Bruxismus bei Kindern und Jugendlichen

Oftmals berichten besorgte Eltern von einem „störenden Zähne-knirschen“ ihres Kindes. Auch wenn Bruxismus im Kindesalter meist keiner Therapie bedarf, ist es doch sinnvoll, ein Screening und eine klinische Untersuchung durchzuführen, um kindliche Risikopatienten zu erfassen und an andere Fachdisziplinen zu überweisen. Ab dem jugendlich-bleibenden Gebiss kann wie bei Erwachsenen eine zahnmedizinische Therapie bereits indiziert sein. Eine umfassende Untersuchung und Aufklärung ist aufgrund der multifaktoriellen Ursachen sehr wichtig und hilft hinsichtlich der Diagnosestellung und Differentialdiagnostik.
Bruxismus, das Knirschen und Aufeinanderpressen mit den Zähnen, betrifft einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung. Über Abrasionen und keilförmige Defekte an Zähnen, Überbelastungen des Parodontiums und auch des Kiefergelenks sowie den assoziierten Muskelgruppen beeinträchtigt Bruxismus mitunter die Lebensqualität der betroffenen Personen (i.d.R. gilt dies aber eher ab dem Jugend- und Erwachsenenalter). Deshalb ist es gerade in der Zahnarztpraxis relevant, über eine strukturierte Anamnese die Symptomatik, Risikofaktoren und auch Ursachen frühzeitig zu erkennen, um entsprechende Präventions- bzw. Therapiemaßnahmen einleiten zu können.
Definition und Formen von Bruxismus
Aufgrund international uneinheitlicher Definitionen hat ein internationales Expertengremium Bruxismus bei einer Consensus-Konferenz im Jahr 2012 folgendermaßen beschrieben [30]: Bruxismus ist eine repetitive Kaumuskelaktivität, die durch Pressen oder Knirschen mit den Zähnen und/oder durch Verspannen bzw. Pressen der Kiefer aufeinander charakterisiert ist. Bruxismus hat zudem zwei verschiedene tageszeitabhängige Manifestationen: während des Schlafes (Schlafbruxismus) oder im Wachzustand (Wachbruxismus) [30,36]. Beide Erkrankungen ähneln sich, doch liegt die Vermutung nahe, dass sie sich ätiologisch und pathophysiologisch sogar unterscheiden, da sie bei einem Patienten nicht zwingend zusammen vorzufinden sind [29].
Früher genutzte Begriffe wie „Bewegungsstörung“ oder „Parafunktion“ sind nach aktuellem Verständnis nicht immer ganz treffend. Diese Bezeichnungen als „Störung“ sind primär negativ belegt. Dabei kann besonders im Schlaf ein Knirschen/Pressen auch physiologisch zur Sicherung der offenen Atemwege sein [5].
Auch ist es bei Kindern, insbesondere in der Milch- und Wechselgebissphase zum Einstellen der Okklusion i.d.R. nicht pathologisch. Unter Schlafbruxismus wird nach der American Academy of Sleep Medicine ein schlafassoziiertes Knirschen und/oder Pressen der Zähne verstanden, das unbewusst auftritt und mitunter zum Aufwachen führt [1].
Unter Wachbruxismus wird ein Knirschen und/oder Pressen der Zähne verstanden, welches im Wachzustand - also meist tagsüber - auftritt und somit auch bewusst wahrgenommen werden kann. Diese Form des Bruxismus scheint oft mit Stress (z.B. unruhige familiäre oder soziale Situation, stressiger Arbeitsplatz etc.) zu korrelieren [28].
Epidemiologie und Risikofaktoren
Zähneknirschen im Kindesalter tritt häufig auf – v.a. im Milch- und Wechselgebiss. Hier ist Zähneknirschen oft sogar nötig, um u.a. die Okklusion einzustellen, weshalb Abrasionen an den Milchzähnen auch vielfach vorzufinden sind (Abb. 1a und b) [45]. Ein hoher Prozentsatz (unterschiedliche Angaben in der Literatur, bis zu 50%) von Kindern zeigt Symptome von Bruxismus [34,43,47], doch Abrasionen alleine liefern keinen direkten Beweis für die Diagnose Bruxismus (Tab. 1). Die aktuelle Bruxismus-Leitlinie gibt für Schlafbruxismus eine Spanne in der Prävalenz von 2,5% bis 56,5% an und dieser scheint zudem mit Schlafstörungen bzw. schlechter Schlafqualität assoziiert zu sein [14].
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Abb. 1a, b, c: Verschiedene Befunde von Abrasionen bei Kindern in verschiedenen Altersgruppen.
Abrasionen an den unteren Schneidezähnen im Milchgebiss bei einem Kindergartenkind (a). Dieser Befund ist sehr häufig. Im Vergleich dazu sehr starke Abrasionen
bei den oberen Milchschneidezähnen bei einem 6-Jährigen (b). Ein solcher Befund ist eher selten. Nun stehen diese Zähne auch kurz vor der physiologischen
Exfoliation, da im Unterkiefer bereits die permanenten Zähne durchbrechen, und bedürfen wohl keiner weiteren Therapie. Abrasionen an den Frontzähnen bei einem
Jugendlichen (c), der anamnestisch angibt, bei der Bearbeitung der Hausaufgaben und beim Lernen am Schreibtisch häufig mit den vorderen Schneidezähnen zu
knirschen.
© Dr. Schmoeckel -
Abb. 1b: Verschiedene Befunde von Abrasionen bei Kindern in verschiedenen Altersgruppen.
Dieser Befund ist sehr häufig. Im Vergleich dazu sehr starke Abrasionen
bei den oberen Milchschneidezähnen bei einem 6-Jährigen (b).
© Dr. Schmoeckel
Anamnestisch | Klinisch |
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Tab. 1: Anamnestische und klinische Aspekte zum Screening* nach Schlafbruxismus bei Kindern (modifiziert nach Carra et al. 2011 [9]).
* Für ein Screening sind die aufgeführten Anzeichen bzw. Symptome von Schlafbruxismus wichtig, jedoch liefern sie keinen direkten Beweis für die Diagnose Schlafbruxismus. Der Goldstandard für die Diagnosestellung ist die Polysomnographie (nächtliche Video- und Audioaufzeichnung).
So hat fast die Hälfte der Kinder mit Schlafapnoe auch Schlafbruxismus [13,22]. Interessanterweise tritt Schlafbruxismus eher bei jüngeren Kindern (<12 Jahre) und Wachbruxismus eher bei Jugendlichen auf (Abb. 1c) [9].
Aus kieferorthopädischer Sicht ist anzumerken, dass bei Kindern mit Schlafbruxismus auch häufiger eine skelettale oder auch dentale Klasse II vorliegt [9]. Interessant ist auch, dass Kinder mit Schlafbruxismus häufig auch ein Aufmerksamkeitsdefizit und eine Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben [48]. Da die Prävalenz von Schlafbruxismus nach der Tonsillektomie/Adenotonsillektomie bei Kindern mit schlafbezogenen Atmungsstörungen abnimmt [13,16], wird vermutet, dass durch Schlafbruxismus die Atemwege im Schlaf geöffnet werden [9].
Bei Jugendlichen gilt es zudem, neben der Pubertät und allgemeinen Stressfaktoren auch den möglichen Faktor Mobbing (in der Schule) zu berücksichtigen. So weisen laut einer aktuellen Studie Jugendliche mit Schlafbruxismus eine deutliche Assoziation mit Mobbing auf, mit einem etwa 6-fach erhöhten Risiko [46]. Im Schlaf, also meist während der Nacht, verarbeiten Kinder, was sie am Tage erlebten, denn für Kinder ist Vieles neu.
Nicht selten kann nächtliches Knirschen also auch auf das Verarbeiten eines besonderen Tagesablaufs hindeuten. Mitunter sind dann klinisch bei der Inspektion auch an einigen Zähnen Schmelzrisse zu befunden (Abb. 2).
Risikopatienten an Spezialisten überweisen
Oftmals sind es die Eltern, die in der Anamnese von regelmäßigen nächtlichen Knirschgeräuschen bei ihren Kindern berichten. Sofern bei Kindern mit Verdacht auf Schlafbruxismus zudem Schlafprobleme oder Verhaltensauffälligkeiten vorliegen, sollten diese Kinder interdisziplinär weitergehend untersucht werden [9]. Dem Zahnarzt obliegt in der Regel das Screening (Tab. 1), und er sollte bei Verdacht den „Risikopatienten“ an einen Spezialisten (Schlafmediziner oder Psychologen) zur weiteren Abklärung und Diagnostik (ggf. Polysomnographie) überweisen.
Anschließend kann der Zahnarzt bzw. Kieferorthopäde beim Schlafbruxismusmanagement z.B. durch orale Apparaturen mitwirken. Ob Patienten mit KFO-Behandlungen jedoch ein erhöhtes oder ein vermindertes Risiko von Bruxismus aufweisen, ist bislang wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt [23].
Neben oftmals physiologischem Zähneknirschen (Einstellen der Okklusion) sollten also schlafbezogene Atmungsstörungen, aber auch Zahnfehlstellungen und auch stress-assoziierte Reaktionen als mögliche Faktoren, insbesondere beim zahnärztlichen Screening bezüglich Bruxismus bei Kindern, berücksichtigt werden. In der aktuellen Leitlinie genannte Stressfaktoren, die im Zusammenhang mit Bruxismus bei Kindern stehen können, sind z.B. „geschiedene Eltern“, „Licht und Geräusche im Schlafzimmer“, „berufstätige Mutter“ und eine „dysfunktionale Familienkonstellation“ [14].
Befunderhebung und Symptomatik zur Diagnose
Die Anamnese ist ein essentieller Bestandteil bei Screening und Diagnostik von Bruxismus, denn die Selbstwahrnehmung von Zähneknirschen am Tage scheint ein zuverlässiger Parameter im Screening für Wachbruxismus zu sein [21]. Sie hilft auch zur Abgrenzung bzw. zur Erkennung von CMD. Ein ausführliches Arztgespräch mit Einsatz standardisierter Erfassungsbögen (u.a. auch zur Erkennung von psychosozialen Beeinträchtigungen) bietet sich deshalb an.
Erfassungsbögen (Abb. 3a und b) zum Bruxismus-Screening und zur Erhebung des klinischen Funktionsstatus sind z.B. von der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) in der DGZMK online frei verfügbar*. Damit können u.a. der Grund des Besuchs, die genaue Lokalisation, Zeitpunkt und Ausprägung der Symptomatik systematisch abgefragt und festgehalten werden. Im nächsten Schritt (Funktionsstatus Blatt 2**) können systematisch neben dem Zahnstatus auch Abrasionen/Attrition, keilförmige Defekte an Zähnen, u.a. die Muskulatur, Kiefergelenke, Mobilität des Unterkiefers und die Okklusion dokumentiert werden. Für diese Untersuchung werden lediglich die Hände und ggf. eine kleine Schieblehre zum Messen sowie Okklusionsfolie benötigt.
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Abb. 3a u. b: Der Einsatz standardisierter Erfassungsbögen bietet sich für eine strukturierte Erhebung bei Verdacht auf Bruxismus (a) und/oder CMD (b) an. Die Befundbögen
„Bruxismus-Screening-Index (BSI)“ und „klinischer Funktionsstatus“ von der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) sind
kostenfrei online verfügbar unter https://www.dgfdt.de/richtlinien_formulare.
© Abbildung mit freundlicher Genehmigung der DGFDT
Die Diagnosestellung von Schlaf- oder Wachbruxismus beruht im Wesentlichen auf der Selbstangabe/Anamnese und wird über Detektion u.a. von Abrasionen und keilförmigen Defekten an Zähnen durch die Untersuchung gesichert. Für die definitive Diagnose Schlafbruxismus ist eine Polysomnographie (PSG) erforderlich und für die definitive Diagnose Wachbruximsus werden oft zusätzlich elektromyographische Methoden zur Bestimmung der Kaumuskelaktivität herangezogen.
Die PSG gilt als Goldstandard zur Diagnose von Schlafbruxismus [5]. Aufgrund der aufwendigen Diagnostik mittels nächtlicher elektronischer Schlafüberwachung in einem Schlaflabor ist die PSG jedoch mit hohen Kosten verbunden und kommt daher i.d.R. nur selten zur Anwendung.
Aufgrund diagnostischer Unsicherheiten kann Schlaf- bzw. Wachbruxismus in Anlehnung an das diagnostische Stufensystem für neuropathischen Schmerz als „möglich“, „wahrscheinlich“ oder „definitiv“ eingeteilt werden [30]. So wird beispielsweise für die Diagnosestellung „definiter Wachbruximus“ eine Kombination aus der Selbstauskunft, Zeichen in der klinischen Untersuchung und die elektromyographische Untersuchung herangezogen [30].
Bruxismus gehört zu jenen Krankheitsbildern, zu deren Diagnostik bzw. Management Smartphone-Apps neuerdings eine technische Hilfestellung anbieten: So verspricht beispielweise Butler GrindCare, bestehend aus einem Sensor und einer Docking-Station, verbunden mit einer App, einen innovativen Ansatz. Der Sensor misst die Muskelaktivität und wird mittels einer Gel-Auflage zum Schlafen an der Schläfe angebracht. Bei Muskelaktivität werden reizstromähnliche Impulse an die Haut abgesandt, welche eine Reduktion der Bruxismusaktivität bewirken soll [7,24].
So erweitert dieses Biofeedbackgerät das Behandlungs- und Diagnosespektrum, da es neben dem therapeutischen Ansatz auch als diagnostisches Hilfsmittel bei Schlafbruxismus genutzt werden kann. In wieweit sich dieses Gerät wissenschaftlich und klinisch zur Behandlung langfristig bewährt, bleibt jedoch noch abzuwarten.
Pathogenese von Schlaf- und Wachbruxismus
Aktuelle Studien in der Bruxismusforschung gehen pathogenetisch von einem vom Hirnstamm ausgehenden, autonomem Geschehen aus, das auch als rhythmische Kaumuskelaktivität („rhythmic masticatory muscle activity“, RMMA) bezeichnet wird. Meist sind am Übergang zu den verschiedenen Schlafstadien diese RMMA vorzufinden und mit sogenannten Weckreaktionen („micro-arousal“) während des Schlafes verbunden, wie sie beispielsweise auch bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) auftreten. Daher wird wie bereits erwähnt angenommen, dass Bruxismus beim Schlafen auch physiologisch zur Sicherung geöffneter Atemwege sein könnte [3,5,26,31,40].
Bruxismus ist nicht selten mit psychischen Stresssituationen oder gar Angstzuständen assoziiert, daher sehen einige Experten Bruxismus auch als eine Form von „Stressmanagement“ [35]. Auch Zusammenhänge zwischen Bruxismus und Craniomandibulärer Dysfunktion (CMD) sind bekannt, aber nicht vollständig geklärt.
So berichten in etwa 20 bis 30% der (erwachsenen) Patienten mit Schlafbruxismus über orofaziale Schmerzen, die meist morgens, beim Aufwachen, auftreten [27]. In einer klinischen Fragebogenstudie gaben ca. 2/3 der CMD-Patienten Schlafbruxismus und knapp die Hälfte der Patienten Wachbruxismus als mögliche Ursache für orofazialen Schmerz an [50]. Daraus ließe sich folgern: Chronischer Stress kann zu Bruxismus und in der Folge auch zu einschleichenden Schmerzen in die orofaziale Muskulatur führen, chronische Schlafstörungen und Schlafbruxismus können abermals zu chronischen Schmerzen führen, welche wiederum zu Schlafstörungen und Schlafbruxismus führen können.
Langanhaltende Beschwerden führen zudem potenziell zu einem „Schmerzgedächtnis“ und zu Zwangsstörungen, die mit Ängsten und Depressionen einhergehen können. In solchen Fällen ist es ratsam, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um aus diesem Teufelskreis wieder auszubrechen. Schlafbruxismus kann auch durch Medikamenteneinnahme von z.B. Psychopharmaka insbesondere durch selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) getriggert werden.
Des Weiteren sind bei Amphetaminen oder anderen stimulierenden Drogen und auch bei Nikotin, Koffein und Alkohol(abusus) Assoziationen zu Bruxismus bekannt [38,49]. Diese Aspekte sollten bei Kindern i.d.R. aber keine Rolle spielen.
Bruxismusmanagement bei Jugendlichen: Multiple-P
Der Grundgedanke der Bruxismustherapie ist die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Die Therapiekonzepte sollten individuell je nach Schweregrad auf den Patienten abgestimmt sein. Dabei ist primär eine schonende und reversible Vorgehensweise angezeigt, d.h. umfangreiche (prothetische) Zahnbehandlungen, okklusales Einschleifen, kieferorthopädische oder gar chirurgische Maßnahmen sind kontraindiziert.
Dementsprechend beträgt der Anteil dieser nicht-reversiblen Maßnahmen laut einer Fragebogenstudie bei Deutschen Zahnärzten auch weniger als 10% [41]. Der internationale evidenzbasierte Standard in der Therapie des Bruxismus fasst die wesentlichen Elemente unter „MULTIPLE-P“ (pep-talk, plates, psychology and pills) zusammen [36]. Damit ist die Kombination aus Aufklärung (pep-talk) über die Krankheitszusammenhänge mit begleitender Schienentherapie (plates) und ggf. medikamentöser Therapie (pills) gemeint.
Auch eine psychologische Begleitung/Therapie kommt infrage; Hinweise zu Entspannungsübungen oder Stressmanagement sollten im Zuge der Aufklärung gegeben werden. Die psychologische Therapieoption beruht auf dem wissenschaftlich anerkannten Verständnis, dass Bruxismus vorwiegend „zentral und nicht peripher reguliert wird“ [31].
Aufklärung (pep-talk) als Bestandteil des Bruxismusmanagements Über die Krankheitszusammenhänge ist bereits in den vorherigen Abschnitten geschrieben worden. Daher sollen hier nur kurz die wesentlichen Aspekte aufgelistet werden, die bei der Aufklärung relevant sind. Diese entsprechen beim Bruxismus zugleich einen wesentlichen Teil des therapeutischen Maßnahmenkatalogs.
- Der Patient bzw. die Patientin sollte seine/ihre persönlichen Auslöser (er)kennen.
- Durch Selbstbeobachtung kann die Häufigkeit des Knirschens/Pressens verringert werden. Hinweispunkte (Abb. 4) sollten dazu v.a. in den Alltagsräumen bzw. -situationen platziert sein, in denen der Betroffene knirscht oder presst: z.B. Schreibtisch/PC-Monitor, im Auto etc.
- Instruktionen zu Entspannungsübungen oder Stressmanagement oder gar Selbsthypnose sollten erfolgen.
Therapie mit Okklusionsschienen (plates)
Eine Okklusionsschiene wird sehr häufig zur Therapie eingesetzt. Sie ist i.d.R. jedoch nicht vor der Phase des jugendlich permanenten Gebisses zu empfehlen, da vorher aufgrund des Zahnwechsels eine sehr häufige Anpassung der Schiene notwendig wäre und ggf. Wachstumsprozesse behindert werden könnten.
Prinzipiell ist es jedoch auch möglich, in der Schienengestaltung für durchbrechende Zähne zumindest einen okklusalen Freiraum zu belassen. Bereits durch einen einfachen Aufbissbehelf (z.B. Miniplastschiene) kann das gewohnte Funktionsmuster durchbrochen werden und so eine Entspannung der Kau- und Kopfmuskulatur sowie eine Entlastung der Kiefergelenke herbeigeführt werden. Zudem bietet eine Schiene einen mechanischen Schutz der Zähne, was v.a. bei Schlafbruxismus sehr wichtig sein kann [11].
Durch eine Zentrikschiene (Abb. 5) kann zudem langfristig die Diskrepanz zwischen physiologischer Zentrik und maximaler Interkuspidation ausgeglichen werden. Dafür sollte das Zentrikregistrat im entspannten Zustand der Muskulatur genommen werden. Zur Entspannung der orofazialen Muskulatur vor der Bissnahme eignet sich z.B. der „Watterollentest“ (Abb. 6).
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Abb. 5: Die Zentrikschiene ist ein häufig genutztes Therapiemittel zum Schutz
der Zähne bei Bruxismus und zur Entlastung der Kiefergelenke und Kaumuskulatur.
© Prof. G. Meyer; mit freundlicher Genehmigung -
Abb. 6: Anfertigung einer Zentrikschiene: Der „Watterollentest“ eignet sich zur
Entspannung der Muskulatur und kann somit auch therapeutisch vor der Bissnahme
für ein Zentrikregistrat wichtig sein.
© Dr. Schmoeckel
Pharmakologische Therapie (pills) – nicht bei Kindern
In der Bruxismustherapie spielt mitunter auch die medikamentöse Behandlung mit i.d.R. Muskelrelaxantien wie z.B. Benzodiazepinen oder Gabapentinen eine Rolle. Lokal kann auch Botulinumtoxin zur Hemmung der motorischen Endplatten der Kaumuskulatur injiziert werden.
Eine medikamentöse Begleittherapie ist dann indiziert, wenn starke Schmerzen in der orofazialen Muskulatur auftreten und/oder massive Hypertrophien der Kaumuskulatur physiognomische Veränderungen des Gesichts hervorrufen und die Lebensqualität des Patienten deutlich beeinträchtigt ist. Entsprechend der aktuellen Bruxismus-Leitlinie kann aus der aktuellen Studienlage keine Empfehlung für eine medikamentöse Behandlung von Bruxismus im Kindesalter gegeben werden [14].
Hypnose als begleitende Therapie
Lange anhaltender Bruxismus kann wie beschrieben mit chronischen Schmerzen einhergehen, deren Ursachen nicht selten, wie beim Schlafbruxismus, in unbewusstem Knirschen/Pressen liegen. Über therapeutische Hypnose kann neben der Schmerzempfindung u.a. auch das Unbewusste einer Person beeinflusst werden. Nach ausführlichem Vorgespräch, Anamnese und Diagnostik kann bei einer guten Beziehung zwischen dem Patienten und dem Behandler (Rapport) therapeutisch eine Kombination aus z.B. Schienentherapie, Selbstbeobachtung und Hypnose angewandt werden [44].
Zuvor ist jedoch eine genaue Auftragsklärung essentiell. Denn Diagnosen können „massiv hypnotische Wirkung“ haben, die sogar zu „Zustandsänderungen“ führen [19]. Das therapeutische Vorgehen wird dazu in 3 Abschnitte gegliedert [20]:
- vorbereitende zahnärztliche Maßnahmen vor der hypnotischen Intervention (Anamnese, Motivation, zahnärztliche Diagnostik),
- Durchführung der Hypnose (über Fokussierung auf das Symptom, Pacing, Tranceinduktion, Seeding und positive Zielformulierung),
- posthypnotische Suggestionen.
Weiterführend zur praktischen Umsetzung bietet der Beitrag „Ablaufschema eines therapeutischen Vorgehens bei Bruxismus und Myoarthropathie“ [20] einen Leitfaden zur Bruxismustherapie mittels Hypnose (bei Erwachsenen) mit vielen Details. Der Beitrag ist online frei verfügbar***.
Aus kleineren Studien und Fallberichten [12,15] sind erfolgreiche Behandlungen mittels Hypnose schon länger beschrieben und der erfolgreiche Einsatz in anderen Einsatzbereichen, wie z.B. Angsttherapie und Raucherentwöhnung, sprechen für eine mögliche Wirksamkeit [42]. Wissenschaftliche Evidenz basierend auf randomisiert kontrollierten klinischen Studien und/oder größeren Kohortenstudien zur Wirksamkeit der Hypnose bei Bruxismus besteht allerdings nicht [2,11].
Fazit für die Praxis
- Zähneknirschen bei Kindern ist häufig, aber zumindest in der Phase des Milch- und Wechselgebisses meist nicht zahnärztlich therapeutisch relevant. Bei Verdacht auf Schlafbruxismus und bekannten Schlafproblemen oder Verhaltensauffälligkeiten sollten diese Patienten (meist Kindergarten- bzw. Grundschulalter) interdisziplinär (insbesondere durch den HNO-Arzt oder auch psychologisch) weitergehend untersucht werden.
- Schlaf- bzw. Wachbruxismus sollte über ein Screening in der Anamnese und das Erkennen u.a. von Abrasionen und keilförmigen Defekten an Zähnen bei der klinischen Untersuchung frühzeitig identifiziert werden, um weitere Schäden der Zahnhartsubstanzen, insbesondere an permanenten Zähnen, zu vermeiden.
- Das Bruxismusmanagement zielt auf die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen ab; eine schonende und reversible Vorgehensweise ist angezeigt.
- Multiple-P (pep-talk, plates, psychology and pills) beschreibt die zurzeit im Allgemeinen gültigen wesentlichen Elemente der Therapie des Bruxismus. D.h. Aufklärung über die Krankheitszusammenhänge inkl. Hinweisen zu Entspannungsübungen, Schienentherapie, Psychologie und Medikamenten (welche im Kindesalter aber nicht primär genutzt werden sollten). Neben diesen altbewährten Therapieansätzen kann mitunter auch die Hypnose in Betracht gezogen werden.