Anzeige

Implantologie

Fehlerhafte Implantation in der ästhetischen Zone – was nun?

Die Natur rächt sich, wenn die Regeln der zahnärztlichen Kunst nicht eingehalten werden. Dies erfuhren die Autoren Dr. Alexander Müller-Busch, Dr. Frederic Kauffmann und Prof. Dr. Stefan Fickl, als sich eine Patientin mit freiliegenden Implantatoberflächen vorstellte. In der ästhetischen Zone waren die implantologischen Gesetze nicht beachtet worden. Nun begann das Ringen um eine Verbesserung. Auch für den Zahntechniker eine ehrgeizige Aufgabe, ging es doch um eine Implantatversorgung mit Pontic, lebhafte natürliche Nachbarzähne und eine hohe Lachlinie.

© Müller-Busch, Kauffmann, Fickl Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
© Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
© Müller-Busch, Kauffmann, Fickl

Sowohl Patienten als auch Behandler und Zahntechniker schätzen seit Jahren den Wert der Implantologie und die Möglichkeit, einzelne fehlende Zähne elegant zu ersetzen oder komplexe prothetische Fälle zu lösen. Mit Überlebensraten von deutlich mehr als 95% scheint es, als ob es kein Risiko bei der Versorgung mit Implantaten geben würde [1]. Aber ist es wirklich so einfach? Der nachfolgende Fallbericht belehrt uns eines Besseren und zeigt sowohl die Schwierigkeiten und Probleme als auch die Folgen einer fehlerhaften Implantation in der ästhetischen Zone. Darüber hinaus machen die Autoren deutlich, dass für den Erfolg einer jeden Behandlung eine akribische Planung der prothetischen Versorgung im zahnärztlich-zahntechnischen Team entscheidend ist. Hierzu gehören das Evaluieren von Möglichkeiten, Abwägen von Alternativen, Ermessen der Umsetzbarkeit und genauso auch das Zuhören und Einbeziehen des Patientenwunsches.

Die Beurteilung komplexer oraler Situationen und die nachfolgende Findung und Schaffung einer adäquaten Prothetik sollten immer in enger Zusammenarbeit mit dem Zahntechniker erfolgen. Hierdurch können alle Vor- und Nachteile eines jeden Lösungsansatzes zur Sprache kommen, und somit ist die für alle Beteiligten bestmögliche Versorgung zu erreichen. Sowohl Zahnarzt als auch Zahntechniker sollten von ihrem gegenseitigen Know-how profitieren, um dadurch die optimale Lösung für die vorliegende Situation zu finden. Der nachstehend beschriebene Fall zeigt zunächst, wie alio loco durch eine fehlerhafte Planung und erzwungene Implantation eine Situation mit katastrophalen Auswirkungen für die Patientin entstanden ist. Mit solch einer Gegebenheit ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen, ist äußerst schwierig und komplex. Dennoch konnte auch für den hier besprochenen Fall durch eine sorgfältige Planung und die enge Zusammenarbeit von Zahnarzt und Zahntechniker ein prothetisch stabiles und optisch ansprechendes Resultat erzielt werden. Wir freuen uns, dass auch dieser Patientin geholfen und ihr ein schönes Lächeln zurückgegeben werden konnte.

Befundung nach inadäquater Behandlung

Eine 26-jährige Patientin wurde von ihrem Hauszahnarzt mit der Bitte um Verbesserung der Gesamtsituation regio 21/22 überwiesen (Abb. 1a und b). Ein zuvor durchgeführter Versuch, die Rezession mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat zu behandeln, war frustran. Die junge Patientin gab an, durch die Folgen eines Unfalls 10 Jahre zuvor erst Zahn 22 und einige Jahre später Zahn 21 verloren zu haben. Regio 22 wurde zwei Jahre und regio 21 neun Jahre nach dem Trauma implantologisch versorgt. Klinisch imponierte eine Rezession an beiden Implantaten und hierdurch bedingt eine deutlich kompromittierte Ästhetik. Der weitere Befund stellte sich unauffällig dar. Alle Zähne außer 21 und 22 (traumabedingt) und den 8ern (8er ost; operative Entfernung der Weisheitszähne) waren vorhanden und zeigten sich karies- und füllungsfrei. Die Taschensondierungstiefen waren im Normalbereich und stellten sich ohne BoP (Blutung auf Sondieren) dar. Die Mundhygiene war tadellos. Es zeigte sich eine rosa Gingiva mit Stippelung. Im Bereich der Implantate war eine livide verfärbte Mukosa sichtbar. Der röntgenologische Befund zeigte sich bis auf die durch Implantate versorgte Region (Abb. 2) ohne pathologischen Befund.

Anzeige
Abb. 1a u. b: Die Situation im Gefolge einer fehlerhaften Verwendung von Implantaten. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 1a u. b: Die Situation im Gefolge einer fehlerhaften Verwendung von Implantaten.
Abb. 2: Ausgangsröntgenbild. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 2: Ausgangsröntgenbild.

Planung

Nach umfangreichen Erwägungen, Vorgesprächen im zahnärztlich-zahntechnischen Team und Vorplanungen wurde die Patientin umfassend aufgeklärt und ausführlich beraten. Sie erfuhr, dass bei der empfohlenen Neuversorgung die vorhandenen Implantate nicht erhalten werden könnten. Ein neu zu inserierendes Implantat konnte zudem die Explantationskavitäten nicht nutzen; ein neues Implantatlager musste geschaffen werden. Mit der Patientin wurde folgender möglicher Behandlungsablauf besprochen:

  1. Entfernung der beiden Implantate und Verdickung der Weichgewebe mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat,
  2. Augmentation vor Implantation,
  3. Implantation eines Implantats regio 21,
  4. nach Ausformung des Emergenzprofils Erarbeitung der definitiven Versorgung.

Diesem Vorgehen stimmte die Patientin zu. Für eine detailliertere Planung wurden Abformungen des Ober- und Unterkiefers angefertigt.

Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass die Patientin seit dem Trauma regelmäßig unangenehme chirurgische Eingriffe erfahren hatte. Der Gedanke an neuerliche Eingriffe ließ sie lange überlegen, ob sie nicht lieber mit der jetzigen Situation leben sollte, anstatt sich der Neuversorgung und den abermaligen Eingriffen zu stellen. Dieser Punkt des Vorbehalts wurde im weiteren Behandlungsverlauf noch ein weiteres Mal, zum Zeitpunkt der Implantation, erreicht. Aber auch hier entschied sich die Patientin zur Weiterbehandlung.

Erster Eingriff – Explantation

Mitte 2015 wurden der Patientin in Lokalanästhesie die beiden Implantate regio 21 und 22 entfernt und ein subepitheliales Bindegewebstransplantat im OP-Gebiet eingebracht. Dazu wurde nach Lokalanästhesie regio 21, 22 bukkal und palatinal sowie 16–12 palatinal zunächst die Zahnersatzversorgung abgenommen (Abb. 3). Nach Entfernung der Abutments wurden die passenden Entfernungsschrauben in die Implantate eingedreht und vorsichtig mit einem Drehmomentschlüssel festgezogen, bis sich jedes einzelne Implantat löste und entnommen werden konnte (Abb. 4 und 5) (BTI Explantatationsset, BTI Biotechnology Institute Deutschland GmbH, Pforzheim). Das Bindegewebstransplantat wurde im ersten Quadranten palatinal mit einer Single-Incision-Technik entnommen [2]. Der primäre Wundverschluss am Gaumen erfolgte mit einer fortlaufenden Interlocking-Naht aus Polytetrafluorethylen (ePTFE) (Gore-Tex® Sutures, W. L. Gore & Associates, Inc., Arizona, USA) in der Stärke 5-0. Das Bindegewebstransplantat (Abb. 6) wurde mit einer Cytoplast-Naht sowohl im bukkalen als auch palatinalen Bereich in einem zuvor präparierten „Envelope“ fixiert und anschließend mit einer 6-0 Naht (Seralene®, SERAG-WIESSNER GmbH & Co. KG, Naila) mit dem umgebenden Weichgewebe krestal vernäht (Abb. 7).

Abb. 3: Situation nach Entfernung der Kronen. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 3: Situation nach Entfernung der Kronen.
Abb. 4: Beim Explantieren. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 4: Beim Explantieren.
Abb. 5: Röntgenkontrolle nach der Explantation. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 5: Röntgenkontrolle nach der Explantation.
Abb. 6: Einbringen des Bindegewebstransplantats. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 6: Einbringen des Bindegewebstransplantats.
Abb. 7: Primärer Wundverschluss mit monofi lem Nahtmaterial. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 7: Primärer Wundverschluss mit monofi lem Nahtmaterial.

Im Anschluss wurde ein festsitzendes Provisorium im Stil einer Maryland-Brücke an den Palatinalflächen der Nachbarzähne mit Komposit fixiert. Der Weichgewebsdefekt wurde durch rosa Kunststoff im bukkalen Bereich kaschiert (Abb. 8 und 9).

Abb. 8: Provisorium von bukkal. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 8: Provisorium von bukkal.
Abb. 9: Blick von extraoral auf das Provisorium. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 9: Blick von extraoral auf das Provisorium.
Abb. 10: Nahtentfernung sieben Tage post OP. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 10: Nahtentfernung sieben Tage post OP.

Die Abheilung gestaltete sich unauffällig. Die Nähte wurden am 7. postoperativen Tag entfernt (Abb. 10).

Zweiter Eingriff – Augmentation

Fünf Monate nach der Explantation erfolgte die knöcherne Augmentation des defizitären Bereichs. Nach der Lokalanästhesie und Entfernung des Provisoriums wurde der sowohl vertikale als auch horizontale Defekt durch zwei vertikale Entlastungen im bukkalen Bereich dargestellt. Mit Titanpins wurde eine nichtresorbierbare und titanverstärkte d-PTFEMembran (Osteogenics Biomedical, Inc., USA) im apikalen Defektbereich fixiert. Als Knochenersatzmaterial wurde Bio- Oss (Geistlich Bio-Oss®, Geistlich Pharma AG, CH-Wolhusen) gewählt. Nach Einbringen des Knochenersatzmaterials in den Defektbereich (Abb. 11) wurde die Membran zur besseren Stabilisierung auch im palatinalen Bereich mit Titanpins fixiert (Abb. 12). Der primäre Wundverschluss wurde mit Polyvinylidenfluorid in der Stärke 6-0 (Seralene®, SERAG- WIESSNER GmbH & Co. KG) realisiert (Abb. 13). Das zuvor entfernte Provisorium konnte nach Anpassung im krestalen und bukkalen Bereich wiederverwendet werden. Die Nahtentfernung erfolgte nach sieben Tagen. Der Heilungsverlauf gestaltete sich unauffällig.

Abb. 11: Nach Einbringen des Knochenersatzmaterials. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 11: Nach Einbringen des Knochenersatzmaterials.
Abb. 12: Mit Titanpins fixierte Membran. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 12: Mit Titanpins fixierte Membran.
Abb. 13: Wundverschluss. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 13: Wundverschluss.

Dritter Eingriff – Implantation

Als nach der Augmentation fünf Monate vergangen waren, erfolgte die Aufklärung für die geplante Implantation. Vor diesem Schritt hatte die Patientin, die bis zu diesem Zeitpunkt eine ausgezeichnete Compliance zeigte, die größten Bedenken. Sehr positiv ist, dass die Patientin das Vertrauen hatte, diese Bedenken zu äußern, und zu dem Aufklärungstermin erschien. Der Patientin konnte das weitere Vorgehen in aller Ruhe erklärt werden. Daraufhin willigte sie ein, sich wie geplant ein Implantat einbringen zu lassen.

Die Implantation gestaltete sich unauffällig. Es zeigte sich nach dem Anästhesieren und Abnehmen des festsitzenden Provisoriums ein gesundes Weichgewebe. Nach Darstellung der Membran (Abb. 14) konnte diese problemlos entfernt werden. Zum Vorschein kam ein breiter augmentierter Kieferkamm (Abb. 15), in den regio 21 ein Implantat (4,1 mm × 12 mm BLT, Straumann AG, CH-Basel) eingebracht werden konnte (Abb. 16a und b, Abb. 17). Auch in diesem Schritt wurde zusätzlich das Weichgewebe mithilfe eines subepithelialen Bindegewebstransplantates vom Gaumen (regio 13–16, Single-Incision-Technik) verdickt (Abb. 18). Der spannungsfreie und primäre Wundverschluss (Abb. 19) erfolgte mit Seralene® in der Stärke 6-0. Das zuvor entfernte Provisorium wurde erneut umgearbeitet und erneut eingesetzt. Der Heilungsverlauf gestaltete sich unauffällig. Sieben Tage später wurden die Nähte entfernt.

Abb. 14: Röntgenbild vor der Implantation. Die Titanpins zeichnen sich deutlich ab. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 14: Röntgenbild vor der Implantation. Die Titanpins zeichnen sich deutlich ab.
Abb. 15: Die knöcherne Situation vor der Implantation. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 15: Die knöcherne Situation vor der Implantation.
Abb. 16a: Implantation regio 21. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 16a: Implantation regio 21.
Abb. 16b: Das Implantat in korrekter Position. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 16b: Das Implantat in korrekter Position.
Abb. 17: Röntgenkontrolle nach der Implantatinsertion. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 17: Röntgenkontrolle nach der Implantatinsertion.
Abb. 18: Erneute Weichgewebsverdickung durch Bindegewebstransplantat. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 18: Erneute Weichgewebsverdickung durch Bindegewebstransplantat.
Abb. 19: Vernähen des Situs. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 19: Vernähen des Situs.

Vierter Eingriff – Freilegung mit Einschrauben des Provisoriums

Nach weiteren acht Wochen erschien die Patientin zum Freilegungstermin. Hierfür wurde nach Anästhesie und Abnahme des Provisoriums das Implantat durch eine Rolllappenplastik freigelegt (Abb. 20).

Abb. 20: Das Implantat wurde mit Rolllappenplastik freigelegt. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 20: Das Implantat wurde mit Rolllappenplastik freigelegt.
Abb. 21: Provisorischer Pfosten. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 21: Provisorischer Pfosten.
Abb. 22: Die provisorische Versorgung von okklusal. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 22: Die provisorische Versorgung von okklusal.
Abb. 23: Provisorische Versorgung von bukkal. Schon jetzt ist die bedeutende ästhetische Verbesserung der Weichgewebssituation gegenüber der Ausgangslage zu sehen. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 23: Provisorische Versorgung von bukkal. Schon jetzt ist die bedeutende ästhetische Verbesserung der Weichgewebssituation gegenüber der Ausgangslage zu sehen.
Abb. 24: Das Röntgenbild zeigt den guten Sitz von Implantat und Provisorium. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 24: Das Röntgenbild zeigt den guten Sitz von Implantat und Provisorium.
Abb. 25: Kontrolle nach der Modifikation des Emergenzprofils. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 25: Kontrolle nach der Modifikation des Emergenzprofils.

Nach Einschrauben eines provisorischen Sekundärteils (RC Provisoriumssekundärteil, Institut Straumann AG) wurde das zuvor palatinal verklebte Provisorium so umgearbeitet, dass es als verschraubtes Provisorium verwendet werden konnte (Abb. 21–25). Hierfür wurde der rosa Kunststoff vollständig entfernt und zusätzlich mit fließfähigem Komposit modifiziert. An der Basis von 22 wurde Komposit angefügt, um mit der Ausformung eines Pontics zu beginnen.

Letzte „Vorarbeiten“ für die Ästhetik

Dieses Prozedere wurde mehrfach wiederholt, bis das Emergenzprofil 21 und das Pontic 22 zufriedenstellend ausgeformt waren (Abb. 26). Durch eine Narbenkorrektur konnte die Ästhetik der Weichgewebe weiter verbessert werden (Abb. 27).

Abb. 26: Das erreichte Emergenzprofil. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 26: Das erreichte Emergenzprofil.
Abb. 27: Deepithelisierung während der Narbenkorrektur. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 27: Deepithelisierung während der Narbenkorrektur.
Abb. 28: Kontrolle während der kieferorthopädischen Maßnahme. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 28: Kontrolle während der kieferorthopädischen Maßnahme.

Die Patientin war mit dem „Zwischenergebnis“ so sehr zufrieden und schöpfte neue Hoffnung, dass sie sich dazu entschied, die leichte Fehlstellung der Oberkieferfront kieferorthopädisch korrigieren zu lassen. Hierdurch verzögerte sich auf der einen Seite die weitere Behandlung, auf der anderen Seite jedoch kam die Entscheidung zur richtigen Zeit. So konnte ohne Mehraufwand für Behandler und Zahntechniker eine kieferorthopädische Behandlung angeschlossen werden (Abb. 28).

Die Prothetik entsteht

Abb. 29: Individualisierter Abformpfosten in situ. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 29: Individualisierter Abformpfosten in situ.

Nun vergingen sechs Monate und es erfolgte die definitive Abformung. Mit diesem Schritt wird zum einen das Ende der zahnärztlich-chirurgischen Behandlung erreicht, zum anderen beginnt die schwierige Arbeit des Zahntechnikers, zwei passende Frontzahnkronen neben naturgesunden Zähnen zu gestalten, die zudem einen hohen Individualitätsgrad aufweisen. Außerdem hat die Patientin eine hohe Lachlinie.

Nach Entfernung der provisorischen Kronen wurde das Emergenzprofil mithilfe eines Laboranalogs und von Komposit auf einen Abformpfosten übertragen und dieser als individualisierter Abformpfosten verwendet (Abb. 29). Der Abformpfosten wurde eingeschraubt und für den Oberkiefer eine offene Implantatabformung mit Vinylsiloxanether® (Identium® Medium, Kettenbach, Eschenburg) gewählt. Am Gegenkiefer (Unterkiefer) kam Alginat zum Einsatz.

Vor der Abformung war die Farbnahme erfolgt (Abb. 30a–c). Dabei war große Sorgfalt angesagt, da sich die zu kreierende Implantatversorgung ästhetisch exakt passend in die exponierte Oberkieferfront einzufügen hatte.

Abb. 30a–c: Die Farbnahme erfolgt durch den Techniker. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 30a–c: Die Farbnahme erfolgt durch den Techniker.
Abb. 31: Das Keramikgerüst auf dem Modell. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 31: Das Keramikgerüst auf dem Modell.
Abb. 32a–c: Schichten der Verblendung. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 32a–c: Schichten der Verblendung.
Abb. 32d u. e: Kontrolle während der Keramikbrände. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 32d u. e: Kontrolle während der Keramikbrände.
Abb. 32f: Das Brennergebnis nach verschiedenen Charakterisierungen entsprechend dem natürlichen Vorbild und mit approximalem Antrag von rosa Keramik. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 32f: Das Brennergebnis nach verschiedenen Charakterisierungen entsprechend dem natürlichen Vorbild und mit approximalem Antrag von rosa Keramik.

Das Meistermodell wurde hergestellt und ein vollkeramisches Gerüst für die Region 21–22 gefertigt, bestehend aus einer reduzierten Implantatkrone mit einflügeligem Pontic (Abb. 31). Die Verblendungen sollten als Spiegelzwillinge der jeweiligen Nachbarzähne geschaffen werden (Abb. 32a–f).

Abb. 33: Begutachtung der Einprobe. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 33: Begutachtung der Einprobe.

Deshalb fand sich die Patientin regelmäßig zu Kontrollen der Zahnform, Zahnfarbe und Charakterisierung im zahntechnischen Labor ein. Eine erste Anprobe in der Zahnarztpraxis deckte noch letzte zu optimierende Stellen auf; es fiel auch die Entscheidung, die rosa Keramik, welche zunächst approximal zur optischen Unterstützung des Zahnfleischsaums aufgetragen worden war (Abb. 33), zu entfernen.

Bei der gewählten Methode des Schichtens zeigen sich die Vor- und Nachteile der Verblendung gegenüber dem Arbeiten mit monolithischem Vorgehen. Es fällt ein wesentlich erhöhter Zeitbedarf an, aber die Mühe schlägt sich in einer deutlich besseren Ästhetik und individuellem Design nieder. Gerade dieser Patientenfall zeichnet sich durch ein sehr lebhaftes Erscheinungsbild der Zähne aus.

Nach mehreren Anproben wurde der Zahnersatz fertiggestellt (Abb. 34a– d).

Abb. 34a: Der Zahnersatz mit approximal rosa Keramik im Lippenbild. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 34a: Der Zahnersatz mit approximal rosa Keramik im Lippenbild.
Abb. 34b: Aufnahme mit Polarisationsfilter. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 34b: Aufnahme mit Polarisationsfilter.
Abb. 34c: Die rosa Keramik ist entfernt. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 34c: Die rosa Keramik ist entfernt.
Abb. 34d: Aufnahme mit Polarisationsfilter. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 34d: Aufnahme mit Polarisationsfilter.

Das abschließende Ergebnis zeigt eine deutliche Verbesserung gegenüber der Ausgangssituation (Abb. 35 u. 36a–c). Dieses Ergebnis wäre ohne den Einsatz und das Zusammenspiel mit der Zahntechnik nicht möglich gewesen.

Abb. 35: Der definitive Zahnersatz mit Implantat in der Röntgenkontrolle. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 35: Der definitive Zahnersatz mit Implantat in der Röntgenkontrolle.
Abb. 36a: Regio 21/22 unmittelbar nach dem Einsetzen. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 36a: Regio 21/22 unmittelbar nach dem Einsetzen.
Abb. 36b: Mundbild unmittelbar nach dem Einsetzen. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 36b: Mundbild unmittelbar nach dem Einsetzen.
Abb. 36c: Die finale Situation. Müller-Busch, Kauffmann, Fickl
Abb. 36c: Die finale Situation.

Alternativen zum gewählten Vorgehen

Alternative Lösungsansätze bei vorliegender Ausgangssituation sind nicht einfach zu benennen. Durch den Hartund Weichgewebsverlust, hervorgerufen durch die falsche Insertionsrichtung der Implantate und die fehlenden einzuhaltenden Mindestabstände ist die Situation stark kompromittiert. Darüber hinaus ist eine Explantation, um die Missstände in der ästhetischen Zone zu beheben, unumgänglich. Danach muss allerdings mit einem erneuten Verlust von Hart- und Weichgewebe gerechnet werden. Sollten in solch einem Fall nach der Entfernung der Implantate keine weiteren chirurgischen Eingriffe gewünscht sein, kann der Defekt nur durch eine Brücke versorgt werden, sei es durch eine Klebebrücke (einflügelige Adhäsivbrücke) oder eine konventionelle Brücke. Dabei muss mit an die Gingiva angepasster, rosa eingefärbter Keramik gearbeitet werden [5, 6]. Alternativ kann das Hart- und Weichgewebslager, wie in diesem Fallbericht beschrieben, aufgebaut und im Anschluss eine Brückenversorgung umgesetzt werden.

Entscheidend für die prothetischen/ chirurgischen Lösungsansätze sind die Sichtbarkeit der Versorgung/Gingiva, bestimmt durch die Lachlinie, und die erneute Belastbarkeit der Patientin gegenüber den Eingriffen. Es muss ganz klar erwähnt werden, dass diese verschiedenen Möglichkeiten bereits vor der Erstversorgung alio loco hätten stattfinden müssen. Man muss auch zu bedenken geben, dass die Behebung der kompromittierten Situation durch die voranschreitende Ausbreitung des Defekts immer schwieriger wird.

Darüber hinaus sollte immer die individuelle Patientensituation, wie beispielsweise das Alter, berücksichtigt werden. Da es sich in diesem konkreten Fall um eine sehr junge Patientin handelt, wäre eine Maryland-Brücke zur Versorgung für den fehlenden Zahn 22 angesagt gewesen. Auch wenn es keine Langzeitstudien gibt, wäre dies ein minimalinvasiver Lösungsansatz gewesen [4]; man hätte die vorliegende Situation lange erhalten können. Bei einem späteren Verlust von Zahn 21 hätte man sodann die Gesamtsituation neu begutachtet.

Es sollte immer versucht werden, die natürlichen eigenen Zähne so lange wie möglich zu erhalten [3]. Hier muss man sich ganz klar die Frage stellen, ob nicht anfangs durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Zahntechniker die Ausgangssituation anders bewertet worden wäre und durch das technische Können des Zahntechnikers Schlimmeres verhindert worden wäre.

Nachbetrachtung

Dieser Fallbericht soll aufzeigen, dass durch die fehlerhafte Verwendung von Implantaten nicht nur unzureichende prothetische Lösungen entstehen können, sondern auch nachhaltig umliegendes Hart- und Weichgewebe zerstört werden kann. Hieraus resultieren erhebliche Schäden, sowohl dental als auch patientenseitig, was eine Neuversorgung erheblich erschwert. Der Lösungsansatz dieses Patientenfalls zeigte, wie entstandene Defekte regeneriert werden können und ein sinnvoller Einsatz von Implantaten zu einem prothetisch stabilen und für den Patienten sehr zufriedenstellenden Ergebnis führen kann. Durch eine sorgfältige Planung und das Prüfen mehrerer Lösungsansätze vor der Erstversorgung hätten der Patientin viel Leid und schmerzhafte Eingriffe erspart werden können.

Auch sollte manchmal konventioneller Prothetik der Vorrang gewährt werden, um mit Problemen behafteten Situationen adäquat zu begegnen. Dies unterstreicht abermals die Wichtigkeit und Vorteile einer engen Zusammenarbeit von Zahnarzt und Zahntechniker. Es sollten öfter intensive Gespräche geführt werden, um gemeinsam die beste Lösung für den Patienten zu finden. Das Patientenwohl sollte stets im Mittelpunkt stehen und so jene Misserfolge verhindert werden.  

Näheres zu den Autoren des Fachbeitrages: ,

Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

Kommentare

Keine Kommentare.

Anzeige