Zahnmedizinische Prophylaxe für Menschen mit Behinderung

Zur Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit bei Menschen mit Behinderung sind lebenslang zahnmedizinische Prophylaxe-Maßnahmen erforderlich. Das ist insbesondere dann notwendig, wenn in Abhängigkeit des Schweregrades der Beeinträchtigungen Unterstützung bei der Durchführung der Mundhygienemaßnahmen benötigt wird oder die Behandlungskooperativität eingeschränkt ist. Dr. Imke Kaschke zeigt im folgenden Beitrag auf, wie Betreuer und Angehörige praktisch in die Umsetzung häuslicher Prophylaxe-Maßnahmen einbezogen werden können und wie wichtig deren Aufklärung über adäquate Mundhygienemaßnahmen sowie Hilfsmittel zur Unterstützung der Zahnpflege von Menschen mit Behinderung ist.
Durch den aktuellen Beschluss des Versorgungsstrukturgesetzes (SGB V-VSG) und dem im § 22a garantierten gesetzlichen Leistungsanspruch der kostenfreien zahnmedizinischen Prophylaxe für Erwachsene mit Behinderung und Pflegebedürftige (nach Vollendung des 18. Lebensjahres) besteht nun die Möglichkeit zur Verbesserung der Mundgesundheit durch adäquate Angebote für diese Klientel in der zahnärztlichen Praxis.
Die Mundgesundheitssituation von Menschen mit Behinderung
Nach wie vor gehören Menschen mit Behinderung zur Hochrisikogruppe für Karies und Parodontalerkrankungen [6, 16]. In Untersuchungen zur Mundgesundheit wurde sowohl bei Kindern und Jugendlichen [10, 18], als auch bei Erwachsenen [19, 20] mit geistiger Behinderung eine höhere Karieserfahrung als beim Durchschnitt der gesamten Bevölkerung nachgewiesen. Die Gründe für ihre schlechte Mundgesundheit sind vielfältig: Mögliche Ursachen können Begleiterkrankungen, aber auch Beeinträchtigungen infolge eines gestörten Husten- oder Schluckreflexes sein. Aufgrund ihrer Behinderung ist diese Patientengruppe häufig nicht in der Lage, die Mundhygiene selbstständig und adäquat durchzuführen. Mitunter ist auch die zahnärztliche Behandlung schwierig, zeitaufwendiger oder sogar ohne Intubationsnarkose nicht durchführbar [24] (Abb. 1).
Studien des Zentrums für Zahnmedizin der Universitätsmedizin Berlin Charité sowie der Universität Witten-Herdecke haben deutliche Defizite in der Prophylaxe-Betreuung von Erwachsenen mit Behinderungen aufgezeigt. Ergebnisse einer Untersuchung zur Zahn- und Mundgesundheit 35- bis 44-jähriger Bewohner Berliner Behinderteneinrichtungen belegen, dass die Mundhygiene bei Menschen mit Behinderungen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung nur unzureichend durchgeführt wird. In der Untersuchung (MGS 2004), an der 92 Menschen mit Behinderung in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen teilnahmen [16], wurden Daten mit den entsprechenden Ergebnissen der Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS III 1999 [14] und DMS IV 2006 [15]) verglichen. Nur 21 % der Menschen mit Behinderungen hatten im Gegensatz zu Patienten der gleichen Altersgruppe mit fast 60 % keine sichtbare Plaque. Menschen mit Behinderung dieser Altersgruppe haben mehr als doppelt so viel fehlende und weniger als halb so viel gefüllte Zähne wie die Durchschnittsbevölkerung gleichen Alters (Tab. 1).
Die Einbeziehung der Betreuer und Angehörigen
Neben der Instruktion der Bewohner entsprechend ihrer Kooperativität ist die Einbeziehung von Betreuern und Angehörigen in der praktischen Durchführung und Hilfestellung bei der Zahnpflege von größter Bedeutung. Häufig wird die Durchführung von Mundhygienemaßnahmen als unangenehm und problematisch empfunden, Hauptproblem ist oft schon der Zugang zur Mundhöhle. Erschwerend kommt der zeitliche Aufwand hinzu, oft wird deshalb anderen Verrichtungen eine höhere Priorität zugestanden [25, 26]. Ein wesentlicher Faktor scheint neben dem Zeitmangel des Personals auch das fehlende Wissen um die Wichtigkeit dieser Maßnahmen für den allgemeinen Gesundheitszustand zu sein. Außerdem können sich viele Betreute nicht verbal äußern oder Emotionen, Ängste und Schmerzen nicht entsprechend ausdrücken. Aus Sicht der Behindertenpädagogik ergibt sich zusätzlich die Frage der Selbstbestimmung und inwieweit ein Eingreifen in Handlungen von Mitmenschen mit Behinderungen vertretbar ist [17]. Deshalb ist es wichtig, Betreuern und Angehörigen zu vermitteln, inwieweit Mundhygienemaßnahmen entsprechend der individuellen Kooperativität des Einzelnen zu unterstützen oder sogar ganz zu übernehmen sind. Das Training und Wissen der Betreuungspersonen sind eine entscheidende Voraussetzung. Dazu ist eine Einteilung in drei Gruppen sinnvoll [23]:
- Selbstputzer: Zu dieser Gruppe gehören Personen, welche die tägliche Mundhygiene aufgrund ausreichender motorischer Fähigkeiten selbstständig bewältigen können. Nur teilweise erfolgt eine Überwachung bzw. eine Kontrolle durch die Betreuer.
- Mit-Hilfe-Putzer: Diese Personen benötigen die Hilfe eines Dritten, um die tägliche Mundhygiene in ausreichendem Maße selbstständig ausführen zu können. Dies geschieht durch Anleitung, Kontrolle und Motivation, aber zum Teil auch durch aktives Nachputzen durch den Betreuer. Die Compliance kann in dieser Gruppe überwiegend als gut angesehen werden.
- Fremdputzer: Diese Gruppe bilden die Personen, die zur selbstständigen Mundhygiene zu keiner Zeit in der Lage sind. Diese Menschen sind komplett auf die Hilfe ihrer Betreuer angewiesen, deren Bemühungen wiederum von einem Mindestmaß an Kooperation abhängen.
Bereits Cichon und Grimm [7] weisen auf die Bedeutung der Information und Motivation der Betreuer zur täglichen Zahnpflege, Ernährungslenkung, Fluoridierung und zur professionellen Zahnreinigung hin. Nur wenn es gelingt, allen Beteiligten das Verständnis und die Fähigkeiten zur Durchführung entsprechender Maßnahmen zu vermitteln, können die Bemühungen zur Verbesserung der Mundpflege erfolgreich sein. Zahlreiche weitere Studien belegen die Erfolge bei konsequent durchgeführten Prophylaxe-Programmen. So zeigten Borutta und Heinrich [3] in einer Langzeitstudie, dass durch ein umfassendes Präventionsprogramm in einer Behinderteneinrichtung ein signifikanter Kariesrückgang und ein Anstieg primär gesunder Gebisse bei 3- bis 18-Jährigen erreicht werden konnte. Nur ein Jahr nach Installieren eines staatlichen Prophylaxe-Projektes in Dänemark konnten Vigild et al. [25] bei 264 Bewohnern mit Verhaltensstörungen einen signifikanten Kariesrückgang und einen Rückgang des parodontalen Behandlungsbedarfs verzeichnen.
Besonders problematisch und schwierig bleibt nach allen Betrachtungen aber die Tatsache, dass nicht das Verhalten und Handeln der Betreuer für sich selbst im Vordergrund stehen, sondern dass diese im Sinne der Gesundheitsförderung ihrer Betreuten zu verändern sind. Das erfordert von den Betreuungspersonen nicht nur spezielles Wissen, sondern v. a. ein hohes Maß an Motivation, Kompetenz und Selbstwirksamkeit [12], die in speziellen Mundgesundheitsprogrammen vermittelt werden sollten.
Zahnmedizinische Prophylaxe-Maßnahmen
Die zahnmedizinischen Prophylaxe-Maßnahmen unterscheiden sich nicht von dem sonst üblichen Vorgehen und gründen sich zur Erhaltung der oralen Gesundheit auf das Konzept der „Vier Säulen der Mundgesundheit“:
1. Mundhygienemaßnahmen
2. Fluoridierung
3. Ernährungslenkung
4. Regelmäßiger Zahnarztbesuch und professionelle Zahnreinigung
In den folgenden Ausführungen wird schwerpunktmäßig auf Empfehlungen zu Mundhygienemaßnahmen für Menschen mit Behinderungen eingegangen.
1. Mundhygienemaßnahmen: Die Wahl der richtigen Zahnbürste
Ein engmaschiges Recallprogramm und häufige Reinstruktionen haben einen größeren Einfluss auf die Mundgesundheit als die Art der verwendeten Zahnbürste, auch wenn die Verwendung elektrischer Zahnbürsten insbesondere für Selbstputzer als positive Erleichterung beschrieben wurde [5]. In der Studie konnte bei diesen Teilnehmern sowohl eine signifikante Verbesserung des Gingivazustandes als auch ein positiver Effekt der elektrischen Zahnbürste auf deren Motivation festgestellt werden. Williams und Schuman [27] testeten für drei Monate bei 24 Menschen mit Schwerstbehinderung, deren Mundhygiene durch das Pflegepersonal ausgeführt wurde, eine Handzahnbürste mit gebogenen Borsten (Collis Curve®, z. B. unter www.colliscurve.co.uk). Durch die Konstruktion des Bürstenkopfes sollen mehrere Zahnflächen (oral, okklusal, vestibulär) gleichzeitig erreicht werden. Im Vergleich zur normalen Handzahnbürste ließen sich zwar keine statistisch signifikanten Unterschiede bezüglich der Plaqueentfernung finden, aufgrund der Zeitersparnis stellt dieses Modell aber nach Meinung der Autoren eine sinnvolle Bereicherung für diesen Personenkreis dar.
Ob dreiköpfige Bürsten wie z. B. die Superbrush® (CO, AS Bergen/Norwegen) für Menschen mit Behinderungen ein adäquates Hilfsmittel und eine Vereinfachung der täglichen Mundhygiene darstellen, wurde in mehreren klinischen Studien untersucht. Sauvetre et al. [21] stellten unabhängig von der verwendeten Zahnbürste weder für Plaque- noch für Blutungswerte statistisch signifikante Verbesserungen fest, empfehlen aber die dreiköpfige Zahnbürste aufgrund der einfachen Handhabung bei äquivalenter Reinigungseffektivität für Patienten mit Behinderungen sowie für Kinder und Patienten, die für die tägliche Mundhygiene die Hilfe eines Dritten benötigen (Abb. 2). Auch Dogan et al. [8] favorisieren wegen der einfachen Handhabung sowie der geringeren Kosten gegenüber elektrischen Zahnbürsten dreiköpfige Zahnbürsten als Alternative für Patienten mit Behinderungen. In der Studie von Zeller [28] erwies sich bei Fremdputzern und Mit-Hilfe-Putzern die dreiköpfige Zahnbürste einer normalen Handzahnbürste und einer Schallzahnbürste überlegen. Mit Letzterer konnte allerdings in der Gruppe der Selbstputzer die größte Plaquereduktion erreicht werden.
Fazit
Fasst man die Ergebnisse dieser Untersuchungen zusammen, hat sich für Menschen mit eingeschränkter Kooperativität und bei erforderlicher Unterstützung der Zahnpflege durch andere Personen (Fremd- und Mit-Hilfe-Putzer) die dreiköpfige Zahnbürste als besonders geeignet erwiesen und kann deshalb Betreuern und Angehörigen empfohlen werden. Auf dem Markt ist auch eine elektrische Zahnbürste mit dreiköpfigem Borstenfeld verfügbar (Dentacare-Sonodent® EW 1012, Nais/Panasonic, Hamburg). Mitunter werden elektrische Zahnbürsten aufgrund des Geräusches und der Vibration seitens der Patienten abgelehnt oder es wird keine adäquate Putztechnik für das jeweilige Gerät angewendet. Bei eingeschränkten Bewegungsabläufen können elektrische Bürsten eine wertvolle Hilfe sein. Die Auswahl der Zahnbürste sollte deshalb stets individuell in Absprache mit dem behandelnden Zahnarzt erfolgen.
Die geeignete Zahnpasta
Neben der Verwendung von fluoridiertem Speisesalz stellt die Zahnpflege mit fluoridhaltiger Zahnpasta (mindestens zweimal täglich) auch für Menschen mit Behinderungen die wichtigste häusliche Prophylaxe-Maßnahme dar. Für Patienten mit eingeschränkter Mundhygienefähigkeit und eingeschränkter Putzzeit sind besonders Zahnpasten mit dualem Fluoridsystem zu empfehlen, die zu einer zusätzlichen Reduktion pathogener Keime in der Mundhöhle führen. Beispielsweise können durch Wirkstoffkombinationen von Aminfluorid und Zinnfluorid (Meridol®, CP GABA, Hamburg) oder Triclosan (Colgate total®, CP GABA) beim Zähneputzen zurückbleibende Reste bakterieller Plaque inaktiviert werden [2].
Auch die Zahnpasta muss individuell unter Berücksichtigung des Lebensalters ausgewählt werden. Dabei ist auch zu beachten ist, dass viele Menschen mit Behinderungen nicht richtig ausspülen können und Wasser mit Pastenresten verschlucken. Häufig kann die Paste nicht richtig dosiert werden, sodass die Unterstützung des Betreuers erforderlich ist.
Geeignete Putztechniken
Die Wahl der Putztechnik hängt auch bei Menschen mit Behinderung zunächst von der Art der Zahnbürste, darüber hinaus aber auch von den manuellen Fähigkeiten und dem individuellen Unterstützungsbedarf ab. Noch wichtiger als eine entsprechende Putztechnik ist aber der regelmäßige Gebrauch der Zahnbürste.
Damit alle Zahnbezirke gut gereinigt werden, sollte die Zahnreinigung stets systematisch erfolgen, wie beispielsweise mit der oftmals bereits im Kindesalter trainierten KAI-Technik (Kauflächen, Außenflächen, Innenflächen). Bei Verwendung von Handzahnbürsten ist die Rotationstechnik zu empfehlen, da diese relativ einfach zu erlernen ist und gute Reinigungsergebnisse erzielt. Sie kann gut geübt werden (Fingerspiele und Malen kleiner Kreise zur Verbesserung der Feinmotorik) und ist auch für viele Betreuer gut anwendbar. Zunächst werden die äußeren Glattflächen der Zähne bei geschlossener Zahnreihe, danach bei geöffnetem Mund die Innenflächen mit kreisenden Bewegungen gereinigt und zum Schluss die Kauflächen der Zähne mit leichten Hin- und Herbewegungen geputzt. Zur besseren Reinigung der Approximalräume sollte zusätzlich die Rolltechnik eingesetzt werden.
Bei der Verwendung elektrischer Zahnbürsten müssen Menschen mit Behinderung, deren Angehörige und Betreuer unbedingt auf die Beachtung der Anwendungshinweise des Herstellers hingewiesen werden und eine dem Gerät adäquate Putztechnik am besten in der Zahnarztpraxis geübt werden.
Die richtige Putzzeit
Auch wenn die geforderte dreiminütige Putzdauer selten erreicht wird, sollte die individuelle Motivation im Vordergrund stehen. Wichtig ist der Hinweis auf die Zahnreinigung nach dem Essen, insbesondere bei eingeschränkter Mundmotorik oder verminderter Selbstreinigung. Behilflich beim Einhalten der Putzzeit können integrierte Timer in elektrischen Zahnbürsten oder Sanduhren zur optischen Unterstützung sein [1], die auch bei Patienten mit Behinderungen unterstützend eingesetzt werden können.
Hilfsmittel für die Mundhygiene
Ist der adäquate Umgang mit der Zahnbürste gewährleistet, sollte bei entsprechenden motorischen Fähigkeiten der Bewohner selbst oder durch die Betreuer die Interdentalraumreinigung vorzugsweise mit Interdentalbürstchen erfolgen. Diese sind durch ihren – für Stabilität sorgenden – Griff einfacher durch Betreuer anzuwenden als Zahnseide. Zur chemischen Plaquekontrolle wird die tägliche Verwendung einer 0,05%igen fluoridhaltigen Mundspüllösung empfohlen. Dazu muss allerdings die Kontrolle über den Schluckreflex gewährleistet sein [22]. Aufgrund der bekannten Nebenwirkungen wie Geschmacksirritationen, Verfärbungen und Epithelialisierungsstörungen ist der Wirkstoff Chlorhexidin zur temporären Behandlung geeignet und nur in Ausnahmefällen bei Menschen mit Schwerstbehinderung und eingeschränkter Kooperativität oder wenn keine mechanische Plaqueentfernung möglich ist, als Dauermedikation zu empfehlen. Für die Intensivprophylaxe können auch chlorhexidinhaltige Gele eingebürstet oder in speziell angefertigten Schienen angewendet werden.
Zur besseren Handhabbarkeit von Zahnbürsten oder zur Unterstützung der Mundöffnung sind im Handel verschiedene Griff- bzw. Aufbisshilfen zu finden. Oft ist aber der Einsatz individuell angefertigter Hilfsmittel sinnvoll. Auch der Einsatz von Fingerzahnbürsten (i-brush, Dent-o-care, Höhenkirchen), Tupfern oder Wattestäbchen kann die Zahn- und Mundschleimhautpflege verbessern (Abb. 3). Zur täglichen Mundhygiene sollte nach Möglichkeit auch die Entfernung von Zungenbelägen mit speziellen Zungenreinigungsbürsten gehören.
Die Durchführung der täglichen Zahnpflege
Die Durchführung der täglichen Zahnpflege sollte unter Anleitung und mit Hilfestellung durch informierte und instruierte Betreuer und Angehörige zweimal täglich unter Anwendung von Putzmethoden und Hilfsmitteln erfolgen, die individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmt sind (Abb. 4 u. 5). Bei angeborener Behinderung ist möglichst eine schon in den ersten Lebenswochen einsetzende Frühförderung von extremer Wichtigkeit, auch um damit eine Gewöhnung an Fremdmanipulationen in der Mundhöhle als Vorübung für die spätere Zahnpflege zu erreichen [13].
Es ist sehr wichtig, Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrer Möglichkeiten bei der Zahnpflege zu unterstützen. Das kann eine verbale Anleitung, ein Nachputzen oder die komplette Übernahme des Zähneputzens bedeuten (Fremd-, Mit-Hilfe-Putzer). Beim gestützten Zähneputzen steht der Putzende hinter dem sitzenden Menschen mit Behinderung und legt den linken Arm um dessen Kopf. Die linke Hand kann die Wange abhalten und mit der rechten Hand kann die Zahnpflege erfolgen. Der Betreute kann seinen Kopf an den Körper des Putzenden anlehnen [11]. Auch an die tägliche Pflege herausnehmbaren Zahnersatzes mittels spezieller Prothesenbürsten ist zu denken.
2. Die Anwendung von Fluoriden
Die Fluoridprophylaxe sollte individuell für jeden Menschen mit Behinderung lebenslang als Basisprophylaxe mit der täglichen Zahnpflege mit fluoridhaltiger Zahnpasta, dem wöchentlichen häuslichen Einbürsten von Fluoridgelee, der zweimal jährlichen Anwendung von Fluoriden in der Zahnarztpraxis sowie dem Konsum fluoridierten Kochsalzes [9] erfolgen. Die Aufgabe des Betreuers und der Angehörigen ist es, regelmäßig die häuslichen Fluoridierungsmaßnahmen zu unterstützen. Zusätzlich ist bei besonderer Indikation eine Intensivprophylaxe mit häufigerer Anwendung höher konzentrierter Präparate unter Berücksichtigung des Lebensalters und der individuellen Situation abzuwägen.
3. Ernährungslenkung
Für Menschen mit Behinderungen gelten die gleichen Empfehlungen zu einer zahngesunden Ernährung. Es ist zu beachten, dass häufiger Störungen der Mundmotorik oder Schluckprobleme auftreten können, die die Nahrungsaufnahme erschweren. Eine kauzwingende Ernährung ist stets zu bevorzugen und passiertes Essen nur in Ausnahmefällen einzusetzen. Die Problematik häufiger zuckerhaltiger Zwischenmahlzeiten und des Genusses zuckerhaltiger Getränke ist gerade in Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung nicht zu unterschätzen und Angehörige und Betreuer entsprechend zu informieren. Als Alternativen können nachgewiese zahnfreundliche Süßwaren und Produkte mit Zuckeraustauschstoffen empfohlen werden.
Fazit
Um den Zahn- und Mundgesundheitszustand von Menschen mit zahnmedizinisch relevanten Behinderungen dauerhaft zu verbessern, müssen lebenslang präventive Maßnahmen gefördert werden. Dazu gehört die Verbesserung der Mundhygiene durch Aufklärung, durch Anwendung besonders geeigneter prophylaktischer Hilfsmittel wie z. B. Dreikopfzahnbürsten, elektrische Zahnbürsten und durch die Unterstützung informierter Angehöriger oder Betreuer. Ferner sind regelmäßige Fluoridierungsmaßnahmen erforderlich, die sowohl individuell im Lebensumfeld als auch in Schulen und Werkstätten im Rahmen der Gruppenprophylaxe angewendet werden sollten. Zur Verbesserung der Zahngesundheit dieser Klientel kann darüber hinaus auch eine präventionsorientierte Ernährungslenkung durch Angehörige und Betreuer beitragen. Nicht zuletzt gehören der regelmäßige Zahnarztbesuch mit professionellen Zahnreinigungen und Fluoridierungen zu den erforderlichen Maßnahmen.
Ziel der Gesundheitsversorgung für Menschen mit zahnmedizinisch relevanten Behinderungen muss es sein, für sie eine gleich gute Mundgesundheit wie die der übrigen Bevölkerung zu ermöglichen. Seitens der Zahnmedizin (KZBV, BZÄK) und ihrer wissenschaftlichen Fachgesellschaften wurde im Jahr 2010 das Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter – Konzept zur vertragszahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen“ mit Lösungsvorschlägen unterbreitet. Wissenschaftlich fundiert werden darin auch lebenslange präventive Leistungen und die Verankerung der Anspruchsberechtigung für Menschen mit zahnmedizinisch relevanten Behinderungen im § 22a SGB V gefordert [4]. Mit dem aktuellen Beschluss des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) erhalten nun Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige einen Anspruch auf ein Präventionsmanagement, das dieser Hochrisikogruppe für Karies- und Parodontalerkrankungen die Chance bietet, eine gleichwertige Zahn- und Mundgesundheit zu erreichen.