Effektivität des Ölziehens zur Prävention parodontaler Entzündungen

Hat Ölziehen einen positiven Einfluss auf die gingivale Gesundheit? Wenn ja, wäre dies für die Patientenberatung eine gute Nachricht: Da Ölziehen im Trend liegt, wären einige Patientinnen und Patienten sicherlich motiviert, diese alternative Methode anzuwenden. Um die Frage nach der Wirksamkeit des Ölziehens zu beantworten, wurde von einer Absolventin des Studiengangs „Dentalhygiene und Präventionsmanagement“ an der EU|FH eine Studie zum Effekt von Kokosöl als Ergänzung der gewohnten häuslichen Mundhygiene auf die Biofilmakkumulation und gingivale Entzündung durchgeführt. Ermutigende Ergebnisse sind im Folgenden nachzulesen.
Die Parodontitis gehört weltweit zu den am häufigsten vorkommenden Erkrankungen. Nach Schätzungen beträgt die Prävalenz schwerer parodontaler Erkrankungen etwa 11%, sodass über 740 Millionen Menschen davon betroffen sind [1].
Eine Parodontitis entwickelt sich immer auf dem Boden einer unbehandelt bestehenden Gingivitis, die ihrerseits eine Prävalenz von über 90% aufweist [2]. Damit kommt der Prävention und Therapie dieser ersten parodontalen Erkrankung eine große Bedeutung auch für die allgemeine Gesundheit zu [3].
Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass die persönliche häusliche Mundhygiene zur regelmäßigen Biofilmentfernung den entscheidenden Erfolgsfaktor in der Prävention der Gingivitis darstellt [4]. Neben der unverzichtbaren mechanischen Plaqueentfernung können adjunktive Maßnahmen wie etwa Mundspülungen empfohlen werden. Als wirksam haben sich antimikrobielle Wirkstoffe wie Aminfluorid/Zinnfluorid, ätherische Öle, Cetylpyridiniumchlorid, Chlorhexidin sowie Triclosan/Copolymer herausgestellt [5].
Schon seit Längerem ist eine Hinwendung zu sogenannten alternativen Methoden zur Vorbeugung und Behandlung unterschiedlicher Krankheiten zu beobachten. Diese ist u.a. aus der Skepsis gegenüber synthetischen chemischen Verbindungen, der Bevorzugung rein pflanzlicher und damit als natürlicher angesehener Wirkstoffe und dem Interesse an traditionellen Heilverfahren – auch aus außereuropäischen Kulturen – zu begründen.
Ein Beispiel hierfür ist das Ölziehen, bei dem aus verschiedenen Pflanzen gewonnene Öle, zum Teil mit Zusatz weiterer Wirkstoffe, zum Einsatz kommen können. Das Ölziehen kann u.a. mit Speiseölen wie Sesamöl, Sonnenblumenöl, Maisöl, Sojabohnenöl, Reiskleieöl und Kokosöl durchgeführt werden.
Das aus dem Fruchtfleisch der Kokosnuss gewonnene Kokosöl enthält mit bis zu 92% hauptsächlich gesättigte Fettsäuren, von denen die Laurinsäure mit 44 bis 52% den Hauptanteil stellt. Weitere Bestandteil sind Oleinsäure (5–8%), Myristinsäure (17–21%), Palmitinsäure (8–11%), Stearinsäure (1–3%), Linolsäure (1–2,5%) und Linolensäure (< 1,1%). Für Laurinsäure wurden bereits antimikrobielle und entzündungshemmende Effekte beschrieben [6].
Der Frage, ob Ölziehen als adjunktive Maßnahme zur mechanischen Plaqueentfernung in der Prävention der Gingivitis empfehlenswert sein könnte, ging eine klinische Untersuchung an der EU|FH in Köln nach. In der im Folgenden vorgestellten Studie wurde der Effekt eines frei verkäuflichen Kokosöls als Ergänzung der gewohnten häuslichen Mundhygiene auf die Biofilmakkumulation und gingivale Entzündung bei Probandinnen und Probanden aus der niedergelassenen Praxis überprüft.
Studie zum Ölziehen: Material und Methoden
Zur Testung der Hypothese, dass tägliches Ölziehen mit Kokosöl einen positiven Einfluss auf die gingivale Gesundheit haben kann, wurde eine prospektive Interventionsstudie geplant und durchgeführt. Für die Studie wurden Patientinnen und Patienten der Praxis „Zahnärzte am Rathaus“ (Dr. Liss von Gehr & Dr. Ilana Olinger, Schulstraße 3, 40219 Kettwig), die an einem Präventionsprogramm teilnahmen, rekrutiert.
Der Studienplan wurde vorab der Ethikkommission der EU|FH, Köln, vorgelegt und von dieser genehmigt. Die Ein- und Ausschlusskriterien finden sich in Tabelle 1.
Einschlusskriterien: |
Patientinnen und Patienten, die am Präventionsprogramm der Praxis „Zahnärzte am Rathaus“ (Dr. Liss von Gehr & Dr. Ilana Olinger, Schulstraße 3, 40219 Kettwig) teilnahmen |
Ausschlusskriterien: |
|
Tab. 1: Einschluss- und Ausschlusskriterien.
Bei einem ersten Termin in der Praxis erfolgte die Aufklärung über die Studie. Auf Basis dieser Information wurde die Einwilligung zur Studienteilnahme eingeholt. Nach Erfassung der allgemeinen Anamnese und Abfrage der Gewohnheiten zur häuslichen Mundhygiene wurde der Zahnstatus aufgenommen und dokumentiert.
Danach erfolgte bei allen Patientinnen und Patienten die Erhebung des Parodontalen Screening-Indexes (PSI), des Quigley-Hein-Indexes (QHI) in der Modifikation nach Turesky [7,8] und des Gingiva-Blutungs-Indexes (GBI) nach Ainamo und Bay [9]. Danach wurde den Probandinnen und Probanden die Vorgehensweise beim Ölziehen erklärt.
Jeder Proband und jede Probandin erhielt für die Durchführung ein natives, kalt gepresstes Kokosöl (Hausmarke des Drogeriemarkts „dm“) und wurde aufgefordert, für die nächsten 14 Tage jeden Morgen vor dem Beginn der eigentlichen Routine der häuslichen Mundhygiene 15 Minuten einen Esslöffel Kokosöl in den Mund zu nehmen, unter ständiger Bewegung durch die Zähne zu ziehen und im Mundraum in Bewegung zu halten. Nach 15 Minuten sollte das Kokosöl ausgespuckt und mit klarem Wasser nachgespült werden.
Weitere Informationen zur Verbesserung der Mundhygiene wurden nicht gegeben. Die Probanden sollten ihre gewohnten Prozeduren unverändert weiterführen.
Nach 14 Tagen wurde eine erneute Befunderhebung mit Aufnahme der drei Indizes durchgeführt. Die Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer wurden befragt, ob sich aus ihrer Sicht auffällige Dinge während der Versuchsperiode gezeigt hätten.
Die Befunde wurden den Probandinnen und Probanden erläutert. Ergab sich im Rahmen der Studie der Verdacht auf eine behandlungsbedürftige parodontale Erkrankung, so wurde die Probandin bzw. der Proband hierüber aufgeklärt und nach Abschluss der Studienintervention eine indikationsgerechte Behandlung eingeleitet. Zur statistischen Auswertung der Daten wurde die Software StatsKingdom (www.statskingdom.com) genutzt.
Ergebnisse
In die Studie wurden ursprünglich 28 Probandinnen und Probanden einbezogen, von denen zwei aus persönlichen Gründen und einer wegen eines starken Würgereizes beim Ölziehen die Untersuchung nicht beendeten. Letztlich konnten die Daten von 25 Personen (21 weiblich, 4 männlich) im Alter von 24 bis 68 Jahren ausgewertet werden. Bei diesen Personen traten keine Nebenwirkungen auf.
Die Mundhygienegewohnheiten der Probandinnen und Probanden waren unterschiedlich: Es wurden elektrische und Handzahnbürsten verwendet, die Putzfrequenz bewegte sich zwischen 1- bis 3-mal täglich, die Reinigung der Interdentalräume wurde ebenfalls in unterschiedlichem Ausmaß und mit verschiedenen Hilfsmitteln vorgenommen. Die Einzelheiten zu den Probandinnen und Probanden finden sich in Tabelle 2.
Variable | Mittelwert ± Standardabweichung oder Anzahl (%) |
---|---|
Anzahl Probandinnen und Probanden insgesamt | 25 |
Alter | 35,96 ± 11,47 |
Weiblich | 21 (84%) |
Handzahnbürste | 9 (36%) |
Elektrische Zahnbürste | 14 (56%) |
Elektrische und Handzahnbürste | 2 (8%) |
Putzfrequenz 1x täglich 2x täglich 2–3x täglich | 1 (4%) |
Interdentale Reinigung: Bürsten und/oder Zahnseide | 18 (72%) |
Nichtraucher | 15 (60%) |
Tab. 2: Einzelheiten zu Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern.
Unveränderter PSI-Code, stabile Plaquemenge – aber signifikante Reduktion der Blutungswerte
Bei allen Teilnehmenden zeigte sich vor der Intervention ein PSI-Code von maximal 2, der mit der Verdachtsdiagnose auf eine Gingivitis verknüpft ist. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wiesen sämtlich keinen Verdacht auf Parodontitis auf. Der PSI-Code war nach der 14-tägigen Interventionsphase unverändert.
Beim QHI handelt es sich um einen graduierten Index, der pro Zahn erhoben wird und die Werte 0 bis 5 annehmen kann, womit das Ausmaß der Plaquebedeckung des Zahnes quantifiziert wird. Code 0 steht dabei für Plaquefreiheit, Code 1 für vereinzelte Plaqueinseln, Code 2 bis 4 für zusammenhängende von Plaque bedeckte Flächen zunehmenden Ausmaßes und Code 5 für eine massive Plaqueansammlung, die sich fast über die komplette Glattfläche des Zahnes ausbreitet (Abb. 1).
Der Mittelwert des QHI bei allen Teilnehmenden betrug zum Zeitpunkt 0 (vor Intervention) 1,80 ± 0,65 und zum Zeitpunkt 1 (nach Intervention) 1,34 ± 0,55. Die Differenz war nicht statistisch signifikant (Wilcoxon Signed Rank Test, p = 0,7738).
Der GBI ist ein dichotomer Test, bei dem in der Studie an 4 Stellen pro Zahn das Vorhandensein von Blutungspunkten nach Sondierung mit „+“ oder „-“ beurteilt wird. Die Indexzahl ergibt sich aus dem prozentualen Anteil blutungspositiver Stellen an der Gesamtzahl der Messstellen. Der durchschnittliche GBI aller Teilnehmenden war vor der Intervention 42,16 ± 19,55 und nach der Intervention auf 20,92 ± 11,16 signifikant reduziert (Wilcoxon Signed Rank Test, p < 0,05) (Abb. 2).
Es wurde überprüft, ob die Reduktion des GBI im Zusammenhang mit dem Rauchverhalten steht. Bei den 15 Nichtrauchern war die Differenz des GBI (GBIprä – GBIpost) mit 20,53 ± 9,47 geringfügig kleiner als bei den 10 Rauchern (22,30 ± 11,48). Der Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant (Mann Whitney U Test, p = 0,74).
Diskussion
Der PSI wies bei allen Teilnehmenden der Studie maximal einen Code 2 auf, womit keine Anhaltspunkte für eine bereits existierende Parodontitis bestanden. Durch die Intervention „Ölziehen“ wurde der PSI nicht verändert.
Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass vor dem Ölziehen keine professionelle mechanische Plaquereduktion (PMPR) stattfand, vorhandene mineralisierte Beläge also nicht entfernt wurden. Da beim Auffinden von Zahnstein direkt ein Code 2 vergeben wird, waren Veränderungen des Codes nicht zu erwarten.
Der QHI veränderte sich durch die Anwendung des Kokosöls nur unwesentlich (QHIprä = 1,80 ± 0,65 gegenüber QHIpost = 1,34 ± 0,55), die Differenz war nicht statistisch signifikant. Die Begründung hierfür ist u.a. darin zu sehen, dass der Ausgangswert bereits relativ niedrig war, die Teilnehmenden durchschnittlich also eine effektive häusliche Mundhygiene durchführten. Es wurden keine zusätzlichen Maßnahmen zur Verbesserung der privaten Pflege eingeleitet, z.B. durch zusätzliche Informationen, um die Auswirkungen des Ölziehens nicht durch ggf. weitere Studieneffekte zu überdecken.
Der ansonsten in Studiensettings häufiger zu beobachtende sog. Hawthorne-Effekt, nämlich die Verhaltensänderung der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer allein aus dem Bewusstsein, Teil einer Studie zu sein, scheint hier nicht messbar zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es besonders auffällig, dass bei laut QHI nahezu gleichbleibender Biofilmmenge eine signifikante Reduktion der gingivalen Entzündungsreaktion, gemessen am Gingiva-Blutungs-Index, zu registrieren ist.
Theoretisch denkbar sind zwei Mechanismen für dieses Phänomen, die ggf. auch synergistisch wirken: eine Modulation der immunologischen Reaktion auf den unverändert vorhandenen Biofilm oder eine Modifikation der Biofilmzusammensetzung, die eine veränderte Immunreaktion bewirkt. Der QHI, der nach Anfärben mit Plaquerevelatoren erfasst wird, lässt nur Rückschlüsse auf das Vorhandensein, nicht aber auf die Zusammensetzung des Biofilms zu.
Erklärungsansätze für die Entzündungsreduktion
Der ayurvedischen Theorie folgend, die mit begründend für die Anwendung und Popularität des Ölziehens als Methode der komplementären Medizin ist, sollen beim Ölziehen Speichelenzyme aktiviert werden, die chemische und bakterielle Toxine aus dem Blut absorbieren und über die Zunge aus dem Körper entfernen.
Infolgedessen entgifte und reinige das Ölziehen den ganzen menschlichen Körper [10]. Da die oralen Schleimhäute keine semipermeablen Membranen darstellen, durch die Giftstoffe des Körpers aus dem Blut hindurchtreten könnten, und damit keine korrelierende anatomische Struktur existiert, ist diese Annahme nicht nachvollziehbar.
Als möglicher Mechanismus wurde eine Reaktion des Öls mit alkalischen Speichelbestandteilen, eine Verseifung und Bildung seifenähnlicher Substanzen, vorgeschlagen, die evtl. für eine verringerte Anhaftung der Plaque an der Zahnoberfläche sorgt. Die besonders im Kokosöl zu einem hohen Anteil vorhandene Laurinsäure kann mit im Speichel vorhandenem Natriumhydroxid reagieren und Natriumlaureat bilden, einen Hauptbestandteil von Seifen [6]. Bei den hier vorliegenden Versuchsergebnissen konnte allerdings keine signifikante Reduktion der Plaquemenge durch das Ölziehen gesehen werden – vielleicht aufgrund der schon zur Baseline niedrigen Plaquebelastung.
Der Laurinsäure werden verschiedene antimikrobielle Eigenschaften zugeschrieben: die Zerstörung der Zellmembran grampositiver Bakterien, Wechselwirkungen mit zellulären Prozessen wie der Signal-Transduktion und der Stabilisierung der Zellmembranen der körpereigenen Zellen. So wurde neben dem Einfluss auf zahlreiche andere Bakterienspezies eine starke Inhibition des Zellwachstums von Streptococcus mutans nachgewiesen [11].
Dieser Befund konnte auch in einem klinischen Test bestätigt werden, in dem Ölziehen über 10 Minuten mit Kokosöl eine ähnlich starke Reduktion der Konzentration von S. mutans im Speichel bewirkte wie eine einminütige Spülung mit Chlorhexidin (CHX 0,2%) [12]. In einem randomisierten klinischen Versuch wurde nach professioneller Reinigung der Zahnoberflächen die Biofilmneubildung verglichen, wenn die Probanden ein Ölziehen mit Kokosöl durchführten oder mit Chlorhexidin spülten.
Nach einer 4-tägigen Beobachtungsphase waren Plaque- und Gingiva-Index in beiden Untersuchungsgruppen gleich, Spülen mit CHX führte aber zu stärkeren Verfärbungen [13]. Im direkten Vergleich beim identischen Studienprotokoll zeigten sich Sesam- und Kokosöl ähnlich effektiv [14].
Möglicher Wirkmechanismus in frühem Stadium der Biofilmbildung
In der Mundhöhle beginnt die bakterielle Adhäsion auf Hartflächen auf dem Pellikel, das als Ergebnis der Adsorption von Proteinen, Glykoproteinen, Lipiden und anderen Makromolekülen aus der Mundhöhle entsteht. Einzelne Komponenten des Pellikels wirken als Rezeptoren für Bakterien und starten somit die bakterielle Adhäsion und damit die Biofilmbildung [15]. Die Anheftung funktioniert primär über physikalisch-chemische Prozesse, wobei hydrophobe Wechselwirkungen eine wichtige Rolle spielen und durch die Lipidkonzentrationen im Pellikel beeinflusst werden können.
Erst in einem zweiten Schritt wird die Bindung der Bakterien durch sog. bakterielle Adhäsine irreversibel. Beim Ölziehen könnten die hydrophoben Eigenschaften des Pellikels durch Anheftung von Lipidmizellen so modifiziert werden, dass die primäre bakterielle Adhäsion gestört wird [16].
Schon nach einem kurzen Spülen mit Distel- oder Leinsamenöl über 30 Sekunden können Lipidtröpfchen im Nano- oder Mikrobereich über mehrere Stunden auf einer mit Pellikel bedeckten Zahnoberfläche nachgewiesen werden [17]. In einem In-vitro-Experiment konnte durch das Spülen mit Oliven-, Distel- und Leinsamenöl hingegen keine Reduktion der frühen Biofilmformation über 8 Stunden gesehen werden [18]. Beim Spülen mit Distelöl wurde als potenziell schädlicher Begleiteffekt registriert, dass die schützende Wirkung des Pellikels gegenüber säurebedingten Erosionen verschlechtert wird [19].
Die derzeit verfügbaren Untersuchungen beschreiben die Verhältnisse auf frei liegenden Schmelz- und Dentinoberflächen und sind auf frühe Stadien der Biofilmbildung beschränkt. Eine Übertragung auf das spezielle Ökosystem des subgingivalen, bereits ausgereiften Biofilms in einer parodontalen Tasche ist nicht ohne Weiteres möglich.
Die bisher beschriebenen biologischen Effekte dürften in einem hoch organisierten Biofilm auch nicht mehr wirksam sein. Damit zeichnet sich ab, dass Ölziehen eher als adjuvante Methode zur Prophylaxe der Gingivitis in Betracht zu ziehen ist als zur Therapie der Parodontitis. Diese Vermutung spiegelt sich im Spektrum der vorhandenen klinischen Daten wider, in dem Untersuchungen zum Ölziehen bei Parodontitispatienten fehlen.
Im Vergleich zu anderen Publikationen, bei denen häufig die Effekte des Ölziehens vorwiegend bei Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen geprüft wurden [20,21,22], gab es in der hier vorliegenden Untersuchung bei einem durchschnittlichen Alter von etwa 36 Jahren auch eine Einbeziehung erwachsener Probandinnen und Probanden. Der Standard der persönlichen Mundhygiene ist bei einem QHIprä von 1,80 ± 0,65 als relativ hoch und damit wahrscheinlich nicht als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung einzuschätzen. Weiterhin kann die Aussagekraft der Studie durch die fehlende Kontrollgruppe, die recht geringe Anzahl der Teilnehmenden und evtl. durch das unausgewogene Geschlechterverhältnis (84% weiblich) reduziert sein.
Fazit
Mit den bereits benannten Einschränkungen kann aus den Daten dieser Studie geschlossen werden, dass Ölziehen mit Kokosöl in einer Probandengruppe aus der Allgemeinpraxis zu einer Verbesserung der gingivalen Gesundheit führen kann, ohne dass gleichzeitig eine Verbesserung der Mundhygiene der Probandinnen und Probanden zu verzeichnen ist. Diese Beobachtung steht im Einklang mit den Ergebnissen anderer Studien mit ähnlichen Effekten. In der Literatur finden sich mit den dort beschriebenen biochemischen Prozessen gerade in den frühen Stadien der Biofilmbildung Ansätze, die die klinischen Befunde anhand biologischer Grundlagen plausibel erscheinen lassen.
Dabei zeichnet sich ab, dass bei der Intervention „Ölziehen“ die Auswahl des Öles aufgrund der unterschiedlichen biochemischen Eigenschaften durchaus eine Rolle spielt. Da es sich beim Kokosöl um eine Substanz mit einem niedrigen Risiko für Nebenwirkungen handelt, kann das Ölziehen hiermit durchaus als adjuvante Maßnahme zur mechanischen Plaquekontrolle empfohlen werden, wenn z.B. seitens der Patientin oder des Patienten Vorbehalte gegenüber konventionellen Spüllösungen bestehen. Die Empfehlung ist ausdrücklich nur für die Gingivitisprophylaxe durch klinische Daten unterstützt, für die Wirkung bei bereits bestehender Parodontitis gibt es bisher nahezu keine Evidenz.
Diese Publikation beruht auf den Daten der klinischen Untersuchung, die Frau Estelle Zeggel als Thesis zur Erlangung des B.Sc. in Dentalhygiene und Präventionsmanagement an der EU|FH in Köln vorgelegt hat.
Interessenkonflikt: Die Autoren berichten, dass kein potenzieller Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel besteht.