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Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, Schmerzbehandlung mit Analgetika

Pharmakotherapie-Update für Zahnärztinnen und Zahnärzte – Teil 2

Um über den aktuellen Stand der Pharmakotherapie und die Relevanz verschiedener Arzneimittelgruppen für den zahnärztlichen Praxisalltag zu diskutieren, trafen sich im vergangenen Jahr eine Gruppe von Zahnärztinnen und Zahnärzten sowie ein klinischer Pharmakologe. Dieser mehrteilige Beitrag berichtet über ihre Ergebnisse. Der 1. Teil* stellte die Pharmakotherapie ausgewählter Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems in den Fokus, der hier vorliegende 2. Teil fasst die Resultate zu ausgewählten Symptomen bzw. Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sowie der Schmerzbehandlung mit Analgetika zusammen.

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Erkrankungen bzw. Symptome des Magen-Darm-Trakts

Ulcus duodeni

Betroffene Stellen bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. ag visuell/Fotolia.com
Betroffene Stellen bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes.

Patienten mit Ulcus duodeni erhalten regelhaft einen Hemmer der Säureproduktion. Die hierzu wirksamste Arzneimittelgruppe bilden die Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI). Zu den bekanntesten Vertretern dieser Gruppe zählen Omeprazol, Esomeprazol und Pantoprazol.

PPI werden in zahlreichen Konstellationen auch zur Prophylaxe von Ulzera des oberen Gastrointestinaltrakts verwendet (Gastroprotektion). Insbesondere Patienten, die in der Vergangenheit schon einmal ein Ulkus hatten, gehören zur Risikogruppe für erneute Ulzera und deren Komplikationen. Analgetika vom Typ der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), wie Diclofenac, Ibuprofen oder Naproxen, können Duodenalulzera verursachen. Auch in der Behandlung solcher Ulzera haben PPI – neben dem Absetzen bzw. der Vermeidung von NSAR – Priorität.

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Als potenzielle unerwünschte Wirkungen von PPIs sind Kopfschmerzen und Diarrhoe (unter 2%) bekannt. Zu weiteren wichtigen, jedoch seltenen unerwünschten Wirkungen zählen interstitielle Nephritis, Hypomagnesiämie, reduzierte Vitamin-B12- Resorption, erhöhte Häufigkeit einer Clostridium-difficile-Infektion und möglicherweise einer Pneumonie. Eine Assoziation zwischen PPI-Verwendung und osteoporotischen Frakturen beruht wahrscheinlich auf gemeinsamen Risikofaktoren einschließlich Alter und internistischer Komorbidität [1], d. h. nicht zwingend auf einer Kausalbeziehung. Weitere etwaige unerwünschte Wirkungen mit derzeit unklarer Kausalbeziehung zur PPI-Langzeitverwendung werden diskutiert [2,3].

Wenn bei Ulcus duodeni eine positive Testung auf das Vorliegen einer Helicobacter-pylori-(Hp-) Infektion der Magenschleimhaut vorliegt, wird – zusätzlich zur Säureproduktionshemmung mit einem PPI – eine Hp-Eradikation durchgeführt. Die Erstlinientherapie zur Hp-Eradikation wird nach den derzeit aktuellen Leitlinien mit Clarithromycin und einem weiteren antibakteriellen Mittel (Metronidazol oder Amoxicillin) für 7 bis 14 Tage durchgeführt [4]. Clarithromycin gehört zur Antibiotikareihe der Makrolide. Makrolide können Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln eingehen. Versagt eine Erstlinientherapie zur Hp-Eradikation oder ist eine Erstlinientherapie nicht möglich, können auch andere Mittel zusätzlich zum Einsatz kommen. Hier ist insbesondere Bismut zu nennen; es kann zu einer Schwarzfärbung der Zunge bzw. des Stuhls führen.

Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD)

Zur medikamentösen Behandlung der Symptome, insbesondere auch bei begleitender Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut (Ösophagitis) als Folge des Refluxes von Magensäure, bei GERD, werden häufig PPI verwendet. PPI beheben nicht die Ursache des Refluxes. Histamin-H2-Rezeptorantagonisten, wie z.B. Ranitidin oder Famotidin, stellen eine mögliche Alternative für PPI dar. Antazida neutralisieren die bereits gebildete Magensäure und sind daher keine Säureproduktionshemmer. Antazida sind zur Ulkusbehandlung nicht ausreichend wirksam und können PPI dort nicht ersetzen. Dagegen reicht ein Antazidum zur symptomatischen Behandlung von Sodbrennen (ohne Ulkus) zuweilen aus. Bekannte Antazida sind Oxide von Aluminium, Magnesium oder Calcium. Zu ihren unerwünschten Wirkungen gehören, je nach Zusammensetzung der Wirkstoffe, entweder Obstipation (durch Aluminium- bzw. Calciumsalze) oder Diarrhoe (durch Magnesiumsalze). Die Auswahl des individuell am besten geeigneten Antazidums kann entsprechend dieser Begleitwirkungen erfolgen.

Obstipation

Zunächst kommen Abklärung der Ursache(n) und, soweit sinnvoll, Beseitigung behebbarer Ursachen einer chronischen Obstipation ins Blickfeld. Zu den möglichen Ursachen können auch obstipierend wirkende Medikamente (z.B. Opioide, Verapamil, Eisenpräparate, Antazida, bestimmte Parkinsonmittel, bestimmte Psychopharmaka oder andere anticholinerg wirkende Mittel) gehören. Bei der Abklärung lohnen sich daher eine Betrachtung des gesamten Medikationsplans inkl. der rezeptfreien Mittel und eine Reevaluierung der Sinnhaftigkeit ihrer weiteren Anwendung. Anschließend kommen Allgemeinmaßnahmen (wie z.B. Umstellung der Ernährung) in Betracht. Unterschieden werden Ballaststoffe (z.B. Plantago-ovata-Samenschalen), osmotisch wirksame Laxanzien (z.B. Lactulose, Macrogol) sowie motilitätsstimulierende Laxanzien (Bisacodyl, Senna-Glykoside, Picosulfat). Unter den unerwünschten Wirkungen – insbesondere motilitätsstimulierender Laxanzien – ist vor allem bei zu langer und zu hoch dosierter Behandlung der Verlust von Wasser, Kalium und anderen Elektrolyten zu nennen. Eine Hypokaliämie (ggf. zusätzlich auch durch Diuretika oder Corticosteroide) verstärkt die Darmträgheit [5].

Diarrhoe

Das wichtigste Antidiarrhoikum ist Loperamid, ein Opioid. Damit ist seine obstipierende Wirkung erklärbar. Loperamid hemmt die Flüssigkeitssekretion und die Vorwärtsbewegung des flüssigen Darminhaltes. Loperamid ist symptomatisch wirksam, behebt jedoch nicht die Ursache der Diarrhoe. Es ist kontraindiziert bei Ileus, fieberhaften Darminfekten sowie bei hochfloriden Stadien von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn (wegen der Gefahr des toxischen Megakolons). Fälle von Loperamid-Abusus sind beschrieben. Dies ist auch ein Hinweis darauf, dass die allgemeine Annahme, Loperamid trete nicht ins Zentralnervensystem über, so wohl nicht mehr grundsätzlich gelten kann. Bestimmte Loperamid- Präparate sind rezeptfrei erhältlich. Dauergebrauch von Loperamid sollte vermieden werden. Adsorbenzien wie Aktivkohle oder Colestyramin können – als Alternative zu Loperamid – eingesetzt werden. Da sie oral eingenommene Arzneistoffe ebenfalls binden können, kommen sie als Ursache reduzierter Verfügbarkeit solcher Mittel in Betracht und sollten als Quelle derartiger Wechselwirkungen berücksichtigt werden [6]. Als potenzielle Verursacher einer Diarrhoe ist auch an Arzneimittel zu denken. Eine Antibiotika-Therapie führt nicht selten zu Diarrhoe. Neben Laxanzien kommen u.a. auch magnesiumhaltige Antazida oder Metformin in Betracht [6].

Schmerzbehandlung mit Analgetika

Lokalanästhetika

Die Wirkungen beruhen auf einer Blockade von Natriumkanälen von schmerzleitenden Nerven. Mit unerwünschten systemischen Wirkungen von Lokalanästhetika ist bei Einhaltung des zugelassenen Dosisbereichs und korrekt durchgeführter extravasaler Applikation nicht zu rechnen.

Vasokonstriktoren (Adrenalin), MAO-Hemmer, trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin): Aufgrund einer Wechselwirkung ist es möglich, dass die blutdrucksteigernde Wirkung von Adrenalin verstärkt wird. Für Patienten, die solche Arzneimittel nehmen, ist es daher am besten, auf einen Adrenalinzusatz zum Lokalanästhetikum sicherheitshalber zu verzichten.

Saure antipyretisch-antiphlogistische Analgetika

Sie sind nichtselektive Inhibitoren der Cyclooxygenase (COX), denn sie hemmen sowohl die COX-1 als auch die COX-2. Zu dieser Gruppe zählen insbesondere Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen. Acetylsalicylsäure (ASS) als Analgetikum wird ebenfalls zu dieser Gruppe gerechnet. ASS wird als Analgetikum – dafür sind deutlich höhere Dosen (500 mg und mehr) als zur Kardioprotektion (low-dose-ASS mit nur 100 mg/d) erforderlich – heutzutage weniger häufig als Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen eingesetzt. ASS (in jeder Dosierung) weist als einziges Mittel der Gruppe der nichtselektiven COX-Inhibitoren eine relevante Hemmung der Thrombozytenaggregation auf und erhöht dementsprechend das Blutungsrisiko bei Eingriffen.

Den sauren antipyretisch-antiphlogistischen Analgetika kommen bestimmte Risiken zu, die durch den Wirkmechanismus (COXHemmung) weitgehend erklärbar sind. Dazu gehören – vor allem bei älteren Patienten – Erhöhungen des Risikos

  • gastrointestinaler Nebenwirkungen, insbesondere Ulzera des Duodenums oder Magens, mit deren Komplikationen wie Blutung oder Perforation,
  • renaler Nebenwirkungen, insbesondere des akuten Nierenversagens,
  • kardialer bzw. kardiovaskulärer Nebenwirkungen (z.B. Myokardinfarkt und Schlaganfall). Details dazu enthält der Rote- Hand-Brief zu Diclofenac [7].

Allen diesen drei Risiken ist gemeinsam, dass sie Patientengruppen mit niedrigem Grundrisiko (d. h. jüngere ohne internistische Begleiterkrankung bzw. Medikation) kaum betreffen, dagegen Patientengruppen mit hohem Grundrisiko (d. h. vorwiegend ältere Patienten) in höherem Ausmaß.

Ferner ist als Besonderheit von Ibuprofen zu erwähnen, dass es die thrombozytäre COX-Hemmung durch low-dose-ASS reduzieren kann. Zwar ist die klinische Relevanz entsprechender experimenteller Befunde hinsichtlich einer etwaigen Risikoerhöhung für Patienten mit KHK (koronare Herzkrankheit) nicht vollständig klar; gleichwohl empfiehlt es sich, Ibuprofen bei low-dose-ASSPatienten zu meiden und für sie auf ein anderes Analgetikum auszuweichen.

Selektive Cyclooxygenase-2-(COX-2-) Inhibitoren („Coxibe“)

Hierzu zählen derzeit Celecoxib, Parecoxib und Etoricoxib. Coxibe haben gegenüber nichtselektiven COX-Inhibitoren

  • hinsichtlich gastrointestinaler Komplikationen einen Vorteil. Dieser Vorteil schwindet, wenn das Coxib langfristig angewandt wird oder wenn der Patient gleichzeitig low-dose-ASS zur Kardioprotektion erhält.
  • hinsichtlich renaler Risiken keinen relevanten Unterschied.
  • hinsichtlich kardiovaskulärer Sicherheit einen Nachteil. Letzterer Nachteil fällt beim Vergleich zwischen Diclofenac, das ebenfalls eine deutliche COX-2-Hemmung aufweist und deswegen für kardiovaskuläre Hochrisikopatienten ebenfalls ungeeignet ist, und Coxiben kaum ins Gewicht.

Nichtsaure antipyretische Analgetika

Hierzu zählen Paracetamol und Metamizol (Novaminsulfon). Paracetamol bzw. Metamizol haben – zumindest bei kurzfristiger Anwendung – kein relevantes Risiko für die oben genannten gastrointestinalen, renalen und kardiovaskulären Nebenwirkungen. Das ist ein sehr wichtiger Vorteil. Die antiphlogistische (entzündungshemmende) Wirkung ist geringer als bei den sauren antipyretisch-antiphlogistischen Analgetika. Überdies haben diese beiden Wirkstoffe andere und unterschiedliche Limitationen:

  • Für Paracetamol ist die Höchstdosis durch die Lebertoxizität begrenzt. Damit ist auch die maximal erreichbare analgetische Wirksamkeit limitiert. Bis zu dieser Schwellendosis (4 g/d in mehreren Einzeldosen über den Tag verteilt für Erwachsene ohne bestimmte Begleiterkrankung bzw. Begleitmedikation) ist Paracetamol insgesamt ein bemerkenswert sicheres Arzneimittel.
  • Metamizol ist durch das Agranulozytose-Risiko belastet. Dieses Risiko ist numerisch insgesamt sehr niedrig, kann aber einige wenige Patienten unter Umständen doch erheblich treffen und ist daher ein Grund dafür, es nicht ohne Berücksichtigung etwaiger Alternativen jedem Schmerzpatienten zu verschreiben. Dagegen ist der Einsatz von Metamizol z.B. für Patienten mit Tumorschmerzen oft vorteilhaft und – als Ergebnis einer Nutzen-Risiko-Abwägung – auch durchaus vertretbar.

Opioide

Leitsubstanz dieser Gruppe ist Morphin. Hinzu kommen weitere Wirkstoffe wie z.B. Codein, Tramadol, Buprenorphin, Fentanyl, Levomethadon und Methadon, Hydromorphon, Tapentadol u.a. Alle Opiate bzw. Opioide haben folgende wichtige dosisabhängige Risiken bzw. Nebenwirkungen:

  • Übelkeit und Erbrechen; diese Nebenwirkung ist am Behandlungsbeginn häufig und erfordert oft zunächst Gegenmaßnahmen mit Antiemetika, geht aber schon nach einigen Tagen zurück.
  • Obstipation; diese Nebenwirkung dauert für die gesamte Opioid-Behandlung an und stellt ein wichtiges (z.B. für Patienten mit Tumorschmerzen) sowie bislang nicht befriedigend gelöstes Problem dar.
  • Atemdepression; diese Nebenwirkung ist potenziell gefährlich. Da sie aber durch den Schmerz antagonisiert wird, ist sie normalerweise nicht bei korrekter Dosistitration und gleichbleibender Applikationsroute, sondern eher bei fehlerhafter Dosis oder Applikationsroute zu befürchten.

Co-Analgetika

Dazu zählen Arzneimittel, die selbst keine Analgetika im engeren Sinne sind, die aber die Schmerztherapie unterstützen können. Dazu gehören

  • trizyklische Antidepressiva,
  • Antikonvulsiva (z.B. Carbamazepin, Phenytoin, Gabapentin, Pregabalin), vor allem bei einschießenden neuropathischen Schmerzen,
  • Corticosteroide, z.B. bei ödembedingten Schmerzen,
  • Bisphosphonate, z.B. bei metastasenbedingten Knochenschmerzen [8].

Im 3. Teil werden Symptome bzw. Erkrankungen des Zentralnervensystems, bakterielle Infektionen, Osteoporose sowie Diabetes mellitus Typ 2 besprochen werden. Außerdem soll auf einige indikationsübergreifende Themen eingegangen werden; dazu gehören Neben- und Wechselwirkungen (Interaktionen) von Arzneimitteln sowie Besonderheiten der Pharmakotherapie bei speziellen Patientengruppen (Schwangerschaft, Alter).

An diesen Fachartikel ist eine interaktive
Fortbildung angekoppelt.
Den Fragebogen hierzu finden Sie auf
www.zmk-aktuell.de/cme

Weiterführende Links

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