Anzeige

Eine Kasuistik

Hochwertige Implantatprothetik … ?

Zahnarzt Lutz Höhne, 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Umwelt-ZahnMedizin, beschreibt hier einen Fall, dessen Anfänge nun gut zehn Jahre zurückliegen. Beschwerden mit ihrem Zahnersatz hatten die Patientin damals drei Jahre lang begleitet, aber schließlich konnte alles zu einem guten Ende geführt werden. Bis heute wird die Patientin durchgehend betreut – und sie ist beschwerdefrei geblieben; eine Langzeitkasuistik. 

Placeholder – News shutterstock

Abb. 1: Das Ergebnis des Abstriches: erhöhte Candida-Belastung. Höhne
Abb. 1: Das Ergebnis des Abstriches: erhöhte Candida-Belastung.

Eine 69-jährige Patientin suchte 2009 auf Anraten ihrer Heilpraktikerin unsere Praxis gezielt auf, da sie seit längerer Zeit Probleme mit ihrem Zahnersatz hatte. Dieser war 2006 alio loco gefertigt worden. Sie trug ihre Prothese nicht, weil sie einen permanent trockenen Mund beklagte. Ein zusätzlicher Metallgeschmack war nur dann geringer, wenn sich der Zahnersatz nicht in situ befand. Zahnärztlicherseits war zu sehen, dass sich eine Candida-Belastung (Hefepilz) entwickelt hatte (Abb. 1). Der bisher behandelnde Kollege konnte sich die Probleme der Patientin nicht erklären.

Befund bei Erstvorstellung in unserer Praxis

Intraoral zeigte sich im OK (Abb. 2a–c) ein implantatgetragener Zahnersatz. Sechs Titanimplantate trugen Teleskopkronen aus einer Goldlegierung (Abb. 3). Die Verschraubungsöffnungen waren nicht verschlossen, in den okklusalen Öffnungen fanden sich massive Beläge. Sie ließen sich mit Druckluft und Wasserspray des Behandlungsstuhles nicht entfernen. Die Gingiva war deutlich gerötet und geschwollen. Die Sekundärkronen bestanden aus Galvanokappen, die in eine Co-Cr-Mo-Basis eingeklebt waren.

Abb. 2a: Der vorgefundene Oberkiefer-Zahnersatz in situ. Höhne
Abb. 2a: Der vorgefundene Oberkiefer-Zahnersatz in situ.
Abb. 2b: Der ausgegliederte Oberkiefer-Zahnersatz von basal. Höhne
Abb. 2b: Der ausgegliederte Oberkiefer-Zahnersatz von basal.
Abb. 2c: Die Primärkronen im Oberkiefer. Höhne
Abb. 2c: Die Primärkronen im Oberkiefer.
Abb. 3: Die Galvanokronen wiesen deutliche Abriebspuren auf (siehe auch Abb. 8a). Höhne
Abb. 3: Die Galvanokronen wiesen deutliche Abriebspuren auf (siehe auch Abb. 8a).

Anzeige

Im UK waren die Zähne mit sehr alten insuffizienten Goldkronen (34, 35) und Amalgamfüllungen (44, 45) versorgt (Abb. 4).

Abb. 4: Die Situation im Unterkiefer mit Goldkronen sowie mit Kunststofffüllungen anstelle des ursprünglichen Amalgams. Höhne
Abb. 4: Die Situation im Unterkiefer mit Goldkronen sowie mit Kunststofffüllungen anstelle des ursprünglichen Amalgams.
Abb. 5: Konformitätserklärung und verwendete Materialien. Höhne
Abb. 5: Konformitätserklärung und verwendete Materialien.

Der Materialnachweis (Abb. 5) beschreibt AGC Gold, Degunorm Pur, DWL Lot, AGC Cem, Biosil L, Genios Frontzähne und Artiplus Backenzähne. Es fällt auf, dass diese Konformitätserklärung unvollständig ist. Woraus bestehen das Abutment, die Schrauben, die Kunststoffbasis, der Opaker, das Verblendmaterial?

Ursachensuche

Nach der Anamnese stellte sich die Frage nach einer eventuellen Titanunverträglichkeit oder allergischen Reaktion auf verwendete Werkstoffe.

Durchgeführte Lymphozytentransformationstests (LTT) auf Metalle und Kunststoffe waren negativ. Es konnten auch keine Typ-I-Allergien auf Kunststoffe festgestellt werden. Der Titanstimulationstest war unauffällig. Mit Grad 2 bei den Genpolymorphismen auf TNF?, IL-1 und TNF?Ra stuften wir die Patientin als moderate „High Responderin“ ein, bei der insgesamt das Risiko einer überschießenden Entzündung auf einen chronischen Reiz erhöht ist.

Aus diesem Ergebnis allein ließ sich jedoch keine Ursache für die Beschwerden durch den Zahnersatz ableiten.

Der Serumwert für TNF? war allerdings mit 12,8 pg/ml (Referenzwert 8,1) erhöht – es mussten also Entzündungen vorliegen. Interessant wurde es bei den Analysen des Speichels (Abb. 6): Hier waren MMA mit 1,5 ?g/l (Referenz 1 ?g) und Gold mit 66,3 ?g/l (Referenz 0,2 ?g) deutlich zu hoch.

Abb. 6: Ergebnisse des Speichel-Tests. Höhne
Abb. 6: Ergebnisse des Speichel-Tests.
Abb. 7: Im OPG wird sichtbar: Der Zahn 35 war endodontisch behandelt. Höhne
Abb. 7: Im OPG wird sichtbar: Der Zahn 35 war endodontisch behandelt.

Auf der Suche nach Entzündungsursachen gab das OPG (Abb. 7) einen Hinweis: Der Zahn 35 war endodontisch behandelt und apikal zeigten sich keine einwandfreien Verhältnisse: Es ist hier eine Osteolyse mit sklerosiertem Rand zu sehen.

Im gesamten UK fand sich ein mäßiger – eventuell altersgerechter – horizontaler Knochenabbau.

Im OK imponierte ein metalldichter Fremdkörper im Bereich 21. Für die weitere Suche nach möglichen Ursachen entfernten wir die Abutments. Schnell stellten wir fest, dass hier individuell angegossene Goldlegierungen verwendet waren. Die Qualität der Verarbeitung mag der Leser selbst beurteilen (Abb. 8–12).

Abb. 8a: Region 15 – Abutment in 30-facher Vergrößerung: Man erkennt die Abriebspuren im Primärteil, obwohl das Sekundärteil aus weichem Galvanogold gefertigt ist. Siehe auch die korrespondierenden Galvanoflächen in Abb. 3. Höhne
Abb. 8a: Region 15 – Abutment in 30-facher Vergrößerung: Man erkennt die Abriebspuren im Primärteil, obwohl das Sekundärteil aus weichem Galvanogold gefertigt ist. Siehe auch die korrespondierenden Galvanoflächen in Abb. 3.
Abb. 8b: Dasselbe Abutment in 200-facher Vergrößerung. Höhne
Abb. 8b: Dasselbe Abutment in 200-facher Vergrößerung.
Abb. 9a: Region 16 – Abutment in 30-facher Vergrößerung: Man beachte die Plaqueablagerung – weder vom Patienten noch bei professioneller Zahnreinigung zu erreichen. Höhne
Abb. 9a: Region 16 – Abutment in 30-facher Vergrößerung: Man beachte die Plaqueablagerung – weder vom Patienten noch bei professioneller Zahnreinigung zu erreichen.
Abb. 9b: Dasselbe Abutment in 100-facher Vergrößerung. Höhne
Abb. 9b: Dasselbe Abutment in 100-facher Vergrößerung.
Abb. 10: Region 25 – Abutment in 30-facher Vergrößerung. Höhne
Abb. 10: Region 25 – Abutment in 30-facher Vergrößerung.
Abb. 11: Region 26 – Abutment in 50-facher Vergrößerung. Höhne
Abb. 11: Region 26 – Abutment in 50-facher Vergrößerung.
Abb. 12: Region 27 – Abutment in 200-facher Vergrößerung. Höhne
Abb. 12: Region 27 – Abutment in 200-facher Vergrößerung.

Die gesamte Gingiva entlang der Abutments an den auf Bone-Level gesetzten Implantaten war sichtlich entzündet. Aber schon innerhalb sehr kurzer Zeit nach Abnahme der Abutments war die Gingiva entzündungsfrei.

Unter dem Mikroskop zeigte sich die Oberfläche der erst drei Jahre alten Suprakonstruktion als extrem degradiert (Abb. 13a u. b).

Abb. 13a: Blick auf die Oberkiefer-Prothese in 20-facher Vergrößerung ... Höhne
Abb. 13a: Blick auf die Oberkiefer-Prothese in 20-facher Vergrößerung …
Abb. 13b: ... und in 200-facher Vergrößerung. Höhne
Abb. 13b: … und in 200-facher Vergrößerung.

Diagnose

Es zeigt sich eine fehlerhafte Verarbeitung von Legierungen mit Verdacht auf Spaltkorrosion, Lochfraß und Reibkorrosion mit erhöhter Freisetzung von Korrosionsprodukten durch Gefügefehler.

Therapieplan

Auf Wunsch der Patientin wurde die UK-Therapie vorerst auf das Austauschen der Amalgamfüllungen reduziert (vgl. Abb. 4). Die Neuversorgung, eventuell mit Extraktion von Zahn 35, sollte später erfolgen, ebenso die Entfernung des Fremdkörpers im OK. Der OK sollte neu versorgt werden und dies möglichst kostengünstig erfolgen.

Prothetische Versorgung des Oberkiefers

Die Abutments wurden durch individuelle Abutments aus Titanlegierungen ersetzt.

Die Primärkronen wurden aus Zirkoniumdioxid gefräst. Dabei wurde darauf geachtet, die Übergänge supragingival zu belassen, um ein vollständiges Entfernen des Befestigungszementes sicherzustellen. Die Friktionsteile und Basis wurden in einem Stück aus PEEK (Bio XS, Bredent) gespritzt und mit herkömmlichem MMA-Kunststoff als Kunststoffbasis versehen (Abb. 14a u. b).

Abb. 14a: Die neuen OK-Primärkronen aus Zirkoniumdioxid. Höhne
Abb. 14a: Die neuen OK-Primärkronen aus Zirkoniumdioxid.
Abb. 14b: Die neue OK-Prothese von basal. Höhne
Abb. 14b: Die neue OK-Prothese von basal.

Kommentierung und heutige Situation

Die Gingiva hat sich bestens erholt. Der im Juli 2010 eingesetzte Zahnersatz ist nun erheblich leichter und angenehmer zu tragen. Die Patientin kommt seitdem regelmäßig zur Kontrolle. Seit Herstellung des Zahnersatzes gab und gibt es keine weiteren oder neuen Probleme beim Tragen der Prothese.

Die Hefepilzbelastung verschwand ohne weitere zusätzliche Therapie. Eine gesunde orale Mikroflora kann sich von allein regenerieren, wenn wir negative Werkstoffbelastungen vermeiden, eine zusätzliche Medikation ist dann nicht mehr notwendig.

Bei den jährlichen Kontrollen zeigte sich der Zahnersatz voll funktionstüchtig.

Im Jahre 2015 wurde der Zahnersatz unterfüttert. An den PEEK-Sekundärteilen waren keine Einbußen an Friktion feststellbar.

Wir haben hier also eine Langzeitbeobachtung einer PEEK-Suprakonstruktion über viele Jahre vor uns.

PEEK wurde bislang wegen angeblich fehlender Langzeiterfahrung nicht von der DGZMK bewertet. Damit wird auch eine Kostenerstattung seitens der Versicherungsträger immer wieder abgelehnt. Ich ermuntere aber dazu, Studien durchzuführen; wir selbst setzen PEEK seit Jahren ein. Unsere Bewertung: Wir beobachteten noch nie einen Friktionsverlust, mussten auch nie Reparaturen an Basen durchführen lassen.

Inzwischen ist die Entwicklung von PEEK weiter fortgeschritten. Solche Arbeiten werden heute gefräst, graziler und exakter.

PEEK ist grundsätzlich als Material im Zahnersatzbereich zugelassen, gerade für chronisch Kranke hat es sich bei uns bewährt, da es bioinert ist. Es wird Zeit, dass man diesen Fortschritten auch in der DGZMK Rechnung trägt … dazu müssen aber exakte wissenschaftlich basierte Studien existieren. Der hier dargestellte Fall ist immerhin eine Einzelfallstudie, die den Weg weist.

Heute würde ich eine solche „Reparatur“ mit individuell hergestellten ZrO²-Abutments ausführen – das ist erheblich schleimhautfreundlicher als eine Titanlegierung. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Gingiva erheblich fester an ZrO² anlagert [1-4] als an Metall.

Diskussion: Welche „Fehler“ waren gemacht worden?

Für diese Art von Suprakonstruktion, wie für die beschriebene Patientin 2006 hergestellt, hätte ein „herkömmliches“ Tissue-Level- Implantat mit im Gingivabereich poliertem Rand vollständig ausgereicht (klassische Tulpe).

Der Übergang eines Bone-Level-Implantats aus Titan in ein Abutment aus angussfähiger Goldlegierung provozieren wir Korrosion aufgrund einer Potenzialdifferenz von mehr als 3 V zwischen den Metallen. Eine darüber hinaus verwendete niedriger schmelzende Goldlegierung mit dünn auslaufenden Rändern innerhalb des Gingivabereichs ist zusätzlich als problematisch zu sehen: Die anzugießende Legierung – hier Degunorm – wurde auf das vorgeheizte Abutment gegossen. Es entstand lediglich eine mechanische Verbindung, da die Oberfläche des Abutments nicht oxidfrei war. Genau dies bildet klassische Voraussetzungen für sogenannte Spalt- und Reibkorrosionsphänomene.

Abb. 15a u. b: Mangelhafte Oberflächenstruktur einer Abutmentschraube (in 30- und 200-facher Vergrößerung). Höhne
Abb. 15a u. b: Mangelhafte Oberflächenstruktur einer Abutmentschraube (in 30- und 200-facher Vergrößerung).

Der durch Plaque entzündete Sulkusbereich mit der zwangsläufigen Sauerstoffverarmung wird nach kurzer Zeit im sauren pH-Bereich liegen. Damit ist eine weitergehende Korrosion ermöglicht, was durch die schlecht polierten Oberflächen unterstützt wird. Die Galvano-Sekundärkronen sind nicht abrasionsfest. Man erkennt die Riefen an den Gleitflächen. Das Einkleben solcher Kronen in ein Co-Cr-Mo-Gerüst wird nicht ohne direkte Kontaktbeziehung der beiden Metalle möglich sein. Randbemerkung: Heute hätte man auf Galvano-Mesostrukturen ganz verzichten können. Außerdem: Die zusätztliche Verwendung eines nickelhaltigen Lotes vergrößert noch die Vielzahl der verwendeten Metalle.

Auch das Offenlassen der Verschraubungen mit nachfolgender Speise-Impaktion und Belagbildung begünstigt durch pH-Wert-Absenkungen infolge einer Sauerstoffverarmung und den mikrobiellen Stoffwechsel die Korrosion und Degradation, was zudem durch die mangelhafte Oberflächenqualität der Abutments noch unterstützt wird (Abb. 15a u. b).

In der aktuellen Stellungnahme der FDA 9.2019 [5] werden exakt diese Probleme beschrieben, die auch hier gefunden wurden: Degradation, nicht beherrschbare Korrosion, Probleme für die Schleimhäute durch freiwerdende Metallionen bzw. Partikel. Zahnfleischentzündungen sind eine zwangsläufige Folge der Metallfreisetzung und damit geht häufig auch ein Metallgeschmack einher, den auch unsere Patientin beklagte.

Diese Problematik wurde auch schon von Wirz in zahlreichen Kasuistiken beschrieben [6]. Auch das Bundesgesundheitsamt stellte in seinem Statement aus dem Jahre 1992 fest [7], dass möglichst verschiedene Legierungen in ein und derselben Mundhöhle vermieden werden sollten. Die Verantwortung dafür trüge der Zahnarzt. Bei der in Rede stehenden Patientin wurde im OK ein Zahnersatz mit sieben verschiedenen Metallen/ Legierungen hergestellt, obwohl im UK eine nicht akzeptable Mischung aus alten Goldrekonstruktionen und insuffizienten Amalgamfüllungen nicht zu übersehen war. Im Zahn 35 ist zusätzlich eine Schraube erkennbar, vermutlich ein Kurer-Anker (Messing, Nickel).

Unser Rat nach aller Erfahrung: Es sollte maximal eine Legierung im oralen Bereich verarbeitet werden.

Für die Kunststoffverarbeitung gilt ebenfalls, dass die Restmonomerbelastung so gering wie möglich ausfallen sollte. Nicht selten verläuft die Polymerisation ungenügend, so auch in unserem Patientenfall. Die scheinbar nur geringe Überschreitung des Referenzwertes bei Methacrylaten im Vergleich zu den Goldwerten bedarf einer Erklärung: Gold hat die Dichte von 19,3 g/cm³. Methacrylat-Dichten finden wir im Bereich von unter 1 g/cm³. Bei Speichelmessungen wird das Gewicht bestimmt. Das muss beim Vergleich und der Interpretation der reagierenden Oberflächen/funktionellen Gruppen berücksichtigt werden.

Dieser Fall zeigt wieder einmal sehr eindrücklich, dass eine korrekte Materialverarbeitung unabdingbar ist und die Vielfalt der verwendeten Materialien eingeschränkt werden sollte. Dies war allerdings vor der Einführung der CAD/CAM-gestützten Werkstoffverarbeitung häufig schwierig. Heute ist diese Forderung aber gut zu erfüllen. Auch bei der Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz muss der Präventionsgedanke eine Rolle spielen. Dazu gehört neben der Wiederherstellung der Funktionalität wie Kauen und Sprechen auch die Vermeidung schädigender Materialeinflüsse auf die lebenden Strukturen: Das kann duch die Verwendung korrosionsamer und bioinerter Werkstoffe geschehen.

Fazit: Wie würde ich heute einen solchen Zahnersatz fertigen?

Da im UK nur eine anteriore Bezahnung ohne Molaren vorliegt, würde ich die Implantate im Oberkiefer anders verteilen – etwa im Bereich 13, 16 und 23, 26 inserieren. Vier Implantate reichen völlig aus.

Der Implantat-Werkstoff

2006 gab es noch keine wirklich funktionsfähigen Implantate aus ZrO²-Keramik. Die „Sandhaus-Implantate“ zeichneten sich zwar durch gutes Einheilen aus, aber auch durch Ungenauigkeit der einzelnen Komponenten mit der Folge von Brüchen im Bereich der schlecht „auf“sitzenden Abutments.

Die einteiligen Implantate von Volz waren noch im Versuchsstadium und hatten in der Einheilphase noch ihre Probleme. Hatten sie aber die ersten acht Wochen überstanden – so gab es eigentlich nie wieder Probleme.

Insofern wäre 2006 die Versorgung mit Tissue-Level-Titanimplantaten eine sinnvolle Methode gewesen – nicht jeder Praktiker kann Vorreiter neuen Denkens sein.

Heute würde ich solche Konstruktionen nur auf vier Zirkoniumdioxid-Implantaten herstellen. Ich habe seit den 1990er-Jahren mit unterschiedlichsten Keramikimplantaten gearbeitet – die angebliche Bruchgefahr der heutigen Generation von ZrO²-Keramiken kann ich aus meiner eigenen Erfahrung heraus nicht bestätigen. Auch Titan kann sich aufbiegen und brechen: Man muss werkstoffgerecht denken und arbeiten.

Die Anheftung der Gingiva an ZrO2 ist extrem innig, eine vollkommen andere „Welt“ als bei Titan-bzw. anderen Metalloberflächen. Es entwickelt sich kein metallveränderter pathogener Biofilm. Es kommt nicht zur mikrobiell bedingten Degradation von Metall- oberflächen: Die Gingiva bleibt gesund.

Ob die Keramikimplantate ein- oder zweiteilig zu verwenden sind, sollte jeder für sich entscheiden.

Da wir mit Zirkoniumdioxid-Implantaten kein ästhetisches Problem wie das der Metallränder zu lösen haben, sollte allerdings die Verbindung zwischen Implantat und Abutment immer supragingival, mindestens aber paragingival liegen: Auch subgingival verbliebende Kunststoffkleber können problematisch sein.

Die Suprakonstruktion

Die Suprakonstruktion mit PEEK würde ich in gleicher Weise bevorzugen, allerdings nur noch in Frästechnik. Das ist graziler, jederzeit reproduzierbar. Gerade auf Implantaten ist solch eine leichte und „biegsame“ Suprakonstruktion erheblich angenehmer zu tragen. Das bestätigt jeder Patient spontan.

Die Anwendung von Primär-, Sekundär- und Tertiärstrukturen bei Teleskoparbeiten ist bei der heutigen Genauigkeit der Fertigungsverfahren nicht erforderlich.

Alternativ hätte man einen (Metall-)Steg ins Spiel bringen können. Ein solcher behindert aber die physiologische Beweglichkeit der knöchernen Strukturen und die Reinigung der Implantate – ich halte Stege für ein Relikt der 1980er-Jahre – Knochen muss nicht sekundär stabilisiert werden. Ein eingeheiltes Implantat braucht keine Verblockung als Überlebenshilfe.

Zur Fertigstellung

Heute würde ich einen thermoplastischen rosa Kunststoff (z. B. Polyan) bevorzugen. Es ist zwar eine Herausforderung für das Labor, die Verformung der PEEK-Basis beim Spritzen zu verhindern – aber es ist machbar.

PEEK

PEEK sollte vollständig abgedeckt sein, die Gesamtkonstruktion aber erheblich graziler ausgearbeitet werden.

Der absolute Favorit wäre eine abnehmbare Brücke aus PEEK ohne Basiskunststoff – dann braucht es natürlich eine andere Vorplanung bei der Implantation.

Summa summarum

Bei chronisch kranken Menschen bzw. einer präventivmedizinisch orientierten Versorgung hat die Verwendung individuell verträglicher Werkstoffe erste Priorität. Zirkoniumdioxid und PEEK zeigen bisher die geringsten Probleme, sind also Mittel der Wahl.

Bei allen weiteren Werkstoffen muss intensiv ausgewählt werden, ob sie individuell geeignet sind. Hier stehen Adhäsive, Opaker, Kleber und Verblendkunststoffe auf dem Prüfstand – angesichts der miserablen Deklaration seitens der Hersteller eine große Herausforderung für den Zahntechniker. Das kann man aber durchaus auch als eine Chance ansehen. Hier möchten wir von der DEGUZ den Anwendern Starthilfe geben – Laufen muss jeder selbst.

Die „Reparatur“/Neuanfertigung der Konstruktion wurde 2009 mit dem Dentalstudio in Hamburg (Hendrik Schnoor) durchgeführt. Die Unterfütterung und Überarbeitung wurde beim Labor Becker & Wiedemann in Kirchheim/Weinstraße in Auftrag gegeben.

Ich danke beiden Laboren für ihre perfekte Arbeit.

Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

Kommentare

Keine Kommentare.

Anzeige