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Teil 1: Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems

Pharmakotherapie-Update für Zahnärztinnen und Zahnärzte

Im März 2018 kamen eine Gruppe von Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie ein klinischer Pharmakologe zu einer Fortbildungsveranstaltung zusammen, um über den aktuellen Stand der Pharmakotherapie und die Relevanz verschiedener Arzneimittelgruppen für den klinischen zahnärztlichen Praxisalltag zu diskutieren. Nachfolgend soll im Rahmen eines mehrteiligen Beitrages über die Ergebnisse berichtet werden. Im vorliegenden 1. Teil stehen Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems im Fokus.

Bei der Pharmakotherapie gilt es auch für den Zahnarzt einiges zu beachten. minoandriani/Fotolia.com
Bei der Pharmakotherapie gilt es auch für den Zahnarzt einiges zu beachten.
Bei der Pharmakotherapie gilt es auch für den Zahnarzt einiges zu beachten.

Auf der insgesamt achtstündigen Fortbildungsveranstaltung standen mehrere Fragenbereiche zur Diskussion. Vollständigkeit der Themen war nicht der Anspruch bei der Themenauswahl. So galt es folgende Fragen zu besprechen:

  • Welche Arzneimittel verwenden heutzutage Patienten, die in die Zahnarztpraxis kommen und einen Medikationsplan vorlegen? Und beeinflusst eine solche Verwendung gegebenenfalls das zahnärztliche Vorgehen?
  • Welche Arzneimittel verordne ich als Zahnarzt/Zahnärztin evtl. selbst? Gibt es dafür besondere Gesichtspunkte, die zu beachten sind?
  • Gibt es übergeordnete Themen, die für die Pharmakotherapie wichtig sein können?

Die Antworten auf diese Fragen bzw. die Ergebnisse der Veranstaltung werden in dieser und in den folgenden Ausgaben zusammenfassend vorgestellt. Weiterführende Quellentexte sind im Text mit eckigen Klammern referenziert und im Literaturverzeichnis gelistet.

Erkrankungen der Atemwege

Asthma bronchiale

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Asthma bronchiale ist eine heterogene Erkrankung, die durch eine chronische Entzündung der Atemwege charakterisiert ist. Sie ist gekennzeichnet durch das Auftreten zeitlich und in Intensität variierender Symptome wie Atemnot, Giemen (krankhaftes Geräusch beim Auskultieren der Lunge), Brustenge und Husten sowie durch eine bronchiale Hyperreagibilität [1]. Dadurch sind die Angriffspunkte der Pharmakotherapie bereits genannt – die Hemmung der Entzündung und die Bronchodilatation: Die Entzündung wird durch inhalative Corticosteroide (ICS, wie z.B. Budesonid, Beclometason, Fluticason, Ciclesonid, Mometason o.a.) und die Bronchokonstriktion durch kurzwirksame inhalative Beta-2-Sympathomimetika (wie z.B. Fenoterol, Salbutamol, Terbutalin u.a.) behandelt [1]. Die meisten Asthma-Patienten haben solche Inhalativa auf ihrem Medikationsplan. Die ICS bilden die Basis der Langzeittherapie [1]. Ein kurzwirksames inhalatives Beta- 2-Sympathomimetikum wird im Anfall oder beim sich anbahnenden Anfall verwendet und sollte vom Asthma-Patienten mitgeführt werden. Es kann in begründeten Fällen durch Ipratropium, ein kurzwirksames Anticholinergikum, ergänzt oder ersetzt werden. Ipratropium kann eine Mundtrockenheit bewirken bzw. begünstigen.

Die menschlichen Atemwege. OpenClipart-Vectors/Pixabay.com
Die menschlichen Atemwege.

In höheren Stadien der Asthmaerkrankung treten weitere Pharmaka hinzu. Vorrangig sind hier langwirksame inhalative Beta- 2-Sympathomimetika (z.B. Formoterol, Salmeterol), die oft in fixer Kombination mit einem ICS verwendet werden. Theophyllin hat in der Langzeitbehandlung des Asthmas keinen Stellenwert mehr [1]. Hingegen können inzwischen in einzelnen Fällen subkutan appliziertes Omalizumab bzw. Mepolizumab zum Therapieplan gehören. ICS können zu Mundsoor führen, der mit Nystatin in der Regel problemlos zu behandeln ist. Weitere ambulant-zahnärztlich relevante Nebenwirkungen durch diese Mittel werden nicht gesehen. In begründeten Fällen kommt auch Montelukast, ein oral anwendbarer Leukotrien-Rezeptor-Antagonist, zum Einsatz. Zentrale Bedeutung für die Versorgung von Asthma-Patienten haben diese Mittel bislang nicht erlangt.

Ein kurzwirksames inhalatives Beta-2-Sympathomimetikum (z.B. Salbutamol) ist in der zahnärztlichen Praxis für den auftretenden Bedarfsfall vorzuhalten. Wenn ein Asthma-Patient es benötigt, aber momentan nicht bei sich führen sollte, wird dies für sinnvoll erachtet. Ein Übersichtsartikel [3] empfiehlt dazu: „Sollten Patienten ihren Inhalator nicht mitgebracht haben, empfiehlt es sich, einen Salbutamol-Inhalator für Notfälle bereitzuhalten. Salbutamol ist das Mittel der Wahl, es wirkt schnell mit einer Wirkdauer von 4 bis 6 Stunden. Wenn der Asthma-Anfall nicht abklingt, sollten weitere Salbutamol-Dosen von einem Hub alle 30 Sekunden bis zu einer Gesamtmenge von 10 Hüben gegeben und der Rettungsdienst gerufen werden. Salbutamol kann nach 15 Min. wiederholt verabreicht werden.“ [3]

Chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD)

Auch zur medikamentösen Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) werden Beta-2-Sympathomimetika und ICS verwendet. Einen höheren Stellenwert als beim Asthma bronchiale haben bei der COPD die Anticholinergika. Bei der COPD gehören langwirksame Anticholinergika (z.B. Tiotropium, Glycopyrronium, Umeclidinium u.a.) meist zum Management dazu. Mundtrockenheit durch Anticholinergika ist eine mögliche Nebenwirkung, die zahnärztliche Bedeutung hat [2]. Roflumilast, ein Phosphodiesterase-4-Inhibitor, ist indiziert bei COPDPatienten mit schwerer und sehr schwerer Atemflusslimitierung, mit Symptomen einer Bronchitis und häufigen Exazerbationen als Add-on-Therapie zu mindestens einem langwirksamen Bronchodilatator [2]. Zahnärztlich wichtige Neben- oder Wechselwirkungen durch diese COPD-Mittel werden darüber hinaus nicht gesehen. Für den Verlauf der COPD und die Prognose des Patienten hat die Beendigung des Tabakrauchens vorrangige Bedeutung.

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems

Koronare Herzerkrankung

Patienten mit chronischer koronarer Herzerkrankung (KHK) erhalten in der Regel einen Thrombozytenaggregationshemmer, meist Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg. Nach Stentimplantation kommt vorübergehend (z.B. ein Jahr) zusätzlich ein weiterer Wirkstoff hinzu, z.B. Clopidogrel oder Prasugrel oder Ticagrelor, im Sinne einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung. Zahnärztlich bedeutsam ist, dass dann mit einer erhöhten Blutungsneigung bei Eingriffen zu rechnen ist. Angesichts der nachgewiesenen Wirksamkeit dieser antithrombotischen Behandlung für die Prophylaxe (weiterer) kardiovaskulärer Ereignisse sollte diese Therapie möglichst ohne Unterbrechung bzw. ein etwaiges Absetzen nicht ohne Rücksprache mit dem/der Hausarzt/ärztin erfolgen. Ist eine Reduktion der antithrombotischen Behandlung in absehbarer Zeit vorgesehen (wie z.B. bei Stent-Patienten nach Ablauf des Zeitraums der dualen Thrombozytenaggregationshemmung), ist es eventuell sinnvoll, einen elektiven (zahnärztlichen oder anderen) Eingriff zunächst aufzuschieben.

Etwaige Komorbiditäten (wie z.B. Vorhofflimmern, siehe Abschnitt „Herzrhythmusstörungen“), die eine Antikoagulation erfordern und zusätzlich zu einer KHK vorliegen können, sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Die Nationale VersorgungsLeitlinie KHK [4] sagt dazu: „Liegt bei Patientinnen/ Patienten mit KHK eine Indikation zur oralen Antikoagulation (OAK) vor, müssen der Nutzen und die Gefahren der Kombination von oralen Antikoagulanzien und der zusätzlichen Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und/oder Clopidogrel (duale oder Triple-Therapie) abgewogen werden.

Das Herz-Kreislauf-System des Menschen. ap_i/Fotolia.com
Das Herz-Kreislauf-System des Menschen.

Das Blutungsrisiko steigt mit jedem zusätzlichen Wirkstoff, der die Blutgerinnung beeinflusst.“ Daraus kann im Einzelfall die Sinnhaftigkeit erwachsen, einen zahnärztlichen Eingriff – je nach seinem individuellen Blutungsrisiko – bevorzugt in einer Klinik durchzuführen (siehe Abschnitt „Antithrombotische Therapie“).

Zusätzlich erhalten KHK-Patienten aus prognostischer Indikation regelhaft auch einen Lipidsenker. Standard dafür ist derzeit ein Statin (z.B. Simvastatin, Pravastatin, Atorvastatin o.a.). Eine notwendige Konsequenz aus der Statin-Therapie für die zahnärztliche Behandlung wird nicht gesehen.

Ein Betablocker (korrekterweise Beta-Adrenozeptorenblocker genannt, z.B. Metoprolol oder Bisoprolol o.a.) gehört ebenso zur Standardbehandlung eines KHK-Patienten. Betablocker haben einen besonderen prognostischen Stellenwert in der Sekundärprophylaxe des Myokardinfarkts. Eine relevante Wechselwirkung mit Adrenalin als Vasokonstriktor bei einer Lokalanästhesie ist normalerweise nicht zu erwarten, wenn Adrenalin (Epinephrin, Suprarenin) strikt extravasal ins Gewebe appliziert wird. Bei Patienten, die nichtkardioselektive Betablocker (wie Propranolol, das für die Behandlung der Herzinsuffizienz keine Zulassung hat und heutzutage insgesamt kaum mehr eingesetzt wird) einnehmen, darf Adrenalin in der Lokalanästhesie nicht angewendet werden – wegen der Gefahr einer hypertensiven Krise oder schweren Bradykardie (siehe Fachinformation Ultracain®-Suprarenin®). Von den zur Behandlung der Herzinsuffizienz zugelassenen Betablockern zählt nur Carvedilol zur Gruppe der nichtkardioselektiven Betablocker; kardioselektiv sind dagegen Metoprolol, Bisoprolol und Nebivolol.

KHK-Patienten, die einen Myokardinfarkt in ihrer Vorgeschichte haben, erhalten oft auch einen ACE-Hemmer (siehe Abschnitt „Herzinsuffizienz“ zu Aspekten der Therapie mit ACEHemmern). Angina-pectoris-Anfälle können auch in der Zahnarztpraxis auftreten, sind aber angesichts der in den vergangenen Jahren weiter verbesserten Therapie von KHK-Patienten seltener geworden. Glyceroltrinitrat („Nitroglycerin“) in der Zahnarztpraxis vorzuhalten, wird gleichwohl als sinnvoll erachtet [5]. Es ist auch zur Behandlung einer hypertensiven Krise (siehe Abschnitt „Arterielle Hypertonie“) wirksam. Nebenwirkungen von Nitrospray umfassen Blutdruckabfall (bis hin zum Kreislaufkollaps) und Kopfschmerzen. Zum Vorgehen bei einem Angina-pectoris-Anfall bzw. einem akuten Koronarsyndrom (einschließlich Myokardinfarkt) in der Zahnarztpraxis haben Mathers et al. [5] jeweils einen hilfreichen Algorithmus erarbeitet und vorgeschlagen.

Antithrombotische Therapie (mit Thrombozytenaggregationshemmern und/oder Antikoagulanzien)

Eine antithrombotische Therapie besteht meist aus einem Antikoagulans oder ein bzw. zwei (wie nach Stentimplantation) Thrombozytenaggregationshemmern oder evtl. einer Kombination dieser beiden Therapieprinzipien. Eine Antikoagulation benötigen Patienten aufgrund verschiedener Indikationen. Dazu gehören z.B. Vorhofflimmern (mit dem Ziel der Schlaganfallprophylaxe, siehe Abschnitt „Herzrhythmusstörungen“), Zustand nach Beinvenenthrombose bzw. Lungenembolie (mit dem Ziel der Rezidivprophylaxe) und künstliche Herzklappen (mit dem Ziel der Prävention von Klappenthrombosen und Embolien) sowie weitere Indikationen. Eine Antikoagulation bewirkt grundsätzlich ein erhöhtes Blutungsrisiko, auch bei entsprechenden zahnärztlichen Eingriffen. Dabei spielt es keine relevante Rolle, ob die Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten (d.h. einem Cumarin wie Phenprocoumon) oder einem neuen oralen Antikoagulans (NOAC, z.B. Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) erfolgt.

Diese Erhöhung des Blutungsrisikos sollte vor einer zahnärztlichen Behandlung berücksichtigt werden. Im Fall einer Cumarin-Therapie sollte dafür der aktuelle Wert der International Normalized Ratio (INR) vorliegen und dahingehend berücksichtigt werden, dass er nicht unbegründet über dem therapeutisch angestrebten Bereich (INR je nach Indikation, meist zwischen 2,0 und 3,0, bei Patienten mit künstlichen Herzklappen evtl. höher) liegen sollte. Für NOACs entfällt diese Möglichkeit der Beurteilung der aktuellen Wirkstärke, weil hier weder die INR noch bislang andere Laborparameter ohne Weiteres eine adäquate Beurteilung des individuellen Blutungsrisikos erlauben. Eine zusätzliche Erhöhung des Blutungsrisikos infolge einer Antikoagulation besteht für die Patienten, die darüber hinaus eine Thrombozytenaggregationshemmung durchführen (siehe Abschnitt „Koronare Herzerkrankung“).

Herzinsuffizienz

Ein ACE-Hemmer gehört zur Standardmedikation bei chronischer systolischer Herzinsuffizienz bereits ab dem niedrigsten Stadium der Erkrankung [6]. „ACE“ steht für Angiotensin Converting Enzyme. Zu bekannten ACE-Hemmern zählen z.B. Ramipril, Enalapril o.a. Eine unerwünschte Wirkung der ACE-Hemmer ist das angioneurotische Ödem. Es ist selten, kann allerdings im Rahmen einer Anaphylaxie, auch aus anderen Gründen als einer ACE-Hemmer-Behandlung, auftreten [7] und bei drohender Verlegung der Atemwege rasch behandlungsbedürftig werden. Für Zahnärzte/innen ist das angioneurotische Ödem angesichts seiner möglichen Lokalisation (z.B. Lippen, Zunge, Larynx, andere Schleimhäute) von Interesse. Patienten, die einen ACE-Hemmer nicht vertragen hatten (z.B. wegen Reizhustens), erhalten einen Angiotensin- II-AT1-Rezeptorblocker (ARB, wegen ihrer gemeinsamen Endung oft „Sartane“ genannt, z.B. Candesartan, Valsartan o.a.) statt eines ACE-Hemmers. Auch ARB erfordern keine Änderung des routinemäßigen zahnärztlichen Vorgehens.

Bei chronischer Herzinsuffizienz hat eine Betablocker-Behandlung wegen ihrer günstigen Wirkung auf die Prognose eine Bedeutung (siehe Abschnitt „Koronare Herzerkrankung“ zu weiteren Gesichtspunkten bei Betablocker-Behandlung). Spironolacton und Eplerenon sind Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (MRA), die in der Behandlung der Herzinsuffizienz ebenfalls einen Stellenwert zur Prognoseverbesserung haben. Ein MRA wird zusätzlich zur Standardtherapie gegeben. Ivabradin ist ein neueres Mittel, das manche Herzinsuffizienz-Patienten erhalten. Es reduziert die Herzfrequenz. Ivabradin ist bei chronischer Herzinsuffizienz dann sinnvoll, wenn die Betablocker-Behandlung allein die Herzfrequenz nicht ausreichend senkt oder wenn Betablocker nicht infrage kommen (z.B. wegen eines Asthma bronchiale). Wechselwirkungen von Ivabradin mit einigen anderen Arzneimitteln sind zu beachten; so ist z.B. Clarithromycin (ein Makrolid-Antibiotikum) für Ivabradin-Patienten kontraindiziert, da es den Metabolismus von Ivabradin hemmt und dessen Wirkung so verstärkt.

Die Fixkombination Sacubitril/Valsartan kommt – statt eines ACE-Hemmers bzw. ARB – für die Patienten zur Anwendung, wenn die Symptomatik der Herzinsuffizienz unter der Standardbehandlung persistiert. Sacubitril ist ein Neprilysin-Inhibitor, Valsartan ein ARB (siehe oben), sodass das Therapieprinzip der Kombination als Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibition (ARNI) bezeichnet wird. Angioödeme kommen unter Sacubitril/Valsartan ebenfalls vor (selten). Digitalis-Präparate (Digoxin oder Digoxin- Derivate oder Digitoxin) haben in der Behandlung der Herzinsuffizienz in den letzten Jahren an Bedeutung weitgehend verloren. Sinnvoll kann der Einsatz bei Herzinsuffizienz-Patienten dann sein, wenn z.B. zusätzlich Vorhofflimmern (siehe Abschnitt „Herzrhythmusstörungen“) vorliegt. Denn Digitalis senkt bei Vorhofflimmern die Herzfrequenz. Fast alle Herzinsuffizienz-Patienten benötigen zusätzlich ein Diuretikum zur Symptomverbesserung. Thiazide (z.B. Hydrochlorothiazid) und Schleifendiuretika (Furosemid oder Torasemid) sind die wichtigsten Vertreter. Viele Herzinsuffizienz-Patienten haben eine oder mehrere weitere kardiovaskuläre Erkrankungen. Zu den Begleiterkrankungen, die auch eine pathogenetische Verbindung zur Herzinsuffizienz haben können, gehören die arterielle Hypertonie (siehe unten) und die KHK (siehe Abschnitt „Koronare Herzerkrankung“) – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Medikation dieser Patienten.

Arterielle Hypertonie

In der Festlegung der Blutdruck-Grenzwerte und damit der Definition der arteriellen Hypertonie besteht aktuell eine Differenz [8] zwischen der amerikanischen [9] und der europäischen [10] Leitlinie, die sich damit auch auf die Indikationsstellung zur medikamentösen Therapie auswirkt. Für die medikamentöse Therapie der arteriellen Hypertonie stehen unverändert zahlreiche Arzneimittel aus verschiedenen Wirkstoffgruppen [11] zur Verfügung. Dazu gehören

  • Diuretika (siehe Abschnitt „Herzinsuffizienz“), 
  • Betablocker (siehe Abschnitt „Koronare Herzerkrankung“),
  • ACE-Hemmer bzw. ARB („Sartane“, siehe Abschnitt „Herzinsuffizienz“),
  • Calciumkanalblocker, z.B. vom Dihydropyridin-Typ (z.B. Amlodipin, Nifedipin ret., Nitrendipin u.a.) oder vom Nicht-Dihydropyridin- Typ (Verapamil oder Diltiazem),
  • Alpha-Adrenozeptor-Antagonisten („Alphablocker“, z.B. Doxazosin),
  • direkte Vasodilatatoren (z.B. Dihydralazin, Minoxidil),
  • Antisympathotonika (z.B. Clonidin, Methyldopa).

Die meisten Hypertonie-Patienten erhalten mehrere Antihypertensiva, d.h. eine Kombinationstherapie.

Bei den Diuretika kommen neben Thiaziden und Schleifendiuretika (siehe Abschnitt „Herzinsuffizienz“) auch kaliumsparende Mittel wie Spironolacton oder Eplerenon (siehe Abschnitt „Herzinsuffizienz“), Triamteren oder Amilorid zum Einsatz. Triamteren bzw. Amilorid werden oft in fixer Kombination mit Hydrochlorothiazid verwendet. Verapamil oder Diltiazem werden normalerweise nicht mit einem Betablocker kombiniert. Für Calciumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ ist dagegen die Kombination mit einem Betablocker vorteilhaft. Gingivahyperplasie ist eine zahnärztlich bedeutsame unerwünschte Wirkung (sehr selten), die nach jahrelanger Behandlung mit einem Calciumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ oder Verapamil auftreten kann. Tamsulosin ist ein Alphablocker, der zur symptomatischen Behandlung bei benigner Prostatahyperplasie verwendet wird und wegen der Alphablockade den Blutdruck senken kann. Eine Zulassung für die Behandlung der Hypertonie hat Tamsulosin nicht. Zur Behandlung einer hypertensiven Krise eignet sich u.a. auch Glyceroltrinitrat („Nitroglycerin“) Spray [12]. Auch zur symptomatischen Behandlung der Angina pectoris kann es verwendet werden (siehe Abschnitt „Koronare Herzerkrankung“). Das Spray sollte – zusammen mit einem Blutdruckmessgerät – zur Notfallausrüstung der modernen Zahnarztpraxis gehören [13]. Blutdruckabfall, Tachykardie und Kopfschmerzen sind die wichtigsten unerwünschten Wirkungen von Glyceroltrinitrat. Zu den weiteren Arzneimitteln, die zur Behandlung der hypertensiven Krise verwendet werden, zählen u.a. Clonidin subkutan oder langsam intravenös, Urapidil langsam intravenös und Nitrendipin oral [12].

Herzrhythmusstörungen (insbesondere Vorhofflimmern)

Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung und kommt bei älteren und alten Patienten überdurchschnittlich oft vor. Viele Patienten haben keine oder nur unwesentliche Symptome. Andere Patienten empfinden den unregelmäßigen und (unbehandelt) zu schnellen Herzschlag (Tachyarrhythmia absoluta) als unangenehm. Manche Patienten verspüren neu bzw. wieder aufgetretenes Vorhofflimmern und bekämpfen es mit einem Antiarrhythmikum selbst („pill in the pocket“). Dazu eignen sich z.B. Propafenon oder Flecainid. Dieses Vorgehen zur Wiederherstellung des normalen Sinusrhythmus kommt nicht für alle Patienten in Betracht. Andere Patienten können mit einer antiarrhythmischen Dauertherapie ihren normalen Sinusrhythmus aufrechterhalten. Dazu kann Propafenon, Flecainid oder ein Betablocker (z.B. Metoprolol) geeignet sein. Bestimmte Patienten benötigen Amiodaron, das letztendlich wirksamste Antiarrhythmikum derzeit, das aber wegen einiger potenzieller unerwünschter Wirkungen zusätzliche Kontrolluntersuchungen durch den/die Haus- oder Facharzt/ärztin erfordert. Die Ablation, ein nichtmedikamentöses interventionelles Verfahren, kann das Vorhofflimmern beseitigen, wenn es machbar und erfolgreich ist.

Die beständige Aufrechterhaltung des normalen Sinusrhythmus gelingt bei vielen Patienten nicht. Bei ihnen wird das Vorhofflimmern zu akzeptieren sein. Dann stehen zwei Ziele im Mittelpunkt: Das sind die Optimierung der Herzfrequenz und die Prophylaxe systemischer Embolien wie z.B. eines Schlaganfalls. Zur Optimierung der Herzfrequenz eignet sich primär ein Betablocker (z.B. Metoprolol) oder ein Calciumkanalblocker vom Nicht-Dihydropyridin- Typ (Verapamil oder Diltiazem) oder ein Digitalis-Präparat (Digoxin oder ein Digoxin-Derivat oder Digitoxin). Propafenon oder Flecainid oder Amiodaron können zur Frequenzkontrolle individuell ebenfalls wirksam sein.

Eine Schlaganfallprophylaxe ist bei der Mehrheit der Patienten mit Vorhofflimmern indiziert. Die Indikation wird anhand eines Risikoscores gestellt. Die Schlaganfallprophylaxe basiert auf einer Antikoagulation und wird mit einem Vitamin-K-Antagonisten (Cumarin) wie Phenprocoumon oder einem neuen oralen Antikoagulans (z.B. Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) durchgeführt. Aus jeder Antikoagulation resultiert ein erhöhtes Blutungsrisiko, das auch vor/bei der zahnärztlichen Behandlung zu berücksichtigen ist und durch etwaige Thrombozytenaggregationshemmer zusätzlich erhöht wird (Näheres dazu enthält Abschnitt „Antithrombotische Therapie“). Patienten mit Vorhofflimmern haben oft auch eine Begleiterkrankung wie beispielsweise Herzinsuffizienz, KHK oder Hypertonie – mit entsprechender Medikation.

Eine Fortsetzung dieses Beitrages finden Sie in der ersten Ausgabe der Plaque n Care 2019 (Erscheinungstermin: 04. März) und im Nachgang auch hier online. 

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