Prophylaxe


Praxiskonzept: Prophylaxe-orientierte Kinderzahnheilkunde

Der kleine Drache „Fridolin“ im blauen Zimmer.
Der kleine Drache „Fridolin“ im blauen Zimmer.

„Für Kinder gedacht – für Kinder gemacht“, unter diesem Leitmotiv steht das Konzept der Kinderzahnarztpraxis Dr. Schenke und Kolleginnen in Regensburg. Die Praxis betreut Patienten vom frühen Kleinkind- bis ins Jugendalter. Das zahnärztliche Team sorgt für eine optimale Entwicklung der Zahngesundheit, indem Vorsorge bei den Kindern und Jugendlichen mit einer intensiven Beratung der Eltern verbunden wird.

Der erste Besuch bei der Zahnärztin oder beim Zahnarzt ist ein prägendes Erlebnis, das häufig über die zukünftige Zahngesundheit von Kindern mitentscheidet. Eine angenehm ruhige und entspannte Atmosphäre zu schaffen, ist gerade deswegen so wichtig. Der erste Zahnarztbesuch sollte als ein positives Erlebnis in Erinnerung bleiben, damit das Kind entspannt wiederkommt – vielleicht sogar mit Vorfreude.

Praxisambiente – mit Kinderaugen angeschaut

Damit sich Kinder in der Zahnarztpraxis wohlfühlen, sollte diese auf deren Bedürfnisse ausgerichtet sein. Um diese zu erkennen, empfiehlt es sich, die eigene Praxis einmal aus kindlicher Perspektive zu betrachten. Bunte Farben und eine Einrichtung auf Augenhöhe sprechen junge Patienten an.

Einige Bilder oder Attraktionen auf Augenhöhe der Kinder können ausreichen, um eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Die Praxisräumlichkeiten von Dr. Schenke und Kolleginnen berühren alle Sinne der Kinder: Sie werden direkt nach Betreten der Praxis in eine phantasievolle Märchenwelt entführt, in der mit ansprechenden Farben, Formen sowie Geräuschen eine kindgerechte Atmosphäre erzeugt wird.

Der Wartebereich ist als Märchenwald gestaltet, mit Büchern, Spielutensilien, Malsachen und Kuscheltieren; akustisch mit leisem Vogelgezwitscher unterlegt. Die Behandlungszimmer sind in unterschiedlichen, beruhigenden Farbtönen eingerichtet.

Auch hier gehören Kuscheltiere, wie zum Beispiel der Flamingo „Rosi“ oder der kleine Drache „Fridolin“, zur Einrichtung (Abb. 1 und 2). Für die Wartezeit oder wartende Geschwister sind auch in diesen Räumlichkeiten Bücher vorhanden, die jederzeit genutzt werden können.

  • Abb. 1: Der kleine Drache „Fridolin“ im blauen Zimmer.
  • Abb. 2: Die kleine „Rosi“ im pinken Zimmer.
  • Abb. 1: Der kleine Drache „Fridolin“ im blauen Zimmer.
    © Dr. Tabenski
  • Abb. 2: Die kleine „Rosi“ im pinken Zimmer.
    © Dr. Tabenski

Vorsorge vom ersten Zahn an

In der auf Kinder und Jugendliche spezialisierten Zahnarztpraxis liegt der Fokus auf Prophylaxe. Aufgrund jahrelanger Erfahrung aus Klinik, Lehre, Praxis und aus dem Besuch vieler Fortbildungen wurde ein eigenes Prophylaxekonzept entwickelt, das speziell auf die Bedürfnisse von Kinderzähnen in den verschiedenen Altersstufen zugeschnitten ist. Beim Blick auf die Prävalenz von Karies bei den Jüngsten wird deutlich, dass ein Prophylaxe-orientiertes Konzept von Anfang an seine Berechtigung hat.

Jedes siebte 3-jährige Kind in Deutschland weist bereits Karies auf, im Alter von 6 bis 7 Jahren hat fast die Hälfte der Kinder Karieserfahrung [1]. Dabei ist der Versorgungsgrad der kariösen Milchzähne sehr gering, was vermutlich auf eine eingeschränkte Kooperationsfähigkeit der Kleinkinder zurückzuführen ist [1,2].

Eine flächendeckende, frühzeitige Kariesprävention ab dem ersten Milchzahn erscheint daher unerlässlich. Milchzähne sollten gesund erhalten werden, da sie eine funktionelle, phonetische und ästhetische Rolle einnehmen und ihnen darüber hinaus eine wichtige Platzhalterfunktion für die bleibende Dentition zukommt. Ein frühzeitiger Milchzahnverlust sollte möglichst vermieden werden, um einer Fehlstellung der bleibenden Dentition vorzubeugen.

Zahnmedizinische Prophylaxe beinhaltet eine suffiziente häusliche Mundhygiene und gesunde Ernährung, aber auch regelmäßige Kontrollen in der Zahnarztpraxis spielen gerade für Kinder eine zentrale Rolle. Eine Aufklärung der Eltern bereits in der Schwangerschaft sowie eine auf das jeweilige Alter des Kindes abgestimmte Beratung tragen elementar zur Zahngesundheit unserer kleinsten Patienten bei.

Kommunikation in der Kinderzahnarztpraxis

  • Wartebereich grün

  • Wartebereich grün
    © Dr. Tabenski
Für die erfolgreiche Behandlung von Kindern in einer Zahnarztpraxis sind spezielle Ansätze nötig. Diese sollten kindgerecht, einfühlsam und spielerisch ausgerichtet sein. Die Kommunikation mit Kindern stellt für den behandelnden Zahnarzt/die Zahnärztin und das Team natürlich eine besondere Herausforderung dar.

Ein bestimmtes Wort oder ein Satz kann über Gelingen oder Nichtgelingen einer Behandlung oder ihre Dauer entscheiden [3]. Die Sprache des Behandlungsteams sollte dabei generell positiv geprägt sein. Ein bewährtes Prinzip ist die Tell-Show-Do-Technik [4].

Hierbei wird ein Gegenstand, wie z.B. das Wattestäbchen mit der Anfärbelösung für die dentale Plaque, und dessen Aufgabe kurz erklärt und gezeigt. Mit spielerischen Begriffen, wie z.B. „Zauberfarbe“, und der Demonstration am Finger des Kindes kann die Durchführung an den Zähnen häufig viel leichter erfolgen und wird von den Kindern oft sogar mit Neugier und Freude beobachtet.

Natürlich kann man auch weitere Hilfsmittel zur Hand nehmen, etwa einen kleinen Stofflöwen, „der sein Maul ganz weit aufreißt, um seine tollen Zähne zu zeigen, diese zählen und putzen zu lassen“. Ziel ist es dabei, dem Kind das Behandlungsumfeld mit all seinen Geräten und Instrumenten vertraut und interessanter zu machen.

Zusätzlich kann die kinderzahnärztliche Behandlung auch mithilfe eines Fernsehers, der unter der Decke befestigt ist, unterstützt werden. Im Allgemeinen gilt jedoch, sich auf das jeweilige Alter des Kindes einzulassen und sich Zeit zu nehmen, um das Kind erfolgreich durch die entsprechende Behandlung zu führen.

Altersgerechte Prophylaxe

Für die verschiedenen Alters- und Entwicklungsstufen eines Kindes sollte zudem ein individualisiertes Konzept zur professionellen Vorsorge und häuslichen Mundhygiene erstellt werden. Bei den Kinderzahnärzten Dr. Schenke und Kolleginnen werden Kinder in drei Altersgruppen aufgeteilt: 0 bis 5 Jahre, 6 bis 11 Jahre und 12 bis 16 Jahre. Nach Alter und Befund des Kindes wird entschieden, aus welchen Elementen sich die Prophylaxesitzung zusammensetzt.

Eine Kinderprophylaxe kann aus verschiedenen Bausteinen bestehen. Im Wesentlichen gehören zur Basisprophylaxe die Erhebung des Zahnstatus, ein Gespräch über gesunde Ernährung sowie die Kontrolle der aktuellen häuslichen Mundhygiene. Hierbei werden sowohl Eltern wie auch das Kind mittels spielerischer Gesprächsführung motiviert.

Diesen Abschnitt durchlaufen alle Kinder vom ersten Besuch an bis zum 16. Lebensjahr. Bei kariesaktiven Kindern sollten alle 4 Monate Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden. Kariesfreie Kinder können im 6-Monatsintervall zum Recall eingeladen werden.

Im Alter von 0–5 Jahren kontrolliert man zusätzlich den Zahndurchbruch sowie die Kieferentwicklung, aber auch Zungen- und Lippenbändchen sind zu beurteilen. Die Eltern werden nicht nur zu einer gesunden Ernährung, sondern auch über Schnuller- und Flaschenabusus aufgeklärt sowie über die richtige Fluoridanwendung informiert.

Sobald das Kind es zulässt, werden die Zähne vorsichtig von Zahnstein befreit und poliert. Hierfür eignen sich bestimmte Polierpasten mit angenehmem Geschmack, bestenfalls mit einer kleinen Auswahlmöglichkeit für das Kind. 

Plaque sichtbar machen für individuelle Mundhygiene-Instruktion

Ab dem 6. Lebensjahr wird in der Basisprophylaxe bei jeder Vorsorgeuntersuchung Plaque mittels einer Anfärbelösung sichtbar gemacht. Den Eltern und ihren Kindern können so Problemstellen aufgezeigt werden, und sie erhalten eine individuelle Putzinstruktion.

Alle Zahnoberflächen werden dann von weichen und harten Belägen gesäubert und anschließend mit einem hochdosierten Fluoridpräparat versorgt. Hierfür eignen sich insbesondere Lacke (Fluoridgehalt: 22.600 ppm), da sie durch ihre leicht zähe und klebrige Konsistenz eine gewisse Zeit auf der Zahnhartsubstanz verbleiben und somit ausreichend lange aufgenommen werden können. Für die häusliche Anwendung von fluoridhaltigen Präparaten zur Kariesprävention sollte auf die aktuelle Fluoridempfehlung von DGKiZ, DGZMK, DAJ und berufsständischen Verbänden der Pädiater und Hebammen verwiesen werden [5].

Natürlich ist es wichtig, die häusliche Fluoridanamnese abzufragen, um eine Überdosierung zu vermeiden. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat die Maximaldosis für Kinder im Alter von 1 bis 8 Jahren mit 0,1 mg/kg Körpergewicht pro Tag, für Kinder im Alter von 9 bis 14 Jahren mit 5 mg/Tag und für Jugendliche im Alter ab 15 Jahren mit 7 mg/Tag festgesetzt (EFSA, 2005) [6]. Grundsätzlich soll bei Fluoridierungsmaßnahmen die Gesamtfluoridaufnahme durch Verschlucken der entsprechenden Präparate und Fluoridaufnahme durch Nahrungsmittel bzw. Getränke einen Wert von 0,05 mg Fluorid/kg Körpergewicht pro Tag nicht überschreiten (EFSA, 2013).

Bei Kindern und Jugendlichen, v.a. solchen mit erhöhtem Kariesrisiko, sollte zweimal jährlich eine Applikation eines hochdosierten fluoridhaltigen Lackes erfolgen. Die lokale Fluoridlackapplikation kann unabhängig von bereits durchgeführten, breitenwirksamen Fluoridierungsmaßnahmen erfolgen. Bei Patienten mit stark erhöhtem Kariesrisiko sollte die Frequenz der Fluoridapplikation mehr als 2-mal (in der Regel 4-mal) pro Jahr betragen, weil dann eine verbesserte kariesreduzierende Wirkung zu erwarten ist [6].

Für die häusliche Fluoridanwendung sollte ab dem Durchbruch des ersten bleibenden Zahnes, ca. mit 6 Jahren, zusätzlich zur fluoridhaltigen Zahnpasta einmal wöchentlich ein höherdosiertes Fluoridpräparat verwendet werden. Hier beträgt der Fluoridgehalt ca. 12.500 ppm.

  • Abb. 3: Ein Zahnputzhäuschen.

  • Abb. 3: Ein Zahnputzhäuschen.
    © Dr. Tabenski
Zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr empfiehlt sich der Besuch der „Putzschule“. Sobald das Kind fließend Schreibschrift beherrscht, ist es auch manuell in der Lage, seine Zähne selbstständig zu reinigen. In der Putzschule wird individuell auf jedes Kind abgestimmt mit einer speziell geschulten zahnmedizinischen Fachangestellten ein Putztraining vor einem großen Spiegel durchgeführt (Abb. 3).

Das Kind bekommt eine adäquate Putztechnik sowie eine Systematik vermittelt, um sicherzustellen, dass alle Zahnflächen gründlich gereinigt werden. Auch hier werden „Schwachstellen“ aufgezeigt, um die häusliche Mundhygiene zu optimieren. Das Erlernte wird nach einem gewissen Zeitintervall kontrolliert und mittels eines Putzkalenders nachverfolgt.

In diesem Alter bewährt sich die KAI-Putztechnik. Sie soll bei Kindern die Motivation für die Zahnpflege steigern und die Entwicklung der Motorik unterstützen. KAI steht für die Reihenfolge der zu reinigenden Zahnflächen: K für Kauflächen, A für Außenflächen und I für die Innenflächen.

So soll sichergestellt werden, dass immer nach dem gleichen Schema vorgegangen und kein Zahn ausgelassen wird. Die Kauflächen sollten in schrubbenden Bewegungen, die Außenflächen mit kreisenden und die Innenflächen mit auswischenden Bewegungen, von „rot“ nach „weiß“ gereinigt werden.

Ein weiterer Baustein der Prophylaxe ist die Durchführung der Fissurenversiegelung der bleibenden Molaren, welche idealerweise 6 Monate nach Zahndurchbruch durchgeführt werden sollte. Die Compliance des Kindes bestimmt den Zeitpunkt: Sollte das Kind noch nicht in der Lage sein, den Mund ausreichend offen zu halten und gut mitzuarbeiten, kann ein erneuter Versuch in 4 bis 6 Monaten gestartet werden.

Zeigen sich bei der Vorsorgeuntersuchung Auffälligkeiten, wie zum Beispiel Bildung von Zahnstein oder stärkeren Verfärbungen, oder liegt eine sehr schlechte Mundhygiene vor, sollte man zusätzliche Hilfsmittel in Betracht ziehen. Dann kann es sinnvoll sein, eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) bereits bei Kindern durchzuführen, um Zahnstein, Verfärbungen und weiche Beläge vorsichtig zu entfernen. Eine PZR kann, je nach Compliance des Kindes, 1- bis 2-mal jährlich empfohlen werden.

Für Kinder und Jugendliche mit festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen („feste Spange“) ist eine PZR definitiv 2-mal jährlich anzuraten, da solche Apparaturen die häusliche Mundhygiene erheblich erschweren. Ausführliche Mundhygieneinstruktionen sind unumgänglich, um Patienten während der KFO-Behandlung zu unterstützen und „bösen Überraschungen“ im Sinne von Karies an den durch die Apparatur geschaffenen Plaque-Retentionsstellen vorzubeugen. Diese Patienten bekommen entsprechende Mundhygieneartikel, wie z.B. Interdentalbürstchen, gezeigt und erlernen mit Unterstützung der Prophylaxehelferin die richtige Anwendung.

Ab dem 12. Lebensjahr befindet sich das Kind meist schon im bleibenden Gebiss bzw. in der Endphase des Wechselgebisses. Hier zeigt sich vermehrt eine Unlust zum Zähneputzen. Daher müssen Kinder in dieser Phase besonders motiviert werden. Neben regelmäßigen Kontrollen, Mundhygieneinstruktionen, Ernährungsberatung und Fluoridierung sollte einmal jährlich auch eine PZR angeraten werden, bei sehr schlechter Mundhygiene auch 2-mal jährlich.

  • Abb. 4: Ausschnitte aus dem Prophylaxepass für die Altersgruppe 6 bis 11 Jahre bzw. 12 bis 16 Jahre.

  • Abb. 4: Ausschnitte aus dem Prophylaxepass für die Altersgruppe 6 bis 11 Jahre bzw. 12 bis 16 Jahre.
    © Dr. Tabenski
Um den Eltern und Kindern einen kleinen Leitfaden mit an die Hand geben zu können, haben die Kinderzahnärzte Dr. Schenke und Kolleginnen ein „Prophylaxeheft“ für die Altersklassen 6 bis 11 Jahre und 12 bis 16 Jahre erstellt (Abb. 4). Im Alter von 0 bis 6 Jahren erfolgt die Dokumentation im zahnärztlichen Kinderpass. Dieser kann in das gelbe U-Heft vom Kinderarzt eingelegt werden, damit eine Rückkoppelung zwischen Zahnarzt und Kinderarzt gewährleistet ist.

Fazit

Prophylaxe in der Kinderzahnmedizin setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen und eine gute Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt bzw. Zahnärztin, Team, Kind und Eltern ist unabdingbar. Für das einzelne Kind sollte man sich ausreichend Zeit nehmen.

Eltern sowie die Kinder selbst sollten ausführlich beraten werden. Regelmäßige Kontrollen sind unerlässlich, um eine optimale Mundgesundheit sicherzustellen und bereits in jungen Jahren das Bewusstsein hierfür zu stärken.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Isabelle Tabenski