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Prophylaxe

Wie viel Fluorid darf es sein?

Kaum ein Wirkstoff bringt in der zahnmedizinischen Prävention so viel Nutzen wie Fluorid. Trotzdem gerät es immer einmal wieder in die Diskussion – zuletzt durch die Medienreaktion auf eine Studie zu einer möglichen Neurotoxizität von Fluorid. Dabei gibt es keinen Grund zur Beunruhigung. Sämtliche Risiken sind vermeidbar, wenn Empfehlungen zur Dosierung beachtet und alle Fluoridquellen berücksichtigt werden. Im Folgenden einige Fakten.

Fluorid – die Dosierung macht’s. dkimages/fotolia.de
Fluorid – die Dosierung macht’s.
Fluorid – die Dosierung macht’s.

Fluoride schützen die Zähne, indem sie die Remineralisierung unterstützen. Sie erleichtern einerseits den Einbau von Kalziumphosphaten in den Zahnschmelz und werden andererseits auch selbst in den Schmelz eingelagert. Fluoride können sich auch in einem Film um den Zahn legen, sodass Säure bereits in dieser Deckschicht neutralisiert werden kann und Mineralien gar nicht erst aus dem Zahnschmelz herausgelöst werden. Darüber hinaus bekämpfen Fluoride Bakterien direkt, indem sie deren Stoffwechsel stören und die Säureproduktion auf diese Weise hemmen.

Toxizität

Bekanntlich macht die Dosis das Gift. Auch für Fluoride gilt: in adäquaten Dosen präventiv wirksam, in der Überdosierung unbestritten gefährlich. Die sicher toxische Dosis (Certainly Toxic Dose; CTD) liegt bei 32 bis 64 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht, doch bereits eine Menge von 5 mg/kg gilt als kritische Schwelle, da bei Überschreiten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und Parästhesien auftreten können. Um diese Menge zu erreichen, müsste ein Erwachsener, der 70 kg wiegt, ungefähr 3 bis 4 Tuben Zahnpasta oder eine Tube Dental-Gel zu sich nehmen. Bei einem dreijährigen Kind mit einem Körpergewicht von 15 kg liegt die kritische Schwelle bei 75 mg, die tödliche Dosis bei ca. 480 bis 960 mg, was allerdings einer Menge von mindestens 13 Tuben Kinderzahncreme auf einmal entspricht.

Neurotoxizität

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Fluoride in hoher Dosis stehen im Verdacht, dass sie neurologische Defekte bei Ungeborenen auslösen können, die den Intelligenzquotienten dieser Kinder vermindern. So postulierte eine Untersuchung aus Mexiko unlängst, dass eine höhere Fluoridkonzentration im Mutterleib mit geringerer kindlicher Intelligenz assoziiert sei. Einbezogen wurden etwa 1.000 Schwangere und ihre Kinder 4 und 6 bis 12 Jahre nach der Geburt. Im Urin der Mutter, gewonnen während der Schwangerschaft, und dem der Kinder nach 6 bis 12 Jahren wurde der Fluoridgehalt gemessen. Bei den Kindern wurden Intelligenztests durchgeführt [1,2]. Die Studie aus Mexiko wird teils positiv beurteilt und als Warnung vor einer breiten systemischen Fluoridgabe oder Fluoridierung des Trinkwassers verstanden, teils kritisiert.

Allerdings lag dieser Studie eine systemische Fluoridierung über das Trinkwasser zugrunde, keine lokale Fluoridierung, wie sie in der Zahnmedizin im Vordergrund steht. Professor Dr. Ulrich Schiffner, Experte in der Kinderzahnheilkunde und Präventiven Zahnmedizin, stellt daher fest, dass man keinen Bezug zum Zähneputzen mit fluoridhaltigen Zahnpasten herstellen könne. Zudem beschreibe die Studie statistische Assoziationen, aber keine Kausalitäten. Und die Studie stehe in Widerspruch zu anderen Untersuchungen, die sich mit der gleichen Frage befasst haben. Weiter bemängelt Schiffner, dass der Urin als Stichprobe zu einem bestimmten Zeitpunkt und nicht – wie methodisch sicherer – über einen Zeitraum gesammelt wurde. Auch zweifelt er die Relevanz der festgestellten IQ-Unterschiede an. Er resümiert: „Die Empfehlungen zur Fluoridanwendung aus Gründen der Kariesprävention behalten sowohl für Schwangere als auch für Kinder ihre volle Gültigkeit“ [3].

Dentalfluorose

Folgen von Überdosierungen sind Dentalfluorose oder, im Extrem, das Auftreten einer Knochenfluorose. Meist tritt bei Patienten in Deutschland eine leichte Form der Dentalfluorose auf, bei der sich weiße bis braune Verfärbungen in Form von Flecken oder Streifen auf der Zahnschmelzoberfläche bilden. Man geht davon aus, dass die Fluoridaufnahme in den ersten beiden Lebensjahren – insbesondere die Zeit um den 6. sowie um den 24. Monat – die Fluorosebildung in den oberen bleibenden Frontzähnen beeinflusst. Eine Fluorose entsteht hierzulande vor allem durch Überdosierung von Fluoridtabletten oder durch das übermäßige Verschlucken von fluoridierter Zahnpasta – oftmals auch beides in Kombination.

Skelettfluorose

Werden mehr als 20 mg pro Tag aufgenommen, reagieren auch die Knochen mit Ausbildungen einer verhärteten und verdichteten Spongiosa und teilweise Verdickung der Kortikalis. Der Knochen verliert Elastizität, bricht also leichter.

Fluoridquellen

Als Quellen chronischer Fluoridvergiftung kommen nicht nur zahnmedizinische Produkte in Betracht, sondern auch fluoridreiche Lebensmittel und Getränke wie schwarzer Tee, Mineralwasser mit hohem Fluoridgehalt sowie das Leitungswasser in manchen Regionen und eine Fluoridexposition am Arbeitsplatz. Der Fluoridgehalt im Trinkwasser ist je nach Region in Deutschland unterschiedlich hoch. Wenn dieser über 0,7 mg pro Liter liegt, kann auf Fluoridtabletten verzichtet werden. Bei über 1 mg pro Liter sollte das Wasser nicht für Babynahrung verwendet werden.

Erstaunlich hohe Fluoridkonzentrationen kann schwarzer Tee enthalten. Der US-Wissenschaftler Gary Whitford wies in einer Untersuchung bis zu 9 mg pro Liter Fluorid nach. Die meisten Veröffentlichungen gehen von 1 bis 5 mg pro Liter schwarzen Tees aus. Whitford hatte vier Patienten mit der extrem seltenen Knochenfluorose ausgemacht. Ihnen war ein exzessiver Teekonsum gemeinsam: Sie tranken über die vergangenen 10 bis 30 Jahre pro Tag 3,5 bis 7 Liter Tee [4]. Schwangere sollten aufgrund der hohen Konzentrationen einen übermäßigen Konsum von schwarzem Tee vermeiden.

Empfohlene Dosierung

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) bestätigt in ihrer Leitlinie die kariespräventive Wirksamkeit von Fluorid [5]. Um einerseits Gefahren auszuschließen und andererseits eine ausreichende Prävention sicherzustellen, gibt sie Richtwerte vor.

Grundsätzlich muss bei der Fluoridierung stets die Gesamtmenge an Fluorid aus unterschiedlichen Quellen berücksichtigt werden. Bei Kindern unter 6 Jahren soll die tägliche Fluorid-Gesamtaufnahme 0,05 bis 0,07 mg/kg Körpergewicht nicht überschreiten! Systemisch soll Fluorid nur auf einem Weg zugeführt werden, also Tablette oder Speisesalz (die Aufnahme von mindestens 1 g fluoridiertem Haushaltsalz pro Tag entspricht 0,25 mg Fluorid). Bei Kleinkindern ist zu verhindern, dass sie hochkonzentrierte Fluoridpräparate hinunterschlucken.

Empfohlen wird fluoridhaltige Kinderzahnpasta (500 ppm Fluorid, als „dünnen Film“ auf die Zahnbürste aufbringen) zur Zahnpflege ab Durchbruch der ersten Milchzähne einmal am Tag. Ab dem Alter von zwei Jahren sollte zweimal täglich mit einer geringen Menge (ungefähr 5 mm langer Zahnpastastrang = erbsengroße Menge) fluoridhaltiger Kinderzahnpasta geputzt werden. Nach Durchbruch der ersten bleibenden Zähne: zweimal täglich eine Erwachsenenzahnpasta mit mindestens 1.000 ppm Fluorid verwenden.

Bei der professionellen Anwendung von Fluoridlack wurden auch bei Kleinkindern keine Nebeneffekte beobachtet. Bei Kindern und Jugendlichen, vor allem solchen mit erhöhtem Kariesrisiko, soll zweimal jährlich eine Applikation eines fluoridhaltigen Lackes erfolgen. Fluoridgele sollen unabhängig von bereits bestehenden Basisfluoridierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel fluoridhaltiger Zahnpasta, verwendet werden.

Als Basis für diese Faktensammlung wurde u.a. das Dossier „Fluoride – Nutzen, Schaden, Alternativen“ (November 2017) des wissenschaftlichen Informationsdienstes ZR ZahnmedizinReport genutzt. Das Dossier richtet sich an Zahnarztpraxen, aber auch an interessierte Patienten und kann via E-Mail unter keil@iww.de oder telefonisch unter der 02596 922-64 angefordert werden.

Dagmar Kromer-Busch  

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