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Prävention und Therapie

Die zweite Form der Karies: Wurzelkaries

War bislang koronale Karies die vorherrschende Form von Karies, so deutet sich nun eine Verschiebung hin zu einer stärkeren Verbreitung der Wurzelkaries an. Diese tritt als „Alterskaries“ in Erscheinung. Der folgende Beitrag geht auf die Entstehung (Pathogenese) der Wurzelkaries, Unterschiede zur Kronenkaries, auf Risikofaktoren, Prävention und Therapie ein.

Placeholder – News shutterstock

Während weltweit Karies noch immer die häufigste Erkrankung der Menschheit ist [1], kann in vielen reichen Ländern zumindest bei Jugendlichen und zunehmend auch bei Erwachsenen ein Rückgang der Karieserfahrung (Karies und Kariesfolgen, z.B. Füllungen oder fehlende Zähne) beobachtet werden [2]. Die Auffassung, man hätte die Karies „im Griff“ [3], wird also zumindest in dieser Bevölkerungsgruppe weitgehend zutreffen (wenngleich bei jüngeren Kindern seit Jahren eine Stagnation der Karieserfahrung zu verzeichnen ist und auch bei Kindern und Erwachsenen eine massive soziale Ungleichverteilung der Karieserfahrung auftritt – was sozialpolitisch Auftrag zum Handeln wäre!).

Generell greift diese Betrachtung aber zu kurz, denn es ist ausschließlich eine Form der Karies, nämlich die koronale Karies, gemeint. Diese war über Jahrhunderte das vorherrschende zahnmedizinische Problem; koronale Karies und ihre Folgen waren die Hauptursache für Zahnverluste. Wenn Zähne bis ins höhere Alter erhalten wurden, schlug spätestens dann die Parodontitis zu – mit dem Ergebnis des Zahnverlustes. Die wenigstens Menschen hatten bislang überhaupt die „Chance“, die zweite Form der Karies zu entwickeln – Wurzelkaries.

Wurzel- oder Wurzeloberflächenkaries stand daher lange Zeit im Hintergrund. Die Therapie der Kronenkaries war dringlicher. Heutige Risikogruppen für Wurzelkaries, z.B. Senioren (gerade jene mit Pflegebedarf), hatten nur noch wenige oder gar keine Zähne mehr, konnten also nicht an Wurzelkaries erkranken. Dies hat sich drastisch geändert: Zahlreiche Menschen behalten heute die Mehrzahl ihrer Zähne bis ins hohe Alter [4]. Zudem leben Menschen heute länger. Ihre Zähne haben demnach auch viel länger Zeit, an Wurzelkaries zu erkranken. Wurzelkaries könnte die Kronenkaries mittelfristig als das große Mundgesundheitsproblem der Zukunft ablösen [5].

Was ist Wurzelkaries?

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Karies wurde lange Zeit als Infektionserkrankung angesehen, wobei ein oder wenige Erreger, wie Streptococcus mutans und Laktobazillen, zur Erkrankungsetablierung und -progression beitragen. Heute wird Karies als ein Prozess verstanden, bei dem ein ökologisches Ungleichgewicht in der Biofilmzusammensetzung und -aktivität durch äußere Faktoren, v.a. durch eine übermäßige Zufuhr von Kohlenhydraten (niedermolekularen Zuckern), bedingt wird: Säurebildende (azidogene) und säuretolerante (azidurische) Bakterien verstoffwechseln diese Zucker zu organischen Säuren und senken dadurch den pH-Wert im Biofilm ab; dies führt zu einer Verdrängung der physiologischen und nicht säuretoleranten Spezies aus dem Biofilm. Ein etablierter pathogener Biofilm ist bei einem Zuckerimpuls in der Lage, den pH-Wert deutlich und über einen ausreichend langen Zeitraum so abzusenken, dass es zu einer Netto-Demineralisation der Zahnhartgewebe kommt, die durch eine Remineralisation aus dem Speichel nicht mehr ausgeglichen werden kann. Das Symptom dieser Demineralisation ist die kariöse Läsion [6].

Bei der Wurzelkaries kommt ein zweiter Aspekt hinzu: Wurzelzement und das darunter liegende und bei einer Wurzelexposition oftmals freiliegende Wurzeldentin bestehen zu etwa 30% aus organischen Materialien, hauptsächlich Kollagen. Dieses wird nach initialem Mineralverlust einem Abbau durch kollagenolytische Enzyme zugänglich. Ein Teil dieser kollagenolytischen Enzyme wird durch Bakterien freigesetzt. Der größere Teil allerdings besteht aus Dentin-eigenen Enzymen, die während der Dentinbildung eingemauert wurden und durch die Demineralisierung freigesetzt werden. Zu diesen Enzymen zählen v.a. Matrixmetalloproteinasen (MMP), z.B. MMP-2 (eine Gelatinase) und MMP-8 (eine Kollagenase). Auch Cathepsine sind am Kollagenabbau beteiligt. Die Kollagenolyse durch Enzyme ist die zweite entscheidende Säule der Wurzelkariesentstehung [6] (Tab. 1).

Tab. 1: Unterschiede zwischen koronaler Schmelzkaries und Wurzelkaries. Schwendicke/Göstemeyer
Tab. 1: Unterschiede zwischen koronaler Schmelzkaries und Wurzelkaries.

Zudem nutzen Bakterien das freigelegte Kollagen als Anhaftungspunkt. Initial besiedeln v.a. Streptokokken und Aktinomyzeten die Wurzeloberfläche, also Bakterien, die auch bei der Schmelzkolonisierung relevant sind. Oft werden jedoch auch bei frühen Läsionen Laktobazillen oder Bifidobakterien angetroffen, die im koronalen Bereich erst bei etablierten Dentinkavitäten häufig sind [7–9]. Zudem spielen Atopobium oder Hefen, wie z.B. Candida albicans, eine Rolle. Auch diese werden koronal erst in tieferen Läsionen angetroffen [9–11].

Zuletzt unterscheiden sich Wurzelkaries und Kronenkaries morphologisch. Wurzelkariesläsionen sind flach und schüsselförmig und nur selten „kavitiert“. Überhängende plaqueretentive Ränder werden nicht regelgerecht angetroffen, wie bei fortgeschrittener Kronenkaries. Wurzelkaries ist demnach sowohl für Speichel als auch für Sulkusfluid zugänglich; auch in fortgeschrittenem Stadium kann sie oftmals gereinigt und remineralisiert werden. Dies hat therapeutische Implikationen (s.u.).

Wurzelkaries: Die „neue“ Karies im Alter?

Immer mehr Menschen erhalten ihre Zähne bis ins höhere Alter. Diese Zähne leiden allerdings vermehrt, gerade bei den Hochbetagten, an Parodontitis und assoziiertem Attachmentverlust und damit unter freiliegenden Wurzeloberflächen. Bei eben jenen hochaltrigen Patienten tragen zudem Polypharmazie, eine zunehmend eingeschränkte Mundhygiene und eine zuckerreiche, klebrige Ernährung zum Wurzelkariesrisiko (u.a. durch Mundtrockenheit, s.u.) bei. Bei dem vielzitierten Kariesrückgang handelt es sich demnach möglicherweise eher um eine Verschiebung der Erkrankung in höhere Altersgruppen – ein Phänomen, das auch für andere Erkrankungen beobachtbar ist. Wurzelkaries als „Alterskaries“ könnte die Kronenkaries als die Hauptform der Karies ablösen im Sinne einer „Morbiditätskompression“ im Alter [12]. Die Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS) geben Aufschluss über die Wurzelkaries in verschiedenen Altersgruppen für die Jahre 1997 (DMS III), 2005 (IV) und 2014 (V) in Deutschland [13].  Die DMS untersuchten die Wurzelkarieserfahrung bei 35- bis 44- und 65- bis 74-Jährigen, die DMS V erstmals auch bei älteren Senioren (75- bis 100-Jährige). Dabei wurden unbehandelte Wurzelkariesläsionen und gefüllte Wurzeloberflächen gemessen. Die Summe beider Parameter ist die Wurzelkarieserfahrung. Bei den Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) stieg die Zahl der gefüllten Wurzeloberflächen von 1997 bis 2005 stark an (von 0,49 auf 0,63 Flächen pro Kopf). Von 2005 bis 2014 sank sie allerdings wieder ab (auf 0,16 Flächen pro Kopf oder 1,6 Millionen gefüllte Wurzeloberflächen). Auch bei den jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) stieg die Zahl der gefüllten Wurzeloberflächen von 1997 bis 2005 pro Kopf massiv an (von 0,67 auf 1,92 Flächen), danach sank sie allerdings wieder (auf 0,89 Flächen pro Kopf oder 7,5 Millionen gefüllte Wurzeloberflächen). Insgesamt ist hier kein Trend auszumachen.

Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der unbehandelten kariösen Wurzeloberflächen seit 1997 in beiden Altersgruppen kontinuierlich an: bei den Erwachsenen von 0,37 auf 0,94 kariöse Wurzeloberflächen pro Kopf (von 4,7 auf 9,3 Millionen auf Bevölkerungsniveau) und bei den Senioren von 0,27 auf 1,43 Flächen pro Kopf (was einer Vervierfachung von ca. 3 auf ca. 12 Millionen kariöse Wurzeloberflächen auf Bevölkerungsniveau gleichkommt). In beiden Gruppen kombiniert hat sich die Zahl der unbehandelten Wurzelkaries demnach mehr als verdoppelt (von ca. 8 Millionen auf mehr als 21 Millionen). Auf Bevölkerungsniveau war die Zahl der unbehandelten Wurzelkariesflächen von 21 auf 70 Millionen gestiegen, hatte sich also mehr als verdreifacht. Die Zahl der unbehandelten Wurzelkariesflächen war demnach höher als die Zahl von Zähnen mit Kronenkaries (diese betrug 2014 46 Millionen) [2].

Unbehandelte Wurzelkaries ist demnach ein deutlich zunehmendes Problem, womöglich als Resultat eines steigenden Wurzelkariesrisikos im Zuge der wachsenden Zahl an parodontal geschädigten Zähnen in dieser Altersgruppe. Wird dazu noch die geradezu erschreckend hohe Zahl der unbehandelten Wurzelkariesläsionen bei den hochaltrigen, v.a. bei den pflegebedürftigen Senioren miteinbezogen, ergibt sich durchaus das Bild eines wachsenden Wurzelkariesproblems. Eine zunehmende Zahl unbehandelter Läsionen konzentriert sich bei älteren und alten Individuen und der sich ergebende Therapiebedarf ist substanziell. Wurzelkaries ist eine zentrale Zahnerkrankung in höherem und hohem Alter. Diese Bedeutung wird ausgehend von der demografischen und epidemiologischen Dynamik in der Bevölkerung eher zu- als abnehmen.

Welche Faktoren begünstigen die Entstehung von Wurzelkaries im Alter?

Während das Kariesrisiko im Laufe des Lebens zumindest im Kindes- und Erwachsenenalter (also v.a. für Kronenkaries) relativ konstant bleibt [14], kommt es im höheren Alter zu einer deutlichen Zunahme des Risikos für die Entstehung von Wurzelkaries. Die Vermutung liegt nahe, dass neben dem Freilegen der Wurzeloberfläche durch parodontalen Knochenabbau weitere altersbedingte Veränderungen zu einer Erhöhung des (Wurzel-)Kariesrisikos beitragen.

Eine Reihe von verhaltensbezogenen Faktoren, wie z.B. Mundhygiene und Ernährungsverhalten, spielt bei der Kariesentstehung eine wesentliche Rolle. Altersbedingte Veränderungen können dazu führen, dass sich diese Verhaltensweisen ändern und damit das individuelle Kariesrisiko modifizieren (in der Regel erhöhen). So nimmt häufig im Alter die Effektivität von selbst durchgeführten Mundhygienemaßnahmen ab. Dies kann durch manuelle Einschränkungen der Patienten bzw. suboptimale Durchführung von Mundpflegemaßnahmen durch pflegende Personen bedingt sein [15].

Auch die Ernährungsgewohnheiten können sich mit zunehmendem Alter hin zu einer kariogeneren Kost verändern. Einschränkungen in der Kaufähigkeit können beispielsweise dazu führen, dass weniger frische Lebensmittel, wie Obst und Gemüse, verzehrt und dafür vermehrt weichere, mitunter klebrigere und kohlenhydratreichere Lebensmittel zugeführt werden [16]. Auch ein Nachlassen des Geschmacksinns, was bei vielen älteren Patienten zu verzeichnen ist, kann dazu führen, dass im Alter zunehmend stärker gesüßte, kariogene Lebensmittel konsumiert werden [17].

Bei bis zu 72% der älteren Patienten liegt zudem eine Reduktion der Speichelbildung (Hyposalivation) bis hin zu Mundtrockenheit (Xerostomie) vor [18]. Neben einer altersbedingten Degeneration der Speicheldrüsen führen auch einige regelmäßig eingenommene Medikamente (z.B. Antihypertonika, Antidepressiva) zu einer Reduktion des Speichelflusses. Dies kann gravierende Auswirkungen auf das Kariesrisiko haben, da der Speichel gleich mehrere wichtige Schutzfunktionen erfüllt: Durch seine Spülfunktion werden Nahrungsreste aus der Mundhöhle eliminiert und damit die Mundhöhle auf natürliche Weise gereinigt [19]. Elektrolyte, die im Speichel enthalten sind, sorgen zum einen dafür, dass bakterielle Säuren neutralisiert werden. Zum anderen bewirken sie eine Remineralisation von bereits demineralisierter Zahnhartsubstanz – also eine Reparatur früher Kariesläsionen. Darüber hinaus enthält der Speichel antibakterielle Substanzen, die möglicherweise dazu beitragen, die Vermehrung potenziell pathogener Mikroorganismen zu hemmen. Ist die Speichelproduktion eingeschränkt, führt dies bei den Patienten häufig zu einem extrem hohen Kariesrisiko [20].

Auch auf Zahnebene kommt es bei älteren Patienten zu Veränderungen, die zu einer Erhöhung des Wurzelkariesrisikos beitragen: Wie bereits dargelegt, ist das Wurzeldentin aufgrund seiner Zusammensetzung bereits deutlich anfälliger gegenüber Karies als der Zahnschmelz. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Wurzeldentin häufig in Bereichen lokalisiert ist, die einer ausreichenden Plaquekontrolle nur schwer zugänglich sind. So kommt es durch den parodontal bedingten Abbau des Kieferknochens, bei dem die Wurzeloberflächen freigelegt werden, gleichzeitig zur Ausbildung neuer Plaqueretentionsstellen. Diese entstehen insbesondere durch ein „Öffnen“ der Approximalräume und bei mehrwurzeligen Zähnen mitunter auch, da Furkationen freigelegt werden. Diese Plaqueretentionsstellen sind der natürlichen Reinigung durch Zungen- und Wangenbewegungen nicht zugänglich und durch Mundhygienemaßnahmen nur schwer zur reinigen. Daher entstehen gerade hier häufig ausgeprägte Wurzelkariesläsionen. Viele ältere Patienten sind zudem mit komplexen prothetischen Arbeiten versorgt, die nicht selten zusätzliche schwer zu reinigende Plaqueretentionsstellen bilden. So kommt es regelmäßig auch bei überkronten Zähnen unterhalb des Kronenrandes im approximalen Wurzeldentin zu ausgeprägten Kariesläsionen bei älteren Patienten. 

Welche Präventionsmaßnahmen sind für Wurzelkaries sinnvoll?

Risikofaktoren minimieren

Eine Reihe von Maßnahmen kann dazu beitragen, dass die Bildung von Wurzelkariesläsionen reduziert oder sogar ganz verhindert wird. Dabei sollte an erster Stelle versucht werden, Risikofaktoren für die Entstehung von Wurzelkaries zu identifizieren und entsprechend zu beeinflussen.

Defizite in der Mundhygiene bei älteren Patienten lassen sich durch intraorale Inspektion relativ leicht feststellen. Jedoch ist es nicht immer einfach, die Mundhygiene dieser Patienten zu verbessern – insbesondere dann nicht, wenn sie bei der Mundpflege auf fremde Hilfe angewiesen sind [15]. Wenn unzureichende Mundhygienebedingungen bei pflegebedürftigen Senioren vorliegen, sollten die für die Pflege verantwortlichen Personen darauf aufmerksam gemacht und entsprechend instruiert werden. Für Patienten, die selbst zur Mundpflege fähig sind, aber motorische Einschränkungen haben, gibt es Hilfsmittel (z.B. Griffverstärkungen für Zahnbürsten), mit denen die Effektivität der Mundhygienemaßnahmen verbessert werden kann. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass durch die Mundpflege auch eine regelmäßige Fluoridzufuhr gewährleistet wird.

Durch eine Ernährungsanamnese kann evaluiert werden, ob regelmäßig Nahrung aufgenommen wird, die zur Kariesentstehung beitragen kann. Neben Menge und Frequenz der Zufuhr von niedermolekularen Kohlehydraten sind für ältere Patienten mitunter auch andere Faktoren von Bedeutung. Gerade bei Patienten mit motorischen Einschränkungen und/oder eingeschränkter Kaufunktion spielt auch die Konsistenz der Nahrung eine Rolle. So sollten diese Patientengruppen auf klebrige Nahrung oder Zwischenmahlzeiten mit trockener Konsistenz (z.B. Kekse) möglichst verzichten. Bei Patienten mit Mundtrockenheit sollten bevorzugt feuchte Speisen (z.B. Eintöpfe, Suppen) konsumiert werden. Durch saure und bittere Nahrungsmittel ist es zudem möglich, den Speichelfluss anzuregen [19].

Ebenfalls können durch klinische Inspektion Hinweise auf einen verminderten Speichelfluss gefunden werden. Eine papillenlose Zunge, aufgesprungene Lippen oder zäher beziehungsweise gar nicht mehr vorhandener Speichel können auf eine Hyposalivation beziehungsweise Xerostomie hinweisen [20]. Bei Vorliegen dieser Symptome sollte abgeklärt werden, ob möglicherweise nicht erkannte Allgemeinerkrankungen (z.B. ein Diabetes mellitus) vorliegen, die mit einem reduzierten Speichelfluss einhergehen können, oder ob Nebenwirkungen von regelmäßig eingenommenen Medikamenten als Ursache für die Mundtrockenheit infrage kommen. Die medikamentöse Einstellung dieser Patienten sollte dann unter Rücksprache mit dem behandelnden Arzt nach Möglichkeit entsprechend angepasst werden. Zur Förderung des Speichelflusses können zuckerfreie Lutschbonbons oder Kaugummis empfohlen werden. Bei schweren Formen von Mundtrockenheit können nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten auch Medikamente verordnet werden, die den Speichelfluss fördern. Insgesamt stellen Patienten mit reduziertem Speichelfluss eine Hochrisikogruppe für Karies dar. Daher ist es bei diesen Patienten häufig auch notwendig, Substanzen zur Kariesprävention einzusetzen [20].

Kariespräventiv wirksame Substanzen

Die für die Wurzelkariesprävention bei älteren Patienten eingesetzten Hilfsmittel unterscheiden sich nicht von denjenigen, die auch zur Prävention von Karies an anderen Lokalisationen des Zahnes und in jüngeren Bevölkerungsgruppen eingesetzt werden. Prinzipiell kommen Substanzen infrage, welche antibakteriell wirken und damit den kariogenen Biofilm auf der Zahnoberfläche beeinflussen (z.B. Chlorhexidin [CHX]) oder die Mineralisation der Zahnhartsubstanz fördern (z.B. Fluoride). Sie werden aber nicht nur zur Kariesprävention eingesetzt, sondern können auch bereits bestehende Kariesläsionen in ihrer Progression verlangsamen oder sogar stoppen (arretieren).

CHX ist als Zahnpasta, Mundspüllösung und als Lack erhältlich, kommt aber zur Kariesprävention v.a. in Form von Lacken zum Einsatz. Diese haben im Gegensatz zu Mundspülungen den Vorteil, dass sie seltener appliziert werden müssen und nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Verfärbungen oder Geschmacksirritationen führen. Die Applikation von 1- bis 10%igem CHX-Lack alle 1 bis 3 Monate führte im Vergleich zu einem Placebo-Lack in klinischen Studien zu einer Reduktion der Entstehung neuer Wurzelkariesläsionen um 33% [21]. Darüber hinaus konnten einige Studien zeigen, dass durch die Applikation von CHX-Lack bestehende Wurzelkariesläsionen arretiert werden können [22].

Fluoride werden am häufigsten zur Kariesprävention eingesetzt und sind in den meisten Zahnpasten in einer Konzentration von etwa 1.450 ppm enthalten. Durch eine Erhöhung der Fluoridkonzentration in Zahnpasta lässt sich ein zusätzlicher kariespräventiver Effekt erzielen. So konnte gezeigt werden, dass tägliches Putzen mit einer Zahnpasta mit einem Fluoridgehalt von 5.000 ppm das Auftreten von neuer Wurzelkaries um ca. 50% reduziert gegenüber einer Vergleichsgruppe, die mit einer 1.450 ppm Fluoridzahnpasta die Zähne putzte [23]. Tägliches Spülen mit einer Mundspülung, die 225 bis 900 ppm Fluorid enthielt, führte zu einer Reduktion neuer Wurzelkariesläsionen um ca. 18% [21]. Auch Fluoridlacke (Fluoridgehalt bis zu 50.000 ppm) werden in der Zahnarztpraxis besonders bei Patienten mit hohem Kariesrisiko zur Kariesprävention eingesetzt. Bisher gibt es nur wenige Studien, welche die Effektivität von Fluoridlacken bei Wurzelkariesläsionen klinisch untersucht haben. Da aber die Wirksamkeit von Fluoridlacken zur Prävention oder Arretierung von koronalen Kariesläsionen gut belegt ist, müssten diese auch bei Wurzelkariesläsionen effektiv sein und können daher empfohlen werden [24].

In jüngster Zeit hat eine neue Formulierung von Fluorid – Silberdiaminfluorid (SDF) – zur Kariesprävention und Arretierung von Kariesläsionen international große Aufmerksamkeit erregt. Ursprünglich hauptsächlich für die Prävention und Arretierung von Milchzahnkaries angewandt, wurde SDF in neueren Studien auch erfolgreich zur Prävention und Arretierung von Wurzelkaries eingesetzt [25]. Die Anwendung von SDF konnte beispielsweise das Auftreten neuer Wurzelkariesläsionen um 67% im Vergleich zu einem Placebo-Lack reduzieren [21]. Jedoch kommt es nach der Applikation von SDF zu einer dauerhaften Schwarzfärbung der behandelten Zahnflächen, weshalb der Einsatz zumindest an bleibenden Zähnen im sichtbaren Bereich limitiert ist. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass SDF in Deutschland bisher nicht als Substanz zur Prävention und Arretierung von Wurzelkariesläsionen erhältlich ist und demnach kaum verwendet wird.

Wie sollten Wurzelkariesläsionen behandelt werden?

Die Behandlung von Wurzelkariesläsionen stellt das Praxisteam manchmal vor große Herausforderungen: Gerade approximale Läsionen sind für eine restaurative Therapie schwer zugänglich und die Präparation eines Zugangs zur Karies von okklusal erfordert häufig die Opferung großer Mengen gesunder Zahnhartsubstanz. Die Nähe zur Gingiva gestaltet zudem die Trockenlegung häufig schwierig, sodass feuchtigkeitsempfindliche Materialien wie Komposite oftmals nur bedingt eingesetzt werden können (Abb. 1a-e). Bei älteren, pflegebedürftigen Patienten kommt erschwerend hinzu, dass diese nicht immer auf dem Zahnarztstuhl in der Praxis behandelt werden können; stattdessen sind Behandlungen in den Häuslichkeiten der Patienten (u.a. in Pflegeheimen) notwendig. Aus diesen Gründen wird seit einiger Zeit nach Behandlungsmethoden für Wurzelkaries gesucht, die auch in dieser Umgebung anwendbar und dennoch effektiv sind.

Abb. 1: Restaurative Versorgung einer ausgeprägten Wurzelkariesläsion an Zahn 21 bei einer 87-jährigen Patientin:
a) Röntgenologisch ist eine tiefe Wurzelkaries distal am vitalen Zahn 21 erkennbar. Der Kieferknochen ist im Approximalraum zwischen 21 und 22 zu ca. 50% abgebaut.
b) Ansicht von inzisal: Die Wurzelkaries erstreckt sich nach distal und palatinal.
c) Die Kavität wurde mit einem Diamanten eröffnet und kariöses Gewebe mit Rosenbohrern exkaviert.
d) Zur Trockenlegung wurde ein Metallmatrizenband entsprechend zurechtgeschnitten und mit einem Holzkeilchen approximal fixiert.
e) Fertige Füllung: Aufgrund der erschwerten Kontaminationskontrolle wurde in diesem Fall ein Glasionomerzement (Ketac Fil Plus; 3M, Seefeld) als Füllungsmaterial
verwendet. Schwendicke/Göstemeyer
Abb. 1: Restaurative Versorgung einer ausgeprägten Wurzelkariesläsion an Zahn 21 bei einer 87-jährigen Patientin:
a) Röntgenologisch ist eine tiefe Wurzelkaries distal am vitalen Zahn 21 erkennbar. Der Kieferknochen ist im Approximalraum zwischen 21 und 22 zu ca. 50% abgebaut.
b) Ansicht von inzisal: Die Wurzelkaries erstreckt sich nach distal und palatinal.
c) Die Kavität wurde mit einem Diamanten eröffnet und kariöses Gewebe mit Rosenbohrern exkaviert.
d) Zur Trockenlegung wurde ein Metallmatrizenband entsprechend zurechtgeschnitten und mit einem Holzkeilchen approximal fixiert.
e) Fertige Füllung: Aufgrund der erschwerten Kontaminationskontrolle wurde in diesem Fall ein Glasionomerzement (Ketac Fil Plus; 3M, Seefeld) als Füllungsmaterial
verwendet.

Bei nichtkavitierten Wurzelkariesläsionen sollte eine Arretierung mit den Substanzen, die auch zur Kariesprävention eingesetzt werden, angestrebt werden. Hierfür kann den Patienten eine Zahnpasta mit 5.000 ppm statt der üblich benutzten Zahnpasta oder eine Fluoridspülung empfohlen werden. Auch die Applikation von CHX- oder Fluoridlack alle 3 bis 6 Monate in der Praxis scheint vielversprechend zu sein. Die Applikation von SDF könnte sich ebenfalls gut eignen, jedoch sollten Patienten auf die Schwarzfärbung der behandelten Zahnflächen hingewiesen werden [21]. Liegt eine kavitierte Wurzelkariesläsion vor, die zwar der Mundhygiene zugänglich, aber aufgrund der Kavitation schwer sauber zu halten ist, sollte ebenfalls die Arretierung der Läsion wie oben beschrieben angestrebt werden. Um die Plaquekontrolle durch Mundhygienemaßnahmen wieder zu ermöglichen, sollte die Kavität jedoch im Vorfeld mit Präparationsinstrumenten eröffnet bzw. sollten überhängende Schmelzränder entfernt werden. Auch eine Glättung der Läsion mit Instrumenten ist möglich [26]. Entscheidend sind jedoch die anschließende Plaqueentfernung und Fluoridzufuhr. Bei vielen Hochrisikopatienten werden diese allerdings nicht verlässlich gewährleistet sein.

Sollte die Kavität sich an einer schwer zugänglichen Stelle (z.B. approximal) befinden oder der Patient dies aus ästhetischen Gründen wünschen, ist eine restaurative Therapie sinnvoll. Je nach Situation kommen hierfür als Restaurationsmaterialien Komposite oder Glasionomerzemente infrage. Aufgrund der eingeschränkten Behandlungsmöglichkeit bei pflegebedürftigen Patienten werden auch zunehmend restaurative Ansätze erprobt, die keine Präparation mit rotierenden Instrumenten erfordern. Bei der sogenannten ART-Technik (Atraumatic Restorative Treatment) erfolgen die Präparationsmaßnahmen und die Ausarbeitung der Füllungen nur mit Handinstrumenten. Daher könnte sich diese Technik dafür eignen, Kariesläsionen bei eingeschränkt behandlungsfähigen Patienten (z.B. bettlägerige Patienten) zu behandeln. In klinischen Studien kam es jedoch beim Einsatz dieser Technik zur Therapie von Wurzelkariesläsionen häufiger zu Misserfolgen im Vergleich zu konventionellen Restaurationen [27]. 

Fazit

Ausgehend von veränderten Risikoprofilen einer wachsenden Gruppe älterer Individuen ist von einer steigenden Zahl behandlungsbedürftiger Wurzelkariesläsionen in der Zukunft auszugehen. Wurzelkaries unterscheidet sich sowohl pathogenetisch, v.a. aber auch hinsichtlich seiner Morphologie und der notwendigen Behandlungskonzepte von Kronenkaries. Die Prävention von Wurzelkaries setzt bisher v.a. auf etablierte Konzepte (antibakterielle Therapie, Fluoride). Diese können auch zur Arretierung zugänglicher, vorangeschrittener Läsionen, möglicherweise nach Eröffnung oder Glättung der Läsion, zum Einsatz kommen. Für die Restauration von Wurzelkariesläsionen sind traditionelle Konzepte sowie übliche Materialien (z.B. Komposite) nicht immer anwendbar. Prävention und Therapie von Wurzelkaries, insbesondere die restaurative Therapie, sind herausfordernd und es besteht ein wachsender Bedarf an neuen Präventions- und Therapieansätzen.

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