit wissenschaftlich gebotenen Reinigungsmaßnahmen vollständig erfasst. (…)“
Somit ist der Erstattung einer analogen Gebührenziffer für die nicht chirurgische subgingivale Zahnreinigung zumindest bei beihilfeversicherten Patienten ein Riegel vorgeschoben worden.
Ein weiteres Urteil des VG Düsseldorf (Az. 13 K 5973/12) mit Datum vom 17.01.2013 wurde ebenso abschlägig gefällt:
Hier wurde zusätzlich zur Ziffer GOZ 1040 für die professionelle Zahnreinigung die GOZ 4070/4075 analog für die nicht-chirurgische subgingivale Belagsentfernung berechnet. Ein Patient reichte Klage ein, weil seine Beihilfestelle diese zusätzliche Leistung nicht erstatten wollte. Leider waren auch hier die Richter der Auffassung, dass diese Leistung mit der Ziffer GOZ 1040 abgegolten sei.
Fast zeitgleich wurde am 13.02.2013 durch das VG Stuttgart (Az. 3 K 3921/12) allerdings die analoge Berechnungsmöglichkeit befürwortet, sogar neben der Berechnung der GOZ 1040 am selben Zahn.
Auch ein Amtsgerichtsurteil des AG Celle (Az. 13 C 1449/135.2) am 11.11.2014 bejahte die Abgrenzung der nicht-chirurgischen Belagsentferung einerseits von der GOZ 1040 und auch von der GOZ 4070/4075 und erkannte die analoge Berechnungsweise an.
Es bleibt also abzuwarten, wohin in künftigen Gerichtsentscheidungen die Tendenz gehen wird. Unbenommen bleibt die Möglichkeit, einen erhöhten Aufwand bei Entfernung von supragingivalen, gingivalen und zeitgleich auch subgingivalen Belägen über den Steigerungsfaktor der GOZ 1040 auszugleichen.
Die Abrechnungshinweise sind von der Autorin nach ausführlicher Recherche erstellt worden. Eine Haftung und Gewähr wird jedoch ausgeschlossen.