Parodontologie

Teil 1: Patientenindividuelle Risikofaktoren

Die unterstützende Parodontitistherapie im Spannungsfeld von Wissenschaft und Praxis - Teil 1

.
.

Viele Faktoren sind für eine erfolgreiche Umsetzung der UPT verantwortlich. Dies können patientenindividuelle Faktoren sein sowie Maßnahmen des häuslichen und professionellen Biofilmmanagements. Das Autorenteam gibt in einem zweiteiligen Artikel einen umfassenden Überblick mit Verweis auf die Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie.

Parodontitis ist eine behandelbare Entzündungskrankheit, jedoch hängt der Grad des Erfolgs einer Parodontaltherapie neben den Maßnahmen zum professionellen Biofilmmanagement auch entscheidend von der Motivierung und einer kontinuierlichen Mitarbeit der Patienten ab. Dabei sollten sowohl in der 1. als auch in der 4. Therapiestufe [1] der sogenannten unterstützenden Parodontitistherapie (UPT), Interventionen zur Beratung und Motivation eines gesundheitsbewussten Verhaltens sowie einer patientenindividuellen Mundhygieneunterweisung erfolgen. Ebenso helfen Maßnahmen der professionellen mechanischen Plaquereduktion (PMPR) und lokalisierte subgingivale Instrumentierungen bei Resttaschen in der UPT die parodontalen Verhältnisse langfristig zu stabilisieren [2].

Jedoch müssen die Sitzungen in entsprechend patientenindividualisierten Intervallen an die Progression der Erkrankung und möglichen Risikofaktoren wie Rauchen oder ein Diabetes mellitus angepasst erfolgen. Auch sollte für die Planung der UPT beachtet werden, dass zwar mit einem jüngerem Lebensalter parodontalerkrankter Patienten eher lokalisierter Destruktion verbunden sind und dadurch die Erfolgsaussichten eines langfristigen Zahnerhaltes steigen, jedoch die Dauer und Umfang der UPT langfristig höhere Kosten verursachen wird [3].

Deshalb ist es von herausragender Bedeutung, dass patientenindividuelle Parameter regelmäßig (re)evaluiert werden [1]. Eine optimal an die eigenen Praxisbedingungen (z.B. Verfügbarkeit weitergebildeten Personals, Instrumente etc.), die praxiseigene Patientenkohorte (z.B. Lebensalter, Wahrnehmung von zahnmedizinischen Prophylaxemaßnahmen) adaptierte und personalisierte UPT kann die Zahnverluste limitieren helfen [2]. Die berechneten Überlebenswahrscheinlichkeiten liegen dann bei 60 bis 95% und sind mit denen von enossalen Implantaten vergleichbar, weshalb es nicht verwundert, dass derartig betreute Patienten auch eine hohe orale Lebensqualität in der UPT-Phase empfinden [4].

In 2 Teilen sollen einige Aspekte für eine erfolgreiche Umsetzung der UPT diskutiert werden, wobei im ersten Teil der Schwerpunkt auf patientenindividuellen Faktoren liegt und der zweite Teil das häusliche und professionelle Biofilmmanagement betrachtet. Für einen umfassenden Überblick aller Details wird auf die Empfehlungen der aktuelle S3-Leitlinie [1] „Die Behandlung von Parodontitis Stadium I bis III – Die deutsche Implementierung der S3-Leitlinie „Treatment of Stage I–III Periodontitis“ der European Federation of Periodontology (EFP)“, AMWF 083-043) sowie den Ausführungen zur PAR-Richtlinie 2021 der KZBV verwiesen.

Parodontitistherapie – Systematik hat sich bewährt

Aufgrund der Komplexität der inflammatorischen Erkrankung muss es das Ziel der Parodontitistherapie sein, die Risikolast zu minimieren und so das Entzündungsgeschehen zu kontrollieren sowie die fortschreitende Destruktion des Zahnhalteapparates zu stoppen oder zumindest entscheidend zu verlangsamen. Wie bei vielen chronischen Entzündungserkrankungen müssen verschiedene Risikofaktoren in der Therapie adressiert werden; jedoch sollte bedacht werden, dass einige Faktoren nicht therapeutisch modifizierbar sind. Andere können hingegen durch zahnärztliche Intervention beseitigt werden (z.B. insuffiziente Füllungs-/Kronenränder), die Mehrzahl erfordert jedoch eine aktive Beteiligung der betroffenen Patienten [5].

Früher wurde im Wesentlichen die Mitarbeit des Patienten (Compliance) anhand seiner häuslichen Mundhygiene (Plaque-Indizies) bemessen, wobei die so vom Patienten eingeforderte komplette Entfernung des oralen Biofilmes derzeitig nicht nur als illusorisch zu betrachten ist und weder erforderlich noch zielführend erscheint [6]. Vordringlich muss eher der pathogene dysbiotische Zustand der Parodontitis mittels entsprechender Therapie in einen protektiven symbiotischen zurück überführt werden! Dies gelingt aber nur, wenn neben dem häuslichen und professionellen Biofilmmanagement auch alle anderen beeinflussbaren Risikofaktoren teilweise oder vollständig kompensiert werden (cave: genetische Prädisposition). Folglich müssen adäquate Maßnahmen der Gesundheitsbewusstseinsförderung ergriffen werden und es muss die Adhärenz (neu für „Compliance“ im wissenschaftlichen Sprachgebrauch) gegenüber der Parodontitistherapie gesteigert werden.

Jedoch ist es in der täglichen Praxis nicht immer ganz einfach die vermeintlich richtigen Interaktionen abzuwägen und die Adhärenz in einer jahrelangen UPT aufrecht zu erhalten. Denn nur wenn auch die patientenindividuelle Anpassung sowohl der nachfolgend zu erläuternden spezifischen Interventionen als auch der Recall-Intervalle regelmäßig stattfinden, sind gegenüber einer unregelmäßig durchgeführten UPT geringere Zahnverlust zu erwarten [7].

Somit stellt die UPT bei weitem kein vermeintlicher „Recall“ mit immer gleichen Vorgehensweisen nach Schema F dar, sondern ist als eine aktive Nachsorge mit der Kompetenz des gesamten Praxisteams zu organisieren [8]! Jedoch zeigt eine aktuell publizierte Untersuchung von Behandlungsergebnissen gesetzlichversicherter Parodontitispatienten in Mecklenburg-Vorpommern [9], dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen gelebter Praxis und dieser Evidenz gibt.

Wie Kocher et al. [9] feststellten, war die Parodontaltherapie in deutschen allgemeinzahnärztlichen Praxen im Rahmen des nationalen Krankenversicherungssystems bis zur Novellierung 2021 wahrscheinlich nicht effizient genug, um kurz- bis mittelfristig mehr Zähne bei fortgeschrittenem Erkrankungszustand zu erhalten als keine Parodontitistherapie durchzuführen (jährliche Zahnverlust-/Inzidenzraten: 0,35/0,18 versus 0,19/0,08). Es kann aber auch anders gehen wie Behandlungsergebnisse spezialisierter parodontologischer Fachzentren anhand niedriger jährlicher Zahnverlust von circa 0,10 bis 0,15 Zähne/Jahr über mehr als 10 Jahren UPT aufzeigen [2,10,11].

Risikoevaluierung – Notwendiges Übel oder entscheidender Vorteil?

Viele potenzielle Risiko- oder Prognosefaktoren für Zahnverlust bei Parodontitis sind zwar als statistisch signifikant in epidemiologischen Studien identifiziert worden, jedoch sind diese entweder nicht von klinischer Relevanz oder in der täglichen Routine nur schwerer anwendbar [12]. Zudem sind diese Faktoren relativ zu sehen: Sie sagen z.B. die Wahrscheinlichkeit eines Zahnverlustes in einem bestimmten Patientenfall, verglichen mit einem anderen Patientenfall, voraus.

Das Problem ist, dass viele Prognosemodelle aus kleinen, retrospektiven Kohortenstudien entstanden sind, oftmals als Ergebnis einer gut dokumentierten Behandlung in spezialisierten Universitätskliniken [13–17] mit adhärenten Patienten. Diese Modelle erlauben zwar eine Abschätzung der relativen Unterschiede beim Attachmentverlust oder den Sondierungstiefen, jedoch sind beides Größen, die für Patienten eher irrelevant und auch für die Prognose eines Zahnverlustes nur begrenzt einsetzbar sind [18]. Die Verlässlichkeit der Ergebnisse einer Risikoevaluierung ist aber für den vorausschauenden Praktiker von hoher Relevanz [12] weshalb bis heute unklar ist, wie gut diese Modelle in einer Zahnarztpraxis wirklich anwendbar und erfolgreich wären [19].

Entsprechend der aktuellen Evidenz und PAR-Richtlinie sollte eine erste Reevaluation sich deshalb circa 3 bis 6 Monate nach der 2. Therapiephase anschließen und Zähne mit verbleibenden, gut zugänglichen Taschen von ≥ 5 mm Sondierungstiefen (ST), z.B. an einwurzeligen Zähnen, erneut subgingival gereinigt werden [20]. Bei unverändert tiefen Taschen bzw. Taschen mit Entzündungszeichen an schwer zugänglichen Stellen wie Furkationen oder unterminierenden infra-alveolären Defekten sollte hingegen eine 3. Therapiestufe folgen [10,16]. Das individuelle UPT-Intervall sollte entsprechend den Leitlinienempfehlungen erstmalig nach abschließender Reevaluation der Therapiestufen 1 bis 2 (3) festgelegt werden und zwischen 3 und 12 Monaten variieren, jedoch muss dies nach Kassenzahnärztlichen Richtlinien bereits zur Antragstellung aufgrund des zu diesem Zeitpunkt vorgefunden Progressionsgrades (A – C) erfolgen und kann maximal 1 x im Kalendertertial mit einem Mindestabstand von 3 Monaten für die folgenden 2 Jahre UPT betragen.

In Abhängigkeit des zuvor festgelegten Progressionsgrades sollte regelmäßig, jedoch mindestens 1x jährlich, die Erhebung des Zahnstatus einschließlich der Sondierungstiefen und dem Bluten auf Sondieren (BAS), besser noch des Attachmentlevels und der Furkationsbeteiligung erfolgen. Zahnflächen mit erhöhtem Risiko fortschreitenden Knochenabbaus sollten häufiger kontrolliert werden.

Nur so kann gewährleistet werden, dass Rezidive frühzeitig erkannt und adäquate therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Zudem sollten bekannte Prognosefaktoren, wie z.B. Rauchen, zusätzlich erhoben werden.

Der Progressionsgrad (A bis C) der Erkrankung nach neuer Klassifikation von 2018 sollte zur Planung einer personalisierten UPT angewendet werden. Die Progressionsrate lässt sich mittels des Erkrankungsgrades (A bis C) quantitativ beschreiben und wird vor allem durch einen primären Faktor des Knochen-Abbau-Altersindex sowie möglichen Modifikatoren graduiert. Modifizierbare Faktoren sind z.B. Rauchen und Diabetes mellitus. Aber auch ein fortgeschrittener Knochenabbau, Furkationsbeteilung oder Zahnbeweglichkeit sollten bei Durchführung der UPT unbedingt berücksichtigt werden. Jedoch liegen bislang für deren Gewichtung und der sich daraus ergebenden Therapieentscheidungen kaum verlässliche Modelle für die tägliche Praxisroutine vor.

Spezifische Interventionen der UPT

In der UPT sollten individuelle Interventionen ergriffen werden, welche abhängig vom gingivalen und parodontalen Status sind und sich mit den präventiven/ therapeutischen Interventionen aus der 1. und 2. Therapiestufe kombinieren lassen. Diese professionellen Maßnahmen müssen durch eine Aufrechterhaltung der Motivation zur kontinuierlichen Mitarbeit der Patienten flankiert werden. Das bedingt eine regelmäßige, individuell an die Bedürfnisse des Patienten angepasste Betreuung.

Die Hauptziele der 4. Therapiestufe (UPT) sind (1) die Vermeidung oder Minimierung von Rezidiven, (2) die Vermeidung einer weiteren Destruktion des Zahnhalteapparates, (3) die Vermeidung oder zumindest Reduktion von Zahnverlusten und (4) ein frühzeitiges Eingreifen bei eventuell auftretenden Erkrankungen der Mundhöhle. Die Inhalte der 4. Therapiestufe (UPT) sind (1) die Bewertung und Überwachung der systemischen und parodontalen Gesundheit, (2) die Aufrechterhaltung des Mundhygienebewusstseins, (3) die Patientenmotivation zur kontinuierlichen Kontrolle von Risikofaktoren und Teilnahme an der UPT (Adhärenz) und (4) die professionelle mechanische Plaquereduktion (PMPR) flankiert durch lokalisierte subgingivale Instrumentierung bei Resttaschen.

Die Möglichkeit des Wiederauftretens der Erkrankung lässt eine erneute Therapie nötig werden, was eine kontinuierliche Kontrolle der parodontalen Situation und entsprechend abgestimmte Interventionen nach sich zieht. Alle Parodontitispatienten sollten nach Abschluss der ersten 3 Therapiestufen in zwei diagnostische Gruppen unterteilt werden (Tabelle 1): (a) Parodontitispatienten mit reduziertem, aber gesundem Parodont oder (b) Parodontitispatienten mit gingivaler Entzündung [21,22].

(a) Parodontitispatienten mit reduziertem, aber gesundem Parodont(b) Parodontitispatienten mit gingivaler Entzündung
Sondierbarer AttachmentverlustJaJa
Sondierungstiefen (alle Stellen und bei Ausschluss von Pseudotaschen)≤ 4mm (keine Stelle ≥ 4 mm mit Bluten auf Sondieren)≤ 3 mm
Bluten auf Sondieren< 10%Ja (≥ 10%)
Röntgenologischer KnochenabbauJaJa
Quelle: Leitlinie [DG PARO/DGZMK, 2020]

Tab. 1: Diagnostische Nachschlagetabelle für gingivale Gesundheit bei einem erfolgreich behandelten stabilen Parodontitispatienten in der klinischen Praxis.

In beiden Fällen muss mittels der spezifisch angepassten UPT aus der Kombination von präventiven und therapeutischen Maßnahmen das Risiko eines Rezidivs oder einer Progression abgefangen werden. Hierzu zählen Bewertung und Überwachung der systemischen und parodontalen Gesundheit, Stärkung der Mundhygieneinstruktionen, patientenspezifische Verhaltensanweisungen, Patientenmotivation zur kontinuierlichen Kontrolle von Risikofaktoren, professionelle mechanische Plaquereduktion (PMPR) und lokalisierte subgingivale Instrumentierung bei Resttaschen.

Gerade die Aufklärung muss schrittweise und individuell an die Bedürfnisse des Patienten wiederholt erfolgen um die erreichten Therapieergebnisse auch langfristig zu sichern [23,24]. Jedoch ist zum einen die Behandlungszeit aber auch die Aufnahmekapazität von Informationen interindividuell unterschiedlich stark limitiert.

Deshalb sollten Informationen priorisiert und die Handlungsempfehlungen auf die aktuell in der UPT-Sitzung vorgefundene individuelle Situation abgestimmt werden. So sollte beispielsweise unbedingt eine sich veränderte Furkationsbeteiligung mit erschwerter Zugänglichkeit der häuslichen Mundhygienehilfsmittel gegenüber anderen, bereits bekannten Pflegehinweisen während der Mundhygieneunterweisung priorisiert betrachtet werden (Abbildung 1).

  • Abb. 1a: Komplexe Anforderung an einen 50-jährigen Patienten mit reduziertem, aber gesundem Parodont im 3. Jahr nach 2. Therapiestufe bei der Furkationsreinigung
einer von (links) mesio-palatinal an 16 und von (rechts) vestibulär an 17 mit Grad II [25] sondierbaren Furkation im Rahmen der häuslichen Mundhygiene mittels
konischer Interdentalraumbürste (CPS 15 regular, Curaprox, Curaden GmbH) und langem Griff (Originalabbildung aus Graetz et al. [26]).
  • Abb. 1b: Komplexe Anforderung an einen 50-jährigen Patienten mit reduziertem, aber gesundem Parodont im 3. Jahr nach 2. Therapiestufe bei der Furkationsreinigung
einer von (links) mesio-palatinal an 16 und von (rechts) vestibulär an 17 mit Grad II [25] sondierbaren Furkation im Rahmen der häuslichen Mundhygiene mittels
konischer Interdentalraumbürste (CPS 15 regular, Curaprox, Curaden GmbH) und langem Griff (Originalabbildung aus Graetz et al. [26]).
  • Abb. 1a: Komplexe Anforderung an einen 50-jährigen Patienten mit reduziertem, aber gesundem Parodont im 3. Jahr nach 2. Therapiestufe bei der Furkationsreinigung einer von (links) mesio-palatinal an 16 und von (rechts) vestibulär an 17 mit Grad II [25] sondierbaren Furkation im Rahmen der häuslichen Mundhygiene mittels konischer Interdentalraumbürste (CPS 15 regular, Curaprox, Curaden GmbH) und langem Griff (Originalabbildung aus Graetz et al. [26]).
    © Graetz C, Kebschull M, Dannewitz B. Die vierte Therapiestufe. Parodontologie 2022;33:149-160.
  • Abb. 1b: Komplexe Anforderung an einen 50-jährigen Patienten mit reduziertem, aber gesundem Parodont im 3. Jahr nach 2. Therapiestufe bei der Furkationsreinigung einer von (links) mesio-palatinal an 16 und von (rechts) vestibulär an 17 mit Grad II [25] sondierbaren Furkation im Rahmen der häuslichen Mundhygiene mittels konischer Interdentalraumbürste (CPS 15 regular, Curaprox, Curaden GmbH) und langem Griff (Originalabbildung aus Graetz et al. [26]).
    © Graetz C, Kebschull M, Dannewitz B. Die vierte Therapiestufe. Parodontologie 2022;33:149-160.

Ein weiterer Faktor, den es in der Praxis zu organisieren gilt, ist die Motivation der Patienten zur regelmäßigen Teilnahme an der UPT. Hier reicht es oftmals nicht aus, den Patienten nur dahingehend aufzuklären, dass höhere Zahnverlustraten (reguläre/irreguläre UPT: 0,12 versus 0,36 jährliche Zahnverluste; p < 0,01) und eine Progression der Erkrankung (reguläre/irreguläre UPT: mittlere Sondierungstiefen von 3,2 versus 3,8 mm; p < 0,001) drohen wenn nur unregelmäßig an der UPT teilgenommen wird (Kalkulationsbasis ≤ 5 Jahre UPT), sondern es muss dezidierter auf die individuelle Situation (Arzt-Patienten-Bindung) eingegangen werden.

Es kann viele Gründe für die Nichteinhaltung der UPT-Termine geben. Diese reichen von wirtschaftlichen Problemen, dem sozioökonomischen Status, Termindruck, Angst, mangelnder Zufriedenheit bis hin zum Verhalten, Kommunikation, Interaktion des Zahnarztes mit den betroffenen Patienten [29]. Ähnlich wie es auch für depressive Erkrankungen beschrieben wird [30], kann sich auch ein unsicheres, vermeidendes Bindungsverhalten negativ auf den rechtzeitigen Behandlungsbeginn und auf die regelmäßige Teilnahme an der UPT auswirken [29], ohne dass dies dem Patienten vollständig als mangelnde Adhärenz angelastet werden kann.

Auch haben bindungsvermeidende Patienten eher die Tendenz zu notwendigen Vorsorgeuntersuchungen gar nicht erst zu erscheinen [31]. Dies könnte für Patienten mit Parodontitis bedeuten, dass sie weniger von Symptomen berichten [32], sich später einer Therapie unterziehen und/oder durch häufiges Terminabsagen bzw. Terminversäumnisse in der UPT auffallen [29,33].

UPT – Was machen bei Rauchen und Diabetes mellitus?

Da Parodontitis eine multikausale Entzündungserkrankung ist, muss neben der Biofilmentfernung die mögliche Interaktion mit bekannten Risikofaktoren für die Erkrankung genauso in der Therapie Beachtung finden [34] wodurch diese aber komplexer wird [35] und die zahnärztliche Praxis vor Herausforderungen stellt [36]. Einer der identifizierten Hauptrisikofaktoren ist neben dem Rauchen der Diabetes mellitus. Da Diabetes mellitus und Parodontitis eine wechselseitige Beziehung aufweisen, ist das Wissen um die möglichen Interaktionen bei der Therapie beider Erkrankungen von herausragender Bedeutung [37].

Die Durchführung der UPT ist für alle Patienten nach vorhergehender Parodontitistherapie der Stufen I bis III essenziel, denn unabhängig ob die Parodontitispatienten noch eine gingivale Entzündung aufweisen oder nicht, haben sie ein reduziertes Parodont mit dem hohen Risiko eines Rezidivs oder einer Progression der Erkrankung. Adhärenz fördern, jedoch eine Übertherapie durch Verunsicherung vermeiden! Verhalten der Patienten gegenüber den Terminen während der Stufen 1 bis 3 beachten, um möglichst frühzeitig zu Beginn der UPT bei bindungsunsicheren, bindungsvermeidenden oder depressiven Patienten durch eine gezielte Ansprache gegensteuern zu können. Menschen mit vermeidenden Verhaltensmustern und depressiven Erkrankungen haben schlechtere Voraussetzungen und müssen von Therapiebeginn an durch eine intensivere Unterstützung zur Teinahme an einer andauernden UPT bewegt werden.

Wenn man also eine adäquate nicht-chirurgische Parodontitistherapie durchführt, kann dies nachweislich zu einer Besserung des glykämischen Status bei Patienten mit Diabetes mellitus beitragen [38]. Deshalb sollte die UPT ebenso wie die vorherigen Therapiestufen Bestandteil der Therapie von parodontal erkrankten Diabetespatienten sein, um die Insulinsensitivität und damit die glykämische Kontrolle zu verbessern [29,40].

Auch Raucher haben, wie schlecht eingestellte Diabetiker, ein höheres Risiko für Rezidive und fortschreitende Destruktion in der UPT gegenüber Nichtrauchern oder ehemaligen Rauchern, weshalb die Interventionen zur Raucherentwöhnung im Rahmen der UPT intensiv fortgeführt werden müssen! Bei einem erfolgreichen Rauchstopp kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Sondierungstiefenreduktion mit ≥ 2mm in der UPT signifikant verbessern [41]. Da man sich aber bewusst sein muss, dass jeder gescheiterte Entwöhnungsversuch den Erfolg nachfolgender Anläufe erschwert, sollte man selbst nur dann eine Entwöhnungstherapie versuchen, wenn man in der angewandten Methode (z.B. 5-A-Strategie, Motivational Interviewing, Kurzinterventionen etc.) geschult ist [42] und sie gut beherrscht (siehe auch S3-Leitlinie „Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums“ (AWMF-Register Nr. 076-006).

Gerade die Raucherentwöhnung, aber auch eine Ernährungsberatung bei Adipositas oder einem Diabetes mellitus, ist komplex [23] und kann dringend benötigte Ressourcen in der Zahnarztpraxis (Fachkräftemangel) binden. Daher sollte eine Überweisung zu anderen Fachleuten des Gesundheitswesens sorgfältig abgewogen werden.

Aufgrund der engmaschigen Betreuung von Parodontitispatienten im Rahmen der UPT lässt sich die Kontrolle von Risikofaktoren wie z.B. das Rauchen in der zahnärztlichen Praxis gut realisieren. Jedoch muss individuell abgewogen werden, ob die jeweilige Therapie bzw. Beratung an entsprechende Spezialisten bzw. Fachzentren delegiert wird und stattdessen in der zahnärztlichen Praxis der primäre Fokus auf den Interventionen zur professionellen und häuslichen Plaquekontrolle gesetzt wird. Die Durchführung der UPT ist für parodontal erkrankte Diabetiker genauso essenziell wie für Nichtdiabetiker, jedoch sollten 1. der Diabetestyp, 2. die Dauer der Diabeteserkrankung (assoziiert mit der Komplikationsrate) und fortlaufend in jeder UPT-Sitzung die glykämische Einstellung (HbA1c-Wert) erfragt werden.
Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Christian Graetz - Dr. Miriam Cyris