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Prophylaxe

Praktische Tipps und Hilfsmittel für die Frühuntersuchung

Die zahnärztliche Frühuntersuchung bei sehr jungen Kindern ist für das gesamte Team eine sozial-emotionale Herausforderung. Das Personal und der Zahnarzt müssen auf das Kind empathisch eingehen, um einen Kontakt zu ihm herzustellen und seine Aufmerksamkeit zu wecken. Um das Interesse kleiner Kinder zu fesseln, erweisen sich ausgewählte Hilfsmittel als sehr geeignet. Auch Eltern können über Demonstrationsmaterial einprägsam zu Zahngesundheit und Ernährung informiert werden. Im Folgenden gibt eine erfahrene Dentalhygienikerin Tipps aus ihrem Erfahrungswissen, insbesondere zu ihrem Einsatz von Hilfsmitteln.

Auswahl an Kinderzahnbürsten. Braun
Auswahl an Kinderzahnbürsten.
Auswahl an Kinderzahnbürsten.

Nach über 30 Jahren Prophylaxeangebot in Deutschland sind PZR bei Erwachsenen sowie die Individualprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen fest etabliert. Wie die Mundgesundheitsstudien zeigten, konnte in dieser Zeit ein Rückgang der Kariesprävalenz bei Kindern und Erwachsenen erreicht werden. Allerdings stellt die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries) im Milchgebiss nach wie vor eine Herausforderung dar [1,2], weshalb 2019 Vorsorgeuntersuchungen für Kinder zwischen 0 und 3 Jahren eingeführt worden sind (Tab. 1).

Tab. 1: Abrechnungshinweise zu den Frühuntersuchungen. Mit Wirkung zum 01. Juli 2019 sind die  Früherkennungsuntersuchungen und Fluoridierung mit folgenden
Gebührenpositionen erweitert bzw. neu definiert worden. Braun
Tab. 1: Abrechnungshinweise zu den Frühuntersuchungen. Mit Wirkung zum 01. Juli 2019 sind die Früherkennungsuntersuchungen und Fluoridierung mit folgenden
Gebührenpositionen erweitert bzw. neu definiert worden.

Diese Frühuntersuchungen (6.–33. Lebensmonat) konnten innerhalb eines Jahres nach Einführung sicherlich noch nicht flächendeckend umgesetzt werden. Praxen, die Frühuntersuchungen gerade etablieren, benötigen kreative und praxisorientierte Lösungen, um diese Sitzungen zielorientiert in angenehmer Atmosphäre durchzuführen. Im Folgenden liegt der Fokus auf den Hilfsmitteln, die eine kindgerechte Durchführung der FU1-Sitzungen erleichtern können. Welche Hilfsmittel zum Einsatz kommen, hängt zum einen von der Sitzung (FU 1a, b oder c) ab, da die kindliche Entwicklung in diesem Alter rasch voranschreitet, zum anderen kommt es auch darauf an, ob der Patient zum ersten Mal die Praxis betritt oder bereits Zahnarzterfahrungen mitbringt bzw. welche Vorerfahrungen die Eltern haben.

Umgang mit Hygienevorschriften zur Corona-Pandemie

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Im Zuge der verschärften Hygienegebote während der Corona-Pandemie soll körperlicher Kontakt zum Patienten weitgehend

vermieden werden und der Mund-Nasen-Schutz sollte stets getragen werden. Für die jüngsten Patienten mit ihren Eltern ist so ein angstfreies, freudiges Kennenlernen von Zahnarzt und Praxis schwieriger gestaltbar. Etwas Fantasie kann in der gegenwärtigen Situation aber durchaus hilfreich sein: Ein bunter Mund-Nasen-Schutz oder ein darauf aufgemalter Smiley spricht Kinder an. Darüber hinaus können sie die Zugewandtheit und Freundlichkeit des Teams auch aus der Stimme oder im Augenkontakt erkennen. 

Inspektion der Mundhöhle

Ein auf dem Markt erhältlicher oder individuell von der Praxis erstellter Anamnesebogen hilft, eine Familienanamnese und die Anamnese des Kindes zu erstellen. Empfehlenswert erscheinen kombinierte Anamneseblätter zur Allgemein-, Ernährungs- und Fluorid-Vorgeschichte. Informationen zur Mundhygiene sowie zu sozialen Aspekten sind wichtig; so sollte nachgefragt werden, wie viele Kinder im Haushalt leben, wer wann die Zähne beim Patienten putzt und ob sich das Baby/Kleinkind bereits in einer Betreuung befindet. Je mehr Informationen eingeholt werden, desto genauer kann die Frühuntersuchung auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt werden. Auf dieser Basis können Risikofaktoren für die Zahn- und Kieferentwicklung frühzeitig erkannt werden.

Abb. 1: Auf dem Schoß der Bezugsperson macht der Zahnarztbesuch oft weniger Angst. Braun
Abb. 1: Auf dem Schoß der Bezugsperson macht der Zahnarztbesuch oft weniger Angst.

Um die Angst vor der unbekannten Situation zu nehmen, können die kleinen Patienten selbstverständlich auf dem Arm/Schoß der im Behandlungsstuhl sitzenden Bezugsperson liegen oder sitzen (Abb. 1). Dann kann der „Aufzug“ – so eine kindgerechte Bezeichnung – vorsichtig hoch- oder heruntergefahren werden, der Spiegel und die „Sonne, die auf die Zähne scheint“, kommen zum Einsatz. Beim Erheben des intraoralen Befunds sollten Zahnarzt und Team sehr vorsichtig vorgehen und stets die Reaktion des Kindes im Auge behalten. Werden Auffälligkeiten festgestellt, sollten diese den Eltern genau erklärt und Therapiemöglichkeiten bzw. eine bessere häusliche Mundhygiene oder Ernährungsumstellung besprochen werden.

Mögliche Hilfsmittel: 

  • Handspiegel mit Vergrößerung – mit diesem Hilfsmittel lassen sich Zähne gemeinsam begutachten und Fragen beantworten: Sind bereits Zähne vorhanden; welche, wie viele? Mit dem Kleinkind kann man darüber sprechen, warum/zu welchem Zweck der Mensch Zähne braucht.
  • Eine intraorale Kamera kann bereits ab FU 1b eingesetzt werden. Anfangs noch extraoral, später intraoral. Für alle Beteiligten sehr interessant und lustig, da Patienten sonst kaum die Möglichkeiten haben, das eigene Gebiss in dieser (vergrößerten) Form zu sehen.
  • Hand- und Therapiepuppen sind für die FU 1b und c zu empfehlen, da Kleinkinder sich davon beeindrucken lassen und in der Interaktion das Hier und Jetzt vergessen. Ideal auch für ängstliche Kinder.
  • Ein Styroporzahn ist ideal, um 2- bis 3-Jährigen die Kariesentstehung zu erklären. Das Kind hält, wenn möglich, den Styroporzahn selbst und die Prophylaxeassistenz tröpfelt mithilfe einer Pipette Aceton („flüssige Schokolade“) auf die Kaufläche des Styroporzahns. Im Nu wird sich die Oberfläche auflösen und die Erklärung zur Karies („Zahnfäule“) prägt sich so nachhaltig ein. Das Legen einer Zahnfüllung lässt sich am Styroporzahn mit Kinder-Bastel-Knete demonstrieren (Abb. 2).
  • Zahnmodell, auf welchem Zahnfleischerkrankungen und Karies zu erkennen sind (zur Unterstützung der Unterweisung der Eltern).
  • Flipcharts, auf denen Schritt für Schritt die einzelnen Erkrankungsschritte aufgezeigt werden (ebenfalls für die Elterninformation).

Ernährungs- und Mundhygieneberatung

Ziel der Ernährungs- und Mundhygieneberatung ist es, den Konsum zuckerhaltiger Speisen und Getränke beim Kleinkind zu verringern sowie eine gute Mundhygiene zu etablieren. Spezielle Anamneseformblätter zur Ernährung können helfen, wichtige Informationen effizient aufzunehmen, um sie anschließend mit einem Elternteil zu besprechen. Unbedingt erfragt werden sollte, ob das Kind gestillt wird/wurde, ob Nuckelflaschen gegeben werden, wie es um sonstige Ess- und Trinkgewohnheiten steht. Und: Wird das Kind von weiteren Personen betreut, die evtl. abweichende Vorstellungen haben?

Während der Ernährungsberatung sollte den Eltern vermittelt werden, dass die Häufigkeit der zuckerhaltigen Mahlzeiten und säurehaltigen Getränke, die dem Kind über Tag/Nacht angeboten werden, geringgehalten werden sollte. Nur so kann eine ausreichende Remineralisierung der Zahnsubstanz gewährleistet werden. Für die meisten Eltern ist es überraschend, dass Bakterien im Biofilm Zuckerarten wie z.B. Saccharose, Fructose oder Glucose gleichermaßen verstoffwechseln und Säuren bilden, die den Zahnschmelz demineralisieren. Karies ist vorprogrammiert, wenn Säure über Tag und nachts in kurzen Abständen einwirkt und/oder die Mundhygiene unzureichend ist. Das sollten junge Eltern unbedingt erfahren.

Mögliche Hilfsmittel: 

  • Die Ernährungstafel ist ein hervorragendes Mittel, Nahrungsmittel anschaulich in gute (zahngesunde) und schlechte (nicht zahngesunde) einzugruppieren. Dazu eignen sich eine Filz- oder Magnettafel und die entsprechenden Holz- oder Papierlebensmittel (im Spielzeuggeschäft erhältlich).
  • Stark zuckerhaltige Lebensmittel, z.B. Apfelsaft, Kindertees, Joghurt, Kinderbrei zur Demonstration für die Eltern.
  • Zahnfreundliche Alternativen: Kaugummis, Dragees oder Süßigkeiten mit dem Zahnmännchen sollen gezeigt und die Besonderheit erklärt werden.

Fluoridierung

Die angemessene Anwendung von Fluoriden zum Kariesschutz gilt heute wissenschaftlich als wirksam und absolut unbedenklich [3]. Doch wie immer macht die Dosis das Gift, so kann auch Fluorid bei einer Überdosierung schädlich sein [3]. Bevor Fluoridempfehlungen abgegeben werden können, muss zunächst die Fluoridanamnese, d.h. die Erfassung aller Fluoridquellen, durch die das Kind mit Fluorid versorgt wird, erhoben werden. Dazu zählen Zahncreme, Fluoridtabletten, fluoridiertes Speisesalz, Fluorid-Lacke, Mineralwasser, Trinkwasser oder in speziellen Fällen eine Diäternährung.

Nicht ganz unwichtig erscheint bei der Beratung die Grundhaltung der Eltern zu Fluorid. In den meisten Fällen weicht vorhandene Skepsis, wenn die Eltern ausreichend aufgeklärt werden: Wo liegt der Unterschied zwischen Fluor und Fluorid, wo ist Fluorid enthalten, wie ist die Wirkungsweise und unter welchen Bedingungen entstehen Nebenwirkungen? Für manche ist die Klärung dieser Fragen wichtig. Ohne die Einwilligung der Eltern darf selbstverständlich keine Fluoridierung in der Praxis durchgeführt werden.

Die aktuellen Fluoridierungsempfehlungen in Kinderzahnpasten wurden 2018 geändert und sollten bei der Beratung beachtet werden (Tab. 2). Empfehlungen zur Fluoridierung bietet die Informationsstelle für Kariesprophylaxe*.

Tab. 2: Empfohlene Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten (Quelle: BZÄK, nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde, Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin, Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung, Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes, Bundeszahnärztekammer. Stand: 27.09.2018). Braun
Tab. 2: Empfohlene Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten (Quelle: BZÄK, nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde, Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin, Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung, Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen
Gesundheitsdienstes, Bundeszahnärztekammer. Stand: 27.09.2018).

Mögliche Hilfsmittel: 

  • Fluoridtabletten und fluoridiertes Speisesalz als Demomaterial; beides sollen die Eltern in Originalpackungen sehen, damit gerade Speisesalz mit Fluorid bewusster im Supermarkt wahrgenommen wird. Nach dem zahnmedizinischen Wissensstand ist der systemischen Fluoridierung mit Speisesalz Vorrang zu geben [3].

Anleitung zur Mundhygiene

Bereits früh sollte eine regelmäßige und systematische Zahnpflege mit dem Kind gemeinsam trainiert werden. In der aktiven Zahnungsphase dürfen die Kinder die Zähne zunächst selbst putzen und die Eltern putzen nach. Abgestimmt auf die Motorik des Kindes kann hier Schritt für Schritt die KAI-Putztechnik eingeführt werden. Um die Geschicklichkeit und Gewohnheiten in der Praxis zu erfassen und auf Schwachstellen aufmerksam zu werden, empfiehlt es sich, immer zuerst das Kind oder die Mutter/den Vater am Modell putzen zu lassen. Danach kann basierend auf bestehenden Gewohnheiten die Mundhygiene optimiert werden. Wichtig ist hierbei nicht nur das Vorzeigen am Modell, sondern insbesondere das nachfolgende Putzen im Mund des Patienten (mit Unterstützung).

Mögliche Hilfsmittel zur Beratung und zur praktischen Anleitung: 

  • Großes Zahnmodell mit entsprechend großer Zahnbürste und (Rasier-)Schaum. Hier muss unbedingt der Behälter außen mit Farbpapier überklebt werden. Unter Berücksichtigung der motorischen Fähigkeiten der Altersgruppe machen diese Putzübungen jedem Kind großen Spaß (Abb. 3).
  • Diverse Kinderzahnpasten als Demomaterial. Empfehlenswert ist eine neutral schmeckende Kinderzahnpaste mit Fluoridgehalt von maximal 1.000 ppm (Tab. 2).
  • Kleines Zahnmodell mit altersentsprechender Handzahnbürste (für die Elterndemonstration).
  • Fingerlinge, Einmalzahnbürsten (siehe Titelbild) und Kinderzahnpasta, um die vorab geübte Technik in der Mundhöhle des Patienten umzusetzen.
  • Sanduhr zeigt Eltern und (später) dem Kind die erforderliche Mindestputzzeit an.
    Abb. 3: Zahnmodell mit großen Zahnbürsten, Mundspiegel und Rasierschaum als Zahncreme für die Putzübung des Kindes. Braun
    Abb. 3: Zahnmodell mit großen Zahnbürsten, Mundspiegel und Rasierschaum als Zahncreme für die Putzübung des Kindes.

Das Entfernen von weichen und, wenn vorhanden, harten Belägen ist auch bei den Jüngsten einen Versuch wert. Meist ist dies auch bei sehr jungen Patienten möglich, wenn man verspricht, den Zahn „blitzblank zu putzen“. Hier bieten sich wohlschmeckende Reinigungspasten an.

Fazit

Bei der Auswahl an Hilfsmitteln wird deutlich: vieles kann, nichts muss und schon gar nicht zu viel auf einmal! Die Kunst, eine FU1-Sitzung erfolgreich durchzuführen, liegt darin, sie so abwechslungsreich und interessant wie nur möglich zu gestalten. Große und kleine Besucher müssen die häusliche Mundpflege und eine gesunde Ernährung nahegebracht bekommen – am besten spielerisch und mit vielen Tipps für den Alltag versehen. Damit leistet das gesamte Praxisteam einen großen Beitrag zur Zahn- und Mundgesundheit der Kleinsten. Und alle haben Spaß dabei.

*Zahnarztpraxen können hier kostenlos einen "Fluoridfahrplan" als Abreiß-Block sowie Broschüren zur Patientenaufklärung erhalten. 

Eine Sammlung hilfreicher Tipps zur Mundgesundheit und Ernährung, die jungen Eltern im Rahmen der FU1 mitgegeben werden können, sind hier abrufbar.

Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

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